Die nächste Offensive startete Christopher Froome weit vor Alpe d'Huez. So musste man jedenfalls jenes "Dossier" verstehen, welches L'Équipe am Tag der Königsetappe auf der Titelseite annoncierte zum Mann in Gelb. Üblicherweise sind an so einem Festtag die 21 legendären Serpentinen zu sehen, die in die hässliche Trabantenstadt führen. Aber die Agenda hat sich eben doch verschoben, weil das Publikum Typen wie Froome nicht mehr bedenkenlos traut. Pfiffe hat es zuletzt sogar mehrfach gegeben gegen ihn.
Ob dagegen ein "Dossier" hilft, für das Froomes Team Sky angeblich relevante Daten und Werte seines Kapitäns seit 2012 zur Verfügung stellte? Eines, das angefertigt wurde mithilfe eines Arztes aus dem Peloton, der für das Team FDJ arbeitet - und eines, das kein Detail enthalten durfte und das trotzdem aussagt: "keine Anomalien", demnach sauber, clean, drogenfrei?
Man kann diese PR-Nummer getrost ignorieren. Denn die entscheidenden Fragen bleiben ja auch hier ausgespart. Die wichtigste lautet: Wie glückte Froomes Transformation - von einem Bilharziose-Patienten zum neuen Dauergast auf den Podien der schwersten Rundfahrten?
Der Reflex mag nun zynisch sein, aber Fritz Sörgel formuliert ihn trotzdem. Von Froomes Infektionskrankheit wusste der Nürnberger Pharmakologe und Dopingexperte - wie manch anderer, bisher nichts. Er sagt: "Das hatten wir doch schon mal."
Lance Armstrong kehrte, nachdem er Hodenkrebs überlebte, als anderer Fahrer zurück, er gewann siebenmal. Jetzt ist er der Grund, weshalb bei angehenden Tourgewinnern Dossiers erstellt werden.
Froome wurde als Kind britischer Eltern in Kenia geboren, später lebte er in Südafrika, wo er 2007 in der zweiten Liga fuhr. 2008 debütierte er bei der Tour: Ein Teamkollege flog mit Epo auf, Froome wurde 83. In Alpe d'Huez verlor er elf Minuten. 2009 wurde er 36. beim Giro, Sky engagierte ihn. Beim Giro 2010 wurde er disqualifiziert: Er hatte sich im Mortirolo von einem Krad ziehen lassen. In dieser Zeit erkrankte er an Bilharziose. Erst nach 18 Monaten war er geheilt - und kehrte fulminant zurück: Zweiter bei der Vuelta 2011, bei der Tour 2012. 2013: unschlagbar, trotz der fast gemäßigten Fahrt nach Alpe d'Huez.
Die tropische Bilharziose, erklärt Fachmann Sörgel, "ist ja nichts Harmloses, das zehrt den Körper aus". Erreger der Bilharziose ist ein Saugwurm, der sich von menschlichem Blut ernährt. Er setzt sich in der Leber fest, "aber auch das blutbildende System ist betroffen", sagt Sörgel.