Eishockey:Ein Talententwickler, der manchmal hart ist

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„Beeindruckender Motivator“: Craig Woodcroft, hier noch bei Dinamo Minsk. (Foto: Peter Kovalev/Itar-Tass/Imago)

Die Entlassung des langjährigen Erfolgstrainers Tom Pokel ist bei den Straubing Tigers umstritten. Letztlich scheiterte er auch an einem brutalen Spielplan. Sein Nachfolger Craig Woodcroft bringt Erfahrung aus Mannheim und Belarus mit.

Von Christian Bernhard

Die ersten Februartage sind für viele Eishockey-Sportdirektoren Scoutingtage, die Länderspielpause in Deutschland ermöglicht es ihnen, andernorts potenziell interessante Spieler genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch Jason Dunham war zuletzt in Nordamerika auf Tour, doch den Sportlichen Leiter der Straubing Tigers aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) beschäftigten dabei auch andere Dinge. Er musste eine Entscheidung treffen – und die fiel bei seiner Rückkehr so aus: Dunham teilte Tigers-Trainer Tom Pokel die Entlassung mit, nach siebeneinhalb Jahren im Amt. Bei dem „sehr emotionalen Gespräch“ sei gelacht, geweint und sich umarmt worden, erzählte Dunham der Mediengruppe Bayern – für Pokel sei es eine Erlösung gewesen.

Fünf Spiele in Serie hatten die Tigers zuvor in der DEL verloren, mit nur noch zwei Punkten Vorsprung auf Rang elf droht den Niederbayern das Verpassen der Pre-Playoffs. Dunham sah sich genötigt, zu handeln. Doch dabei musste er sich von jenem Mann trennen, der die Tigers von einem DEL-Kellerkind zu einem in Europa respektierten Klub geformt hatte. Teilnahmen an der Champions Hockey League (CHL), Playoff-Halbfinal-Spiele – das waren Dinge, die vor Pokels Zeit für die Tigers unvorstellbar waren. Dementsprechend hoch war das Ansehen, das Pokel im Straubinger Eishockeyumfeld genoss. Die Fanszene sparte via Social Media nicht mit Kritik an der Entscheidung, die Ära Pokel inmitten einer speziellen Saison zu beenden. Dunham hat das natürlich registriert, er sagt dazu, dass kein Zeitpunkt für eine Trainerentlassung optimal sei.

Diese Tigers-Saison ist eine, wie es sie in Straubing noch nie gab. Neben acht CHL-Partien, darunter zwei Achtelfinalspielen und einem beeindruckenden Sieg gegen den schwedischen Meister und CHL-Finalisten Skelleftea, kamen Ende Dezember auch noch fünf Partien beim traditionellen Spengler Cup in Davos hinzu. Diese Spiele in der Schweiz waren für alle, die es mit den Tigers halten, etwas ganz Besonderes und wurden dadurch gekrönt, dass es das Pokel-Team sogar ins Finale schaffte, wo es gegen Fribourg-Gotteron verlor.

Alleine vom 20. Dezember bis zum 2. Februar hatten die Tigers 19 Spiele abzuspulen

Dem Glamour, der internationalen Aufmerksamkeit und der Genugtuung, den diese internationalen Partien für die Straubinger mit sich brachten, stand eine gehörige Zusatzbelastung gegenüber: Alleine vom 20. Dezember bis zum 2. Februar hatten die Tigers 19 Spiele abzuspulen, die Fülle an Spielen hatte unweigerlich Auswirkungen auf Training und Regeneration. Pokel sprach auf seiner letzten Pressekonferenz als Tigers-Trainer am vergangenen Sonntag in Frankfurt, nach dem letzten Spiel vor der Länderspielpause, von einem „sehr heftigen Programm“ und betonte, die Länderspielpause komme „eine Woche zu spät“. Angreifer Tim Brunnhuber sagte, man habe gesehen, „dass die Kräfte ein bisschen ausgehen“, was auch mental spürbar sei: „Wir machen Fehler, die wir sonst einfach nicht machen.“ Für die Fehler musste Pokel bezahlen.

Fehler minimieren soll fortan Craig Woodcroft, der 55-jährige Kanadier, der bis Frühling 2023 Dinamo Minsk trainiert hatte, ist der neue Tigers-Trainer. Er freue sich auf eine Stadt mit großer Eishockeytradition und darauf, „mit dieser talentierten Mannschaft zu arbeiten“, sagte Woodcroft. Dunham verwies darauf, dass der Kanadier es verstehe, „junge Talente auszubilden und weiterzuentwickeln“. Solche haben die Tigers einige im Kader, angeführt vom deutschen Trio Samanski-Leonhardt-Fleischer, das im Alter zwischen 22 und 24 Jahren viel Verantwortung und Eiszeit bekommt. So wie Pokel wird auch Woodcroft Rob Leask als Assistenztrainer zur Seite stehen. Nach einem freiwilligen Training am Samstag bittet der neue Cheftrainer am Sonntag zum ersten regulären Training. Sein Debüt auf der Tigers-Bank gibt Woodcroft am kommenden Freitag beim Heimspiel gegen die Kölner Haie.

Woodcroft bringt viel Erfahrung mit nach Straubing. Er war Teil von NHL-Trainerteams, arbeitete als Chefcoach in Mannheim, der Schweiz und der russisch-geprägten KHL, und trainierte die weißrussische Nationalmannschaft. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang stand er als Assistenz-Trainer Kanadas hinter der Bande und holte die Bronzemedaille. Er ist der älteste von drei Trainer-Brüdern. Todd trainiert aktuell die Kassel Huskies in der DEL2, der erfolgreichste des Trios ist Jay, der in der vergangenen Saison noch Cheftrainer der Edmonton Oilers war und damit auch Leon Draisaitl trainiert hat. Bei der WM 2015 in Tschechien waren die drei Brüder allesamt hinter der Bande – und das bei drei unterschiedlichen Nationen. Craig trainierte Belarus, Todd die Schweiz und Jay gewann mit Kanada die Goldmedaille.

„Ich glaube, das war das erste Mal, dass drei Brüder bei einer WM für drei Nationen am Start waren“, erzählte der neue Straubinger Trainer. „Wir sind gute Kommunikatoren“, sagt er, er mache diesen Job, um den Spielern zu „dienen“. Obwohl Jay der erfolgreichste des Trios ist, sei Craig der „Trainer der Trainer“ in der Familie, erzählte Todd. Der weißrussische NHL-Stürmer Alexei Protas, der in der laufenden Saison bereits 22 Tore für die Washington Capitals erzielt und unter Woodcroft gespielt hat, beschrieb den neuen Straubinger Trainer als „beeindruckenden Motivator“, der fordernd und „manchmal hart“ sei, der aber auch ein gutes Gespür für die Ansprache an seine Spieler habe.

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