Trainer im Fußball:Ihr seid schuld!

Trainer im Fußball: Niko Kovac (links) fiel zuletzt mit deutlicher Kritik an seiner Mannschaft auf. Hier bekommt Mittelfeldspieler Josip Brekalo Hinweise.

Niko Kovac (links) fiel zuletzt mit deutlicher Kritik an seiner Mannschaft auf. Hier bekommt Mittelfeldspieler Josip Brekalo Hinweise.

(Foto: Boris Streubel/Getty Images)

Öffentlich Kritik an der eigenen Mannschaft zu üben, war für Erfolgstrainer lange tabu. Das Beispiel Niko Kovac zeigt, dass einige aktuelle Vertreter das ganz anders sehen.

Kommentar von Felix Haselsteiner

Von den niedersächsischen Flachlandebenen bis ins vorarlbergische Ländle müssen sich Fußballtrainer derzeit mit Mannschaften herumschlagen, die ihnen einfach nicht gehorchen wollen. Niko Kovac vom VfL Wolfsburg sagte zuletzt, ihm würden bei seiner Mannschaft "die Basics" fehlen. Die Spieler seien "nicht bereit, (...) Leidenschaft, Kameradschaft, die Mentalität, die Aufopferung an den Tag zu legen". Beim SCR Altach klangen die Aussagen von Miroslav Klose ganz ähnlich: "Das ist alles klar abgesprochen, aber die Jungs kriegen es nicht umgesetzt", sagte er über das Verhalten der Defensive. Und: "Diese Fehler und diese Mutlosigkeit sind für mich schwierig zu akzeptieren."

Kovac, 50, und Klose, 44, sind Teil einer Trainergeneration, die es offenbar mit einem ganz besonderen Ansatz versuchen möchte: Öffentliche Kritik an der eigenen Mannschaft, teils in scharfen Worten, ist kein Tabu mehr. Und das gilt offenbar auch unabhängig von Tabellensituationen und Ansprüchen: Altach steckt im Abstiegskampf in Österreich, Wolfsburg ist in der Bundesliga auf dem Weg dahin, aber im Spitzenfeld hören sich die Trainerstatements inzwischen ähnlich an. "Wir müssen vier Eins-gegen-eins-Situationen gegen den Torwart nutzen, um Spiele zu gewinnen", sagte Julian Nagelsmann zuletzt nach der Niederlage gegen den FC Augsburg, implizit bedeutete das auch: Das müsst ihr machen, Spieler, ich kann von der Seitenlinie aus keine Tore schießen.

Jupp Heynckes und Hansi Flick kritisierten auch - aber konsequent nach innen

Dieser derzeit zu beobachtende kritische Ansatz ist insofern beachtenswert, als dass er sich diametral von den erfolgreichsten Trainern der vergangenen Dekade unterscheidet. Die Liste der Mannschaftsverteidiger ist lang, auf ihr stehen in Jupp Heynckes und Hansi Flick zwei Trainer des FC Bayern, die mit ihren Mannschaften auch deshalb eine so enge Einheit bildeten, weil sie konsequent nach innen kritisierten - und niemals nach außen. Zumindest nicht ganz grundsätzlich die ganze Mannschaft oder einen ganzen Mannschaftsteil.

Pep Guardiola gilt zwar gemeinhin als weniger familiär, aber auch er ist dafür berühmt geworden, dass er nach Niederlagen lautstark dafür wirbt, jegliche Schuld ihm zuzuschieben: Er müsse die Lösungen finden, die Spieler könnten sie dann nur umsetzen. Und Jürgen Klopp wählte sowohl in Dortmund als auch in Liverpool den Ansatz, im Zweifelsfall die Schuld für Niederlagen und Krisen beim Schiedsrichter zu suchen, beim Rasen, bei den Verbänden oder beim Fußballgott. Die Hauptsache war, dass er die Debatten von seiner Mannschaft fernhielt.

Andere schieben die Schuld für fehlende Tore und möglicherweise fehlenden Einsatz eben lieber der Mannschaft zu - und scheinen von diesem Ansatz sogar so überzeugt zu sein, dass sie ihn auch dann beibehalten, wenn sie eigentlich schon gemerkt haben müssten, dass er nicht funktioniert. Als Niko Kovac im Oktober 2019 über seine Bayern-Mannschaft sagte, man könne "nicht versuchen, 200 km/h auf der Autobahn zu fahren, wenn sie nur 100 schaffen", war das der Anfang vom Ende seiner Amtszeit in München. Kurz darauf, übrigens, fuhr sein Nachfolger Flick dann mit denselben Spielern locker über 200.

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