Romain Bardet:Jetzt schon ein Verlierer dieser Tour

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Romain Bardet auf der sechsten Etappe der Tour de France (Foto: AFP)
  • Romain Bardet sollte den Franzosen endlich wieder einen Tour-Sieg bescheren.
  • Nun steht er bereits am Nationalfeiertag wie ein Verlierer da.
  • In den Alpen und den Pyrenäen muss er jetzt angreifen.

Von Johannes Aumüller, Saint-Étienne

An diesem Sonntag wird Romain Bardet wohl besonders viele Plakate und Anfeuerungsrufe vernehmen, die sich an ihn richten. Nach Brioude geht es auf dieser zweiten hügeligen Etappe durchs Zentralmassiv, in Bardets Heimatort also - und das auch noch am Nationalfeiertag der Franzosen. Da kommen gleich zwei Gründe zusammen, warum er besonders motiviert auftreten dürfte. Aber dieser Abschnitt ist nicht ganz sein Terrain, und es ist die Frage, wie sehr ihn die Willkommensgrüße in der Heimatgemeinde trösten werden.

Die ersten acht Etappen dieser 106. Tour de France haben zwischen den meisten favorisierten Klassementfahrern nur geringfügige Abstände entstehen lassen. Nur zwei wirkliche Verlierer gibt es bisher: Der eine ist der Italiener Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida), der am Samstag auf der Etappe nach Saint-Etienne fast viereinhalb Minuten verlor. Und der andere ist eben Romain Bardet, der 28-jährige Kapitän der Mannschaft Ag2r.

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Beim Mannschaftszeitfahren verlor er fast eine Minute auf das Team Ineos um Vorjahressieger Geraint Thomas und den Kolumbianer Egan Bernal. Und am vergangenen Donnerstag, beim schweren Anstieg nach La Planche des Belles Filles, noch einmal eine gute Minute. Ein fast schon bemitleidenswertes Bild gab er da ab, als er mit seinem Rad an der Ziellinie komplett stehen blieb und es kaum drübergewuchtet bekam. Streng ging er hinterher mit sich selbst ins Gericht. "Ich schäme mich und übernehme die volle Verantwortung", sagte er.

"Jetzt oder nie", hieß es vor der Tour

Dabei war Bardet vor der Tour gemeinsam mit Thibaut Pinot (FDJ) noch eine der beiden großen Rundfahrt-Hoffnungen der Franzosen gewesen. Endlich soll es mal wieder etwas werden mit einem Gastgeber-Sieg bei der Grande Boucle, erstmals seit 1985, als Bernard Hinault gewann. Diese lange Zeit des Wartens schwebt über so vielem im französischen Radsport, auch wenn Julian Alaphilippe als wiederholter Träger des Maillot Jaunes die Sehnsucht nach Gelb gerade etwas lindert. Und angesichts der vor dem Tour-Start unklaren Lage bei Ineos und des bergigen Profils der diesjährigen Auflage gab das Tour-Leitmedium dem Duo Bardet/Pinot die L'Équipe ein eindeutiges "Jetzt oder nie" mit auf den Weg.

Bardet hat diese Erzählung um die lange Warterei stets mit Skepsis betrachtet. "Ich habe keinen Vertrag mit meinem Vaterland", sagte er mal. Dies sei "nicht meine Geschichte". Auch vor der aktuellen Tour gab er sich auffällig zurückhaltend, offenkundig ahnte er schon etwas - und auch am Samstag auf dem hügeligen Abschnitt nach Saint-Étienne zeigte sich beispielhaft, dass es gerade nicht ganz so läuft, wie er es sich wünscht.

"Wenn ich die Beine habe, hoffe ich, am Ende der Etappe bei Alaphilippe zu sein", hatte er vor dem Start in Macon in der Erwartung von dessen finaler Attacke an der letzten Bergwertung gesagt. Aber als der dann antrat, hatte Bardet keine Chance zu folgen - Kollege Pinot hingegen durchaus.

Bardet und Pinot müssen jetzt schon eine Weile ertragen, dass sie oft in einem Atemzug genannt werden. Sie sind fast gleicht alt, sie begannen nahezu gleichzeitig ihre Profikarriere, und sie fuhren bisher beide nur für ein Team. Bardet ist im Leistungszentrum von Ag2r in Chambery ausgebildet worden, parallel studierte er BWL, er tritt meist eher ruhig auf, Angeln und Pilze sammeln sind seine Hobbys.

Bardet galt bisher als derjenige, der es eher schaffen können als Pinot, den ewigen Fluch zu beenden. In den Vorjahren war Bardet mit erstaunlicher Regelmäßigkeit in die Top Ten der Tour de France gefahren. Sechster, Neunter, Zweiter, Dritter, Sechster - so lautete seine Bilanz bei den vergangenen fünf Auflagen der Tour.

So konstant stark war außer Christopher Froome in dieser Zeit kein anderer, wobei seinen flotten Aufstieg in die Rundfahrer-Spitzengruppe etwa der Leistungsdiagnostiker und frühere Festina-Trainer Antoine Vayer mit einem Fragezeichen versah.

Bardet war aber auch derjenige, der es noch am öftesten wagte, das stets so dominante Team Ineos (damals noch Sky) mit einem Manöver herauszufordern, etwa mit einer Attacke in der Abfahrt. Das wird er auf den schweren Abschnitten durch die Alpen und die Pyrenäen nun erst recht tun müssen, wenn er sich zumindest noch eine Chance aufs Podium erhalten möchte.

© SZ vom 14.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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