Tour de France:Unbeeindruckt aufs Flugfeld

Tour de France: Immer der Reihe nach: Der Gesamtführende Geraint Thomas vom Team Sky passiert im Gelben Trikot die Pont d'Arc über der Ardèche. Auch nach der 14. Etappe führt Thomas im Gesamtklassement vor seinem Teamkollegen Chris Froome.

Immer der Reihe nach: Der Gesamtführende Geraint Thomas vom Team Sky passiert im Gelben Trikot die Pont d'Arc über der Ardèche. Auch nach der 14. Etappe führt Thomas im Gesamtklassement vor seinem Teamkollegen Chris Froome.

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Das britische Team Sky und seine Doppelspitze aus Geraint Thomas und Christopher Froome überstehen auch die heikle Fahrt nach Mende ohne Makel. Der Spanier Omar Fraile sichert sich seinen ersten Etappensieg.

Von Johannes Knuth, Mende

Geraint Thomas wirkte plötzlich ein wenig ratlos. Nein, er habe auch keinen Schimmer, warum die Zuschauer sein Team Sky bei dieser 105. Tour der France ständig niederpfeifen würden, antwortete der 32-Jährige zu Beginn des Wochenendes auf die entsprechende Frage eines Reporters - und setzte dann ein Gesicht auf wie ein unschuldiger Hundewelpe. Tja, woher kommt er nur, dieser Volkszorn? "Das sollte man vielleicht die Leute da draußen fragen", entgegnete Thomas, noch immer mit seiner Welpenunschuld. Er könne jedenfalls versichern, dass sein Team hart trainiere und im Rennen alles gebe, natürlich zu 100 Prozent sauber. Ehrenwort.

Es ist halt schon ein Kreuz mit diesen Fans. Da bringt Thomas' Arbeitgeber bloß mal über sechs Jahre hinweg ein paar seltsam dominante Tour-Sieger hervor, bekommt aus Versehen eine Packung Testosteronpflaster an den Stammsitz geliefert, sein Tour-Favorit Chris Froome fällt vor dieser Rundfahrt mit einer Überdosis Salbutamol auf - und schon ist der Anhang in Rage. Das französische Tour-Organ L'Équipe war Thomas' Anregung übrigens zuvorgekommen und hatte zu Beginn des Wochenendes ein paar desillusionierte Fans an der Strecke verhört. "Wenn es nicht Froome ist, dann haben sie irgendjemanden anderen, der alles an sich rafft", wurde ein gewisser Jules zitiert: "Sobald einer zu dieser Equipe stößt, kann er plötzlich alles dominieren. Wenn meine Großmutter bei Sky fahren würde, sie würde vermutlich die Tour gewinnen."

Die britische Equipe und ihre führenden Angestellten tun seit mittlerweile zwei Wochen ihr Bestes, diese Antipathien wegzumoderieren. Sie sind derzeit ja schon genug damit beschäftigt, den Gesamtführenden Thomas und seinen Kapitän Froome (1:39 Minuten zurück) sicher in die letzte Tour-Woche zu überführen - und dabei auch noch die Debatte kleinzuhalten, wie sehr der Adjutant Thomas eigentlich gerade am Thron seines Leaders sägen kann oder darf. Am Freitag kam es zu keinerlei Verschiebungen im Klassement, Peter Sagan gewann bei der Brückenetappe nach Valence zum dritten Mal bei dieser Tour und ist kaum noch vom Gewinn seines sechsten Grünen Trikots abzubringen. Am Samstag, auf der ziemlich hügeligen Prüfung von Saint-Paul-Trois-Chateaux nach Mende, parierten Thomas und Froome dann alle Angriffe auf der kurzen Rampe zum Ziel - auch wenn ihnen das nicht unbedingt leicht fiel.

Der Spanier Omar Fraile feiert seinen ersten Etappensieg bei der Tour

Die 14. Etappe dieser Tour hatte unruhig begonnen, starker Seitenwind zerriss das Peloton in mehrere Teile. Erst als sich eine große Gruppe an Ausreißern gefunden hatte, aus der niemand den Besten in der Gesamtwertung gefährlich werden konnte, ließ das Hauptfeld die Flüchtigen ziehen und schob sich gemeinsam die 180 Kilometer in die Zielstadt Mende. Der Berliner Simon Geschke vom deutschen Team Sunweb, der 2015 überraschend eine Bergetappe bei der Tour gewonnen hatte, war in der Fluchtgruppe vertreten, doch das Feld zerbröselte, bevor es in den schweren Anstieg hinauf ins Ziel ging: ein Flugfeld auf dem kleinen Berg neben der Stadt. Der Belgier Jasper Stuyven erreichte den Hügel als Erster, warum nicht, am Nationalfeiertag seiner Heimat? Doch als er die giftige Rampe erklomm, schienen seine Waden bald die Festigkeit von Granit anzunehmen. Der Spanier Omar Fraile (Astana) fing ihn noch ab, es war sein erster Etappensieg bei der Tour überhaupt. Geschke wurde Sechster.

Die Favoriten kamen dann mit 20 Minuten Verspätung an die letzte Prüfung des Tages, drei Kilometer bis zum Gipfel, durchschnittlich zehn Prozent steil - das reichte, um das Feld aufzuwühlen. Primoz Roglic, der ehemalige Skispringer, trat als Erster die Flucht an (just als die Gruppe die Aufschrift "Gravity sucks" passierte, die ein Fan auf die Straße gepinselt hatte). Tom Dumoulin, Geschkes Teamkollege und nur 1:50 Minuten hinter Gelb-Inhaber Thomas zurück, musste kurz abreißen lassen, doch Niederländer hatte den Anschluss bald wieder geschafft und sprang einmal sogar munter den Berg hinauf. Romain Bardet und Nairo Quintana konnten dem Tempo nicht folgen, Froome und auch Thomas zeigten sich unbeeindruckt. Alles beim Alten, auch nach der 14. Etappe der Tour.

Am Sonntag wartet noch mal eine hügelige, aber nicht zu schwere Prüfung nach Carcassonne, dann ein Ruhetag - gefolgt von drei Pyrenäenetappen, in denen einige drängende Fragen so langsam beantwortet werden dürften. Zumindest die, die das Sportliche betreffen.

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