Traditionsklubs:HSV oder 1860 - wer holt den Chaos-Titel?

Traditionsklubs: Die Maskottchen von HSV und 1860 München haben auch nichts zu lachen

Die Maskottchen von HSV und 1860 München haben auch nichts zu lachen

(Foto: dpa/Getty)

Der deutsche Fußball wäre ohne den Hamburger SV und den TSV 1860 ziemlich langweilig. Aber über welchen Klub lässt sich herzlicher der Kopf schütteln? Wir machen den Test.

Von Jonas Beckenkamp, Dominik Fürst und Carsten Scheele

Was wäre der deutsche Fußball ohne den Hamburger SV und den TSV 1860 München? Ziemlich langweilig! Während die übrigen Vereine der ersten und zweiten Liga in einer Einheitssuppe aus Professionalität vor sich hinköcheln, sind es diese beiden Klubs, die die Würze auf den Tisch bringen. Zwei Vereine, die ihr Führungspersonal tauschen wie andere Unterhosen. Zwei Vereine, die sich hohe Ziele stecken - und meilenweit verfehlen. Zwei Vereine, die bewundernswert standhaft bleiben, wenn das halbe Fußballland über sie lacht. Doch wer hat den cooleren Investor? Und wer hat die noch größeren Ansprüche? Es ist Zeit für den ultimativen Vergleich.

Der Investor

So ist das beim TSV 1860: Schon sein Name klingt wie ein Traum aus 1001 Nacht. Hasan Abdullah Mohamed Ismaik! Der firmiert zwar gar nicht als Scheich, aber das ist wurscht. Ismaik liebt sein Team, ab und zu schneit er vorbei und sagt Dinge wie: "I cannot work with this people." Ist dann meistens nicht so gemeint, schließlich will er die Löwen ja in der Champions League brüllen sehen. Und wenn das nicht geht, dann wenigstens in einem Käfig vor dem imaginären Stadionneubau in München-Riem. A Hund isser scho', dieser Geschäftsmann aus Jordanien. Nur an dieser depperten 50+1-Regel hat er sich noch zuverlässig die Schneidezähne ausgebissen.

So ist das beim HSV: Klaus-Michael Kühne, kurz: KMK! Dieser Mann ist ein Segen für den Klub. Oder war's doch ein Fluch? Schnurzpiepe, schließlich geht beim HSV finanziell nix mehr ohne den Milliardär, putzig "Edel-Fan" genannt. Einst hat er die Fans zum Weinen gebracht und Rafael van der Vaart zurück an die Elbe geholt. Blöd nur, dass sich KMK mit seinen Millionen auch uneingeschränktes Rederecht gesichert hat. So darf Kühne, fast 80, in seiner Finca auf Mallorca sitzen und Mond-Saisonziele formulieren ("Platz sechs bis acht"). Den früheren Sportdirektor Oliver Kreuzer hat er einmal einen "Drittliga-Manager" genannt. Alles egal. Kühne darf das. Man braucht ja sein Geld. Kreuzer musste gehen.

Ergebnis: Leichte Vorteile für die Löwen. Schließlich schaffte es Ismaik 2011 sogar zum Wiesnhit ("Mia ham an Scheich").

Die Ansprüche

So ist das beim TSV 1860: Irgendwo zwischen Schalding-Heining und Bernabéu. Dabei ist der TSV nicht nur "Münchens große Liebe", sondern fühlt sich als Klub der Kleinen mit den großen Träumen. Es könnte so schön sein: "Sechzig" in einem prallvollen, eigenen Stadion, einer Arena, die zur Festung wird, einem Refugium weißblauer Raubtiere. Weil, jetzt mal ohne Schmarrn: Der TSV ist selbstverständlich der allertollste Klub der Stadt! Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, ja mei. Da gähnt der Löwe müde. Er hat es sich gemütlich gemacht zwischen Ironie, Masochismus und sanfter Hoffnung auf das nächste 2:1 in Sandhausen. Wer braucht Ribéry, wenn er Ribamar haben kann? Bei den Löwen ist das Licht am Ende des Tunnels im Zweifel immer ein heranrauschender D-Zug.

So ist das beim HSV: Mal ehrlich - im Ausland versteht doch niemand, weshalb dieser Klub kein Abo auf die Europapokalplätze hat. Großer Name, große Historie ("Bundesliga-Dino"), stimmungsvolles Stadion. Dazu ist der Verein beheimatet in der lässigsten, zugleich aufregendsten Stadt Deutschlands mit Kiez, Fischmarkt und Uwe Seeler. "Vom Potenzial her", wie es so schön heißt, müsste der HSV mindestens die Bayern angreifen können und nebenbei in der Champions League kicken. Wenn es mal nicht so läuft, ist der HSV immer noch ein "schlafender Riese", vor dem sich alle in Acht nehmen müssen. "Dino", "Riese" - das klingt gewaltig, aber auch tapsig und schwerfällig. Komisch, genauso spielt ja der HSV.

Ergebnis: Unentschieden. Schließlich wollen beide in die Champions League.

Der Sportdirektor

So ist das beim TSV 1860: Ein Hauch von Professionalität schien an der Grünwalder Straße 114 eingekehrt, als Thomas Eichin neuer Geschäftsführer wurde. Der hatte seinen Beruf bei den Kölner Haien (Eishockey) und Werder Bremen (Fußball) erlernt und sagte zum Amtsantritt: "Ich bin besser, wenn es scheppert." Aber da kannte Eichin freilich den Münchner Turn- und Sportverein noch nicht so richtig. Nach nur vier Monaten hat Sechzig-Investor Ismaik Eichin degradiert und einen Geschäftsführer namens Anthony Power installiert. Da hatte sich die Sache mit der Professionalität wieder erledigt.

So ist das beim HSV: In dieser Kategorie ist der HSV schwer zu schlagen. Sportdirektor? Gar nicht vorhanden. Dabei ist es nicht so, dass die Hamburger nicht gerne einen hätten. Es sagen nur alle ab. Zuletzt Horst Heldt (früher Schalke) und Christian Hochstätter (Bochum). Also macht Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer den Job halt in Personalunion weiter. Bis am Ende doch Felix Magath kommt. Der hat auch "Power".

Ergebnis: Klarer Punkt für den HSV!

Welche Spieler davon gelaufen sind

Verlorene Söhne

So ist das beim TSV 1860: Einmal im Jahr erstellt eine Zeitung eine Elf der ehemaligen 1860-Spieler: "So könnte 1860 München heute aussehen". Keine originelle Idee, aber sie bringt den Schmerz, der durch Giesing weht, verdammt gut zum Ausdruck. Es sind ja nicht nur die deutschen Nationalspieler Lars und Sven Bender, Kevin Volland und Julian Weigl, die den Klub teilweise zu Schnäppchenpreisen verlassen haben. Da wären noch US-Boy Fabian Johnson und der begabte Österreicher Julian Baumgartlinger. Trost für die Löwen: Inzwischen ist mit Daniel Bierofka ein verlorener Sohn als Interimstrainer zurückgekehrt. Zumindest bei Redaktionsschluss, sowas geht ja schnell in Giesing.

So ist das beim HSV: Hamburg, deine Perlen - der HSV hatte sie alle, auch König van der Vaart. Und er hat sie alle wieder ziehen lassen. Oliver Bierhoff, Jérôme Boateng, Max Kruse, Skhodran Mustafi oder Jonathan Tah - alle weg, ehe sie richtig gut und Nationalspieler wurden. Sogar den großen Heiko Westermann ("HW4") ließ man in die spanische Pampa ziehen. Oft sind die Abschiede selbst verschuldet, wie im Fall Mustafi, dem man im Alter von 16 Jahren nur einen Standardvertrag für Jugendspieler anbot. Also ging Mustafi nach Everton. Was ist er heute? Teuerster deutscher Abwehrspieler. Und, ach ja: Weltmeister.

Ergebnis: Unentschieden! Im Talente verschleudern nehmen sich beide nix.

Größter Lacher

So ist das bei 1860: "Good afternoon, my name is Anthony." So hat sich der neue Geschäftsführer kürzlich vorgestellt und inmitten einer Presserunde seinen Lebenslauf vorgetragen: "Ich bin 50 Jahre alt, in den in den vergangenen 25 Jahren habe ich in vielen Firmen gearbeitet, überall auf der Welt", erzählte Anthony, der nach eigenen Angaben in der Industrie, im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und im operativen Geschäft tätig war. Ob er auch etwas vom Fußball versteht? Sei's drum. Viel entscheidender ist doch die Außendarstellung - und die beginnt bei der Etikette. Der neue Löwen-Geschäftsführer heißt mit vollem Namen: Anthony Power.

So ist das beim HSV: Als Gegenkandidaten schickt der HSV Peter Knäbel in den Kampf. Der spielte einst bei St. Pauli. Da hätten sie beim HSV eigentlich hellhörig werden müssen. Endgültig vorbei war es mit seinem Ruf, als Knäbel ein Rucksack abhanden kam. Bloß ein Rucksack? Nein, ein Rucksack mit Gehaltslisten und Scoutingberichten des Klubs, gefunden wenige Tage später von einer Passantin im Hamburger Jenischpark. Knäbel ging in die Offensive, schaltete die Polizei ein. Die mühte sich. Sie konnte aber all die Menschen, die über Knäbel lachten, einfach nicht dingfest machen.

Ergebnis: Punkt für den TSV 1860. Damit siegen die Münchner im Duell der tragischen Herzensklubs mit 3:2. Tatsächlich, man glaubt es kaum: Ein Titel für die Sechzger!

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