Trainer von Bayer Leverkusen:Roger Schmidt pöbelt sich um seinen guten Ruf

Bayer 04 Leverkusen v TSG 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Roger Schmidt musste wieder mal zuschauen - von ungewohnter Stelle.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Mit den Tiraden gegen Kollege Julian Nagelsmann beweist Leverkusens Coach Roger Schmidt erneut, dass er sich nicht im Griff hat.
  • Seitens der DFB-Justiz droht ihm eine empfindliche Sperre.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Roger Schmidt versuchte es mit einem Witz. Befragt, ob er wisse, wie es nach seinem neuerlichen Feldverweis - seinem dritten in zwei Jahren - mit ihm weitergehe, hielt der Trainer von Bayer Leverkusen kurz inne. Dann fragte er zurück: "Sie denken, weil ich Experte auf dem Gebiet bin?" Da hatte er die Lacher auf seiner Seite, zum ersten Mal an diesem Tag. Allerdings auch zum letzten Mal. Ansonsten reagierten die meisten Zuhörer auf den 49-Jährigen ähnlich entgeistert wie zuvor dessen Kollege Julian Nagelsmann. Der Hoffenheimer Trainer war in der 51. Minute mit ungläubigem Blick und offenem Mund dagestanden, als die Injurien des Heimtrainers auf ihn einprasselten.

Ohrenzeugen lieferten später erste Bruchstücke, ehe mit Hilfe der TV-Mikrofone die Schmidt-Sätze herausgefiltert wurden: "Was bist du denn für ein Spinner?!" Und: "Halt doch einfach mal die Schnauze". Hinzu kam das klassische Götz-von-Berlichingen-Zitat, das freilich längst nicht so ehrverletzend klang wie Schmidts nachfolgende Spitze: "Glaubst du, du hast den Fußball erfunden?"

Hatten doch zuletzt nicht wenig gedacht, der Hüter der Werkself halte selbst das Patent auf dieses Spiel. Und nun kam dieser Nagelsmann daher, 29-jährig, der Jüngste in der deutschen Trainer-Zunft, und führte den Champions-League-Dauergast in dessen eigenem Wohnzimmer vor. Es war jedenfalls kein Wunder, dass Schmidt beim Stand von 0:2 die Contenance verlor.

Sportdirektor Völler sieht "kein großes Drama" und verzichtet auf klubinterne Strafe

Gerade einmal acht Monate ist es her, dass Roger Schmidt für ein Novum in der Liga gesorgt hatte, als er sich in einem Heimspiel gegen Dortmund weigerte, auf die Tribüne zu gehen - was den damaligen Schiedsrichter Felix Zwayer zu einer Spielunterbrechung nötigte. Eine Fünf-Spiele-Sperre bekam Schmidt aufgebrummt, zwei Spiele davon auf Bewährung (bis zum 30. Juni 2017).

Bayer-Sportdirektor Rudi Völler mochte am Samstag noch so oft die Hoffnung betonen, dass es keine neuerliche Strafe geben werde ("Das wäre meiner Meinung nach übertrieben") - die Realität wird wohl anders aussehen. Es geht hier zwar nicht um einen Rückfall-Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch. Aber wenn das DFB-Sportgericht den Vorfall am Vorbild-Charakter bemisst, den Bundesliga-Darsteller haben sollten, wird es Schmidts Äußerungen Wort für Wort überprüfen. (Ein Verfahren ist eingeleitet.)

Auch Nagelsmann hielt eine Art Plädoyer für mildernde Umstände, als er sagte: "Mit der Entschuldigung ist das Thema für mich erledigt. Man sollte das nicht so hoch hängen." Fußball sei "nun mal ein emotionaler Sport". Selbst wenn, wie Völler einräumte, "das nicht die feine englische Art" gewesen sei. Ansonsten fielen die Begriffe "Männersport", "Hitze des Gefechts", und gerne wurde darauf verwiesen, dass die Coaching-Zonen in kaum einem Stadion so eng beieinander stünden wie in Leverkusen. Und damit auch die Mikrofone.

Rudi Völler ließ verlauten, es werde keine klubinterne Strafe oder Konsequenzen für den Coach geben: "Sie glauben doch nicht, dass wir den Trainer infrage stellen, weil er in einem Spiel zu einem Kollegen Spinner gesagt hat." Völler erinnerte daran, dass der Vorfall beim Dortmund-Spiel im Februar eine andere Dimension gehabt habe, "da hat er von uns allen auch die gelbe Karte gesehen". Aus der neuerlichen Entgleisung möge man bitte "kein furchtbares Drama machen. Ich kenne den DFB gut genug, um zu wissen, dass man sich dort nicht von der Hysterie anstecken lässt."

Rudi Völler gefällt das alles gar nicht

Als Schlusspunkt gab Völler, der bekanntlich selbst als impulsiv gilt (erinnert sei nur an die legendäre "Käse! Mist! Scheißdreck!"-Rede, die er 2003 im Amt des Nationaltrainers hielt), zu bedenken: "Wenn ein anderer Trainer so etwas sagen würde, spricht wahrscheinlich keiner drüber. Nur bei unserem Trainer ist das wegen seiner Vorgeschichte jetzt ein großes Thema."

Da allerdings unterliegt der Sportdirektor des Werksklubs wohl einem Irrtum: Würde ein solcher Aussetzer zum Beispiel dem Dortmunder Thomas Tuchel unterlaufen, mit dem sich Schmidt jüngst eine hitzige Fachdebatte auf der Pressekonferenz lieferte, wäre die Aufregung wohl ungleich größer als jetzt beim Werksübungsleiter von Bayer 04. Und wer sich kurz vorstellt, Carlo Ancelotti würde ähnlich pöbeln, erkennt vermutlich, dass die Leverkusener Szene alles andere als alltäglich war.

Schmidt gab sich reumütig. Er habe Worte gewählt, "die nicht in Ordnung waren. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das noch einmal passiert." Doch der Druck, unter dem er steht nach mäßigem Saisonstart und schwankenden Leistungen seines Teams, hat ihn offenbar rückfällig werden lassen. Zumal es ihn selbst am meisten ärgern wird, dass auch beim 0:3 gegen Hoffenheim einige seiner Entscheidungen wieder nicht gegriffen haben.

Damit ist nicht etwa die Aufstellung des bisher glücklosen Millionentransfers Kevin Volland gemeint, der sich bereits nach fünf Minuten die rote Karte einhandelte. Irritierend wirkte eher, dass Leverkusen auch nach dem Platzverweis weiter enorm offensiv spielte. "Es wäre bestimmt nicht klug gewesen, 85 Minuten nur hinten drin zu stehen", verteidigte sich Schmidt schnippisch. Aber war es klüger, weiter im Harakiri-Stil nach vorne zu spielen?

Demnächst geht es wohl ein paar Liga-Spiele ohne Schmidt weiter. Aus den drei Partien im Frühjahr ohne Schmidt holte Bayer 04 übrigens gerade mal einen Punkt.

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