Tour-de-France-Strecke 2013:Anstrengender als je zuvor

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Bei der Präsentation der Tour-de-France-Strecke 2013 wird der Sündenfall Lance Armstrong nur sehr allgemein thematisiert. Zugleich soll die 100. Rundfahrt zu einem Spektakel werden, die Fahrer müssen an einem Tag gleich zweimal hinauf zum berüchtigten Bergort L'Alpe d'Huez.

Thomas Kistner

Am Montagmittag trennte sich der Radsport mit tapfer inszenierter Empörung von seinem größten Idol, dem erfolgreichsten Fahrer aller Zeiten: Lance Armstrong wurden die sieben Tour-de-France-Titel von 1999 bis 2005 aberkannt. Zugleich verkündete der Rad-Weltverband UCI, der selbst unter Druck ist wegen seiner überaus duldsamen Rolle in der Armstrong-Ära, einen sauberen Neuanfang.

48 Stunden später stellte in Paris Christian Prudhomme die 100. Frankreich-Rundfahrt vor. Der Tour-Direktor leitete die Präsentation mit einem zeitgemäß flammenden Anti-Doping-Appell ein. Anschließend enthüllte er eine Jubiläumsstrecke, die spektakulärer und körperlich noch anstrengender ist als alle Rennen zuvor.

Das Signal ist deutlich: Es hat sich nichts geändert durch den historischen Sündenfall in dieser Kommerzsport-Branche. So trägt das neue Programm Züge einer Realsatire: Gleich zweimal müssen die Radprofis auf der 18. Etappe der Tour 2013 hinauf nach L'Alpe d'Huez. Am französischen Nationalfeiertag wartet der Mont Ventoux.

Das größte Kraft- und Ausdauerspektakel des Sports beginnt auf Korsika, das rauschende Finale bildet eine Flutlicht-Sause über die Champs-Élysées. Insgesamt vier Bergankünfte sind vom 29. Juni bis 21. Juli zu bewältigen; zwei Einzelzeitfahren führen über zusammen 65 Kilometer.

Dies phänomenale Programm soll offenbar auf der neuen Energiebasis von Wasser, Wurst und Weißbrot erreicht werden. Prudhomme, so wird von der feierlichen Tour-Präsentation berichtet, sei eine mitreißende Rede zum Thema Pharmabetrug gelungen: Manager, Sportdirektoren und Ärzte der Rennteams hätten "die Schlüssel gegen Doping in der Hand, sie müssen der Schutzwall sein".

Ein insofern bedeutsamer Hinweis, als er die Idee lanciert, die Füchse seien am besten zur Bewachung des Hühnerstalls geeignet. Nicht nur aus tausend Seiten Beweismaterial der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada gegen Armstrong, aus allen großen Fällen der letzten Jahrzehnte geht hervor, dass es oft Teammanager und Sportärzte waren, die fleißig Gebrauch gemacht hatten von den Doping-Schlüsseln in ihren Händen - zum Öffnen der Arzneimittel-Schränke.

Die Branche setzt ganz offenkundig auf das alte Erfolgsrezept - dass das Publikum schneller vergisst, als der Texaner einst die Tour radelte. Um den Verdrängungsprozess zu beschleunigen, soll nun der Name Armstrong in L'Alpe d'Huez verbannt werden. Der Bürgermeister des Alpensprengels will das Metallschild in der 21. Straßenkehre wieder abmontieren, das den Namen des Sünders trägt. Jeder der 27 Tagessieger in L'Alpe d'Huez wird mit einer Erwähnung in einer der 21 Kurven geehrt.

Radfahrer Lance Armstrong
:Umstrittene Karriere in Gelb

Sieben Mal in Serie hat Lance Armstrong die Tour de France gewonnen, er ist der erfolgreichste Athlet des Radsports. Doch nun hat der Radsportverband UCI ihm alle Titel aberkannt und ihn lebenslang gesperrt. Die Karriere des Lance Armstrong in Bildern.

Prognosen für die nahe Zukunft der Branche erlaubt auch der Blick auf die Ehrengäste am Mittwoch im Palais des Congrès. Zugegen war der Brite Bradley Wiggins, aktueller Tour-Sieger und Goldgewinner in London, dem allerlei personelle Beziehungen zur früheren Armstrong-Armada nachgesagt werden, gerüchteweise sogar zu dem lebenslang gesperrten Dopingarzt Luis del Moral. Derweil verriet in der Heimat Wiggins' Landsmann und Teamkollege Mark Cavendish im britischen TV-Sender BBC, dass der Radsport eigentlich ja der "sauberste Sport" sei. Pfiffige Begründung: "In anderen Sportarten werden Betrüger nur nicht entlarvt, weil dort die Kontrollen nicht so strikt sind wie im Radsport."

Betrug bei der Tour de France 1999 bis 2005
:Armstrongs gedopte Rivalen

Der Betrüger ist überführt: Lance Armstrong muss auf seine sieben Titel bei der Tour de France von 1999 bis 2005 verzichten. Zu einer Neuverteilung der Erfolge kommt es nicht - wohl aus gutem Grund: Schließlich ist keiner der einstigen Armstrong-Rivalen sauber geblieben. Ein Überblick über die Radprofis auf dem Tour-Podium an der Seite des Amerikaners - und deren Doping-Vergangenheit.

Wie schräg die Argumentation dieses Repräsentanten der sauberen, neuen Generation ist, zeigt schon die Tatsache, dass ja weder Armstrong über Dopingtests aufflog noch dass solche Tests irgendeine Rolle spielten bei den großen Rad-Affären der jüngeren Vergangenheit. Diese Fahndungserfolge verdankten sich Staatsanwälten, Zoll und Polizei sowie der mit hohem juristischen Druck arbeitenden Usada.

Auch Alberto Contador weilte bei der großen Pariser Tour-Show. Dem Spanier war der Triumph 2010 aberkannt worden; im August endete seine Zwei-Jahres-Sperre. Anders als Armstrong sind Contador zwei frühere Tour-Titel geblieben, ebenso wie bei Armstrongs Siegen hieß des Spaniers Renndirektor seinerzeit Johan Bruyneel. Der Armstrong-Intimus wurde nun vom Team RadioShack gefeuert und muss sich bald gegenüber der Usada verantworten. Bruyneel gilt neben Armstrong als Schlüsselfigur im "professionellsten Dopingprogramm der Sporthistorie" (Usada).

Unter den Gästen in Reihe eins saß auch UCI-Chef Pat McQuaid. Der frühere Fitnesscoach hatte am vergangenen Montag erst ein paar Krokodilstränen ob des Sündenfalls Armstrong verdrückt, wenig später drückte er dann lieber seine wahre Befindlichkeit aus: Zwei der Kronzeugen gegen Armstrong, Tyler Hamilton und Floyd Landis, bezeichnete er als "Drecksäcke".

Zu dieser speziellen Art Glaubwürdigkeit passt, dass McQuaids UCI am Freitag darüber befinden will, ob Armstrongs vakanten Titel an die Nächstplatzierten weitergereicht werden. Die Tour-Veranstalter sind dagegen, die UCI wohl auch. Es dürfte ja schwer werden, unter den Nachrückern Profis zu finden, die unverdächtig sind. Fragt sich nur, ob Fahrer aus den hinteren Rängen, die womöglich nicht gedopt waren, diese schlichte Problemlösung akzeptieren - und wie die Sponsoren der damaligen Rennen reagieren: Die hätten ja dann Millionen in Events gepumpt, die nun wegen des Doping-Generalverdachts kein sportliches Klassement mehr aufweisen.

"Es wird schwierig, die Konkurrenz zu kontrollieren", sagte Contador in Paris im Hinblick auf die Tour 2013. Recht hat er. Vor allem für die Dopingkontrolleure.

© SZ vom 25.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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