Trainer beim FC Bayern: Jonker und Gerland:Zwei für Kopf und Herz

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Van Gaal ist gefeuert, sein Assistent Andries Jonker übernimmt das Traineramt. Der Holländer ist ein Taktikexperte, aber keiner, der Fans mitreißt. Das soll der neue Co-Trainer Hermann Gerland übernehmen - der schon Erfahrung als Krisenbewältiger hat.

Michael König

Louis van Gaal hatte es selbst so gewollt. Sein Co-Trainer Andries Jonker könne ihm einmal nachfolgen und seine Philosophie als Cheftrainer fortführen, sagte van Gaal im September 2010. Damals plante der Holländer allerdings langfristig, kurz nach dieser Aussage verlängerte er seinen Vertrag beim FC Bayern bis 2012.

Bastian Schweinsteiger (links) im Gespräch mit dem neuen Trainergespann beim FC Bayern: Andries Jonker (rechts) übernimmt die Chefrolle, Hermann Gerland ist sein Assistent. (Foto: dapd)

Van Gaal wollte beim Münchner Bundesligisten eine Ära prägen, sein Vertrauter Jonker sollte das Erbe verwalten. Jetzt kommt es ganz anders: Nach dem 1:1-Unentschieden gegen Nürnberg und dem Abrutschen auf den vierten Tabellenplatz entließ der FCB seinen Trainer mit sofortiger Wirkung. Die ohnehin schon vereinbarte Trennung zum Saisonende wird vorgezogen, um zumindest das einzig verbliebene Ziel einer verkorksten Saison noch zu retten: die Qualifikation für die Champions League.

"Alternativlos" sei dieser Schritt gewesen, sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der den Van-Gaal-Nachfolger Andries Jonker mit reichlich Vorschusslorbeeren bedachte. "Wir wollten einen Mann haben, der die Verhältnisse kennt. Er hat eine bemerkenswerte Antrittsrede gehalten vor der Mannschaft", sagte Rummenigge.

Kultstatus bei den Fans

Anders als die übrigen Assistenten van Gaals darf der 48-jährige Jonker bleiben und soll bis Saisonende den Posten des Cheftrainers übernehmen, ehe Jupp Heynckes zum FC Bayern kommt. Jonker zur Seite gestellt wird Herrmann Gerland, 56, der als hemdsärmeliger Trainer der Amateurmannschaft Kultstatus bei den Bayern-Fans besitzt.

Die Doppellösung darf als Wagnis gewertet werden, gleichwohl hat sie das Potential, mehrere Probleme auf einen Schlag zu lösen. Dass Andries Jonker nicht als erste Wahl gilt, liegt auf der Hand - andernfalls hätte ihn die Klubführung schon im März zum Chef befördert. Damals gingen Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karlheinz Rummenigge jedoch auf Nummer sicher und vereinbarten mit van Gaal eine Trennung zum Saisonende - ein Schritt, der sich jetzt als falsch herausstellt.

Jonker hat kaum Erfahrung als Cheftrainer. Er begann seine Karriere beim Niederländischen Fußballverband und leitete später das Training bei FC Volendam, MVV Maastricht und Wilhelm Il Tilburg. Von 2002 bis 2003 war er Co-Trainer beim FC Barcelona.

Fußball mit Zwangsjacke

Der Holländer gilt jedoch als gewiefter Taktikexperte und ist - im Gegensatz zu seinem bisherigen Chef - bei Spielern und Sportdirektor Christian Nerlinger wegen seiner höflichen, umgänglichen Art beliebt. Nerlinger wird außerdem positiv bemerkt haben, dass Jonker bereits auf der Gehaltsliste steht - wo die Trennung von van Gaal den Verein doch eine große Summe Geld kosten dürfte.

Dass mit der Beförderung Jonkers kein fußballerischer Systemwechsel einhergehen wird, dürfte den Bayernbossen recht sein. Das Team ist nach den jüngsten Rückschlägen ohnehin verunsichert genug - und dass der van Gaal'sche Offensivfußball mit Betonung auf Ballbesitz ein hohes Erfolgspotential hat, wurde im ersten Jahr der Regentschaft des Holländers eindrucksvoll bewiesen.

Die scharfe Kritik des Präsidenten am entlassenen Trainer zielte am Morgen nach der Trennung nicht auf die taktische Arbeit, sondern auf den Umgang mit den Spielern: Van Gaal habe die Spieler verängstigt, klagte Uli Hoeneß. Sie hätten gewirkt wie in einer "Zwangsjacke". Als Grund für die auffällige Abwehrschwäche der Bayern nannte er die Entscheidung van Gaals, Thomas Kraft in der Winterpause zum Stammkeeper zu machen: "Damit ging die ganze Scheiße los", polterte der Präsident. "Das hat Unruhe in die ganze Abwehr gebracht, das konnte man sich nicht länger antun."

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Der Ärger über den Trainer, den er schon im Herbst 2010 als beratungsresistent dargestellt hatte, war Hoeneß am Sonntag deutlich anzusehen. Zuletzt hatten sich die Bayern-Fans mit harschen Worten gegen ihren Präsidenten gewandt, im Heimspiel gegen Mönchengladbach vor einer Woche schmähten sie ihn als Lügner, weil er dem verschuldeten Lokalrivalen TSV 1860 München Hilfe angeboten hatte.

Die Demission van Gaals gibt dem Verein die Möglichkeit, den entstandenen Graben zwischen Fans und Führung zu verkleinern. Nicht zufällig soll Hermann Gerland neuer Co-Trainer neben Jonker werden. Jener Gerland, den die Fans wegen seiner knorrigen Art und seiner Verdienste als Trainer der Amateurmannschaft geradezu verehren. Die heutigen Bayern-Profis Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller und Holger Badstuber wurden von ihm ausgebildet und zu Demut erzogen. "Mein Ton ist rau, aber mein Herz ist groß", hat Gerland einmal gesagt.

Das Herz hat gefehlt

Das Herz hat dem FC Bayern zuletzt gefehlt. Zwar hatte Louis van Gaal bei seinem Amtsantritt das Vereinsmotto "Mia san mia" zitiert und von der Wärme innerhalb des Vereins geschwärmt. Als er in seiner ersten Saison die Meisterschaft und den DFB-Pokal gewann, lag ihm München zu Füßen. Das schwache Folgejahr und schließlich die Ankündigung der Trennung zum Saisonende jedoch ließen das Verhältnis merklich erkalten - auch wenn ihn die Fankurve nie wirklich fallen ließ.

Die Beförderung Gerlands dürfte entscheidend dazu beitragen, die Fans zu besänftigen und dem neuen Cheftrainer den Rücken freizuhalten. Es wäre nicht das erste Mal: Schon als sich die Bayern im April 2009 von Jürgen Klinsmann und seinen kalifornischen Assistenten trennte, rief Hoeneß Gerland zur Hilfe.

Unter der Führung Gerlands und Jupp Heynckes', der damals als Übergangstrainer einsprang, verloren die Bayern bis Saisonende keine Partie mehr. Damals wie heute waren zum Zeitpunkt des Trainerwechsels noch fünf Spieltage zu absolvieren.

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