Süddeutsche Zeitung

Trainer Christian Titz:Der HSV bekommt Hilfe aus dem Internet

  • Christian Titz übernimmt beim Hamburger SV das Traineramt von Bernd Hollerbach.
  • Titz war bislang vor allem als Nachwuchstrainer tätig - Insider schätzen seine Arbeit.
  • Thomas von Heesen wird Kurzzeit-Manager. Beide werden aber vermutlich nur Platzhalter sein.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Nimmt man einmal die Interimstrainer Holger Hieronymus und Peter Knäbel aus, ist Bernd Hollerbach, 48, der erste Bundesliga-Trainer des Hamburger SV, der ohne einen einzigen Sieg entlassen wurde. Nur 49 Tage war der frühere HSV-Profi im Amt, in sieben Spielen holte er drei Unentschieden. Nach dem 0:6 beim FC Bayern München hat der von Sportdirektor Bernhard Peters und Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann beratene Rest-Vorstand in Person von Frank Wettstein den Franken am Montag beurlaubt - somit hat sich der Klub nach der Verabschiedung von Vorstandsboss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt am Donnerstag binnen vier Tagen von den drei wichtigsten Verantwortlichen getrennt.

Schon am Morgen hatte Christian Titz, 46, bei Wettstein vorgesprochen. Der bisherige Coach des U-21-Teams, Tabellenführer in der viertklassige Regionalliga Nord, soll nun die letzte, winzige Chance auf den Klassenerhalt zu ergreifen versuchen. Erstmals am Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC, das nicht nur Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos zum "Endspiel" ausgerufen hat. "Am Ende sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass wir im Hinblick auf unsere Chancen um den Klassenerhalt handeln mussten", sagte Wettstein. Zwar habe Hollerbach "nie gejammert und sich tadellos verhalten", es sei aber keine Verbesserung erkennbar gewesen. Die "positiven Ergebnisse haben gefehlt", resümierte der provisorische HSV-Chef.

Insider schätzen die Arbeit von Titz

Titz war bisher in erster Linie Nachwuchstrainer, etwa in den USA, wo er die U 15-Auswahl des US-Verbandes betreute, ebenso wie später die U 17 des HSV. Zusammen mit dem früheren Kaiserslauterner Profi und US-Nationalspieler Thomas Dooley war er Mitbegründer der Dooley Soccer University. Im Herrenbereich war bisher 2012 der Aufstieg mit dem FC Homburg in die Regionalliga Südwest sein größter Erfolg. Der mögliche Titelgewinn und Aufstieg in die dritte Liga mit dem zweiten HSV-Team wurde ihm nun genommen.

Daneben betreibt Titz im Internet das Fußball-Portal Coaching Zone, ein Info-Angebot über Trainingslehre und Spielkultur - wovon das abgewirtschaftete Bundesligateam des HSV deutlich zu wenig hat. In "Paket 18" bietet der Neu-Trainer dort etwa das "Einstudieren von Angriffsvarianten" an. Dieser Punkt ist besonders wichtig, denn der HSV hat in 26 Spielen gerade mal 18 Tore geschossen. Ob er aber sein Motto, "dominant sein und den Ball zirkulieren lassen" beim Abstiegskandidaten durchsetzen kann, ist fraglich.

Der eher zurückhaltende Titz, geboren in Mannheim, hat sich in Hamburg einen Namen bei den Insidern gemacht. Er war einst auch der Individualtrainer von Lewis Holtby, kam angeblich sogar auf dessen Rat zum HSV. Auch die Jungprofis Jann-Fiete Arp, Bakery Jatta oder der am Saisonende zum 1. FC Nürnberg wechselnde Torjäger Törles Knöll haben unter dem Fußballlehrer und Buchautor ("Passen und Ballkontrolle") große Fortschritte gemacht.

Während neben Hollerbach auch dessen Assistenten Matthias Kreutzer, Steffen Rau und Rudolfo Cardoso gehen müssen, rückt Titzes Regionalliga-Adjutant Soner Uysal, der zwischen 1997 und 2001 einige Bundesligaspiele für den HSV gemacht hatte, mit auf. Außerdem hat der HSV den Ex-Profi Thomas von Heesen als Kurzzeit-Manager gewonnen, er soll das operative Tagesgeschäft führen und dem Trainerteam als Ansprechpartner diesen.

Beide, von Heesen und Titz, werden aber vermutlich nur Platzhalter sein. Im Sommer dürften ein neuer Vorstandsboss, ein neuer Sportvorstand und ein neuer Trainer mutmaßlich das Unternehmen Wiederaufstieg anpacken. Laut der Zeitung Bild ist das alte HSV-Idol Thomas Doll, der zwischen 2004 und 2007 die Mannschaft schon einmal trainierte, ein Kandidat. Derzeit ist Doll mit dem ungarischen Rekordmeister Ferencvaros Budapest Tabellenführer.

Hollerbach hat sich "sehr enttäuscht" gezeigt nach der Entbindung von der fast unlösbaren Aufgabe, den ersten Abstieg seines Lieblingsklubs noch zu verhindern. Erstmals hatte er nach dem Debakel in München "die Unruhe" im Klub nach der Entlassung Bruchhagens und Todts angesprochen. Keine Mannschaft könne so tun, als tangiere sie das nicht.

Neben dem Schwebezustand in der Führung sah es zuletzt so aus, als zerfalle das Team. Dazu kommen die Fans, die zwischen Resignation und Aggression hin und her schwanken. Hollerbach hatte vor sieben Wochen einen Vertrag bis 2019 unterschrieben, wollte die Erneuerung des HSV mit verantworten. Immerhin kann der Klub eine mögliche Abfindung für den geschassten Trainer eventuell an anderer Stelle einsparen: Der ausgemusterte Klub-Boss Bruchhagen will angeblich auf sein Gehalt für die Saison 2018/19 verzichten.

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SZ vom 13.03.2018/chge
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