Süddeutsche Zeitung

Tour de France:20 Millionen Euro als Limit?

  • Das Team Ineos (vormals Team Sky) ist auch in dieser Saison mit dem Vorjahressieger Geraint Thomas und dem Kolumbianer Egan Bernal wieder klarer Favorit bei der Tour de France.
  • Der finanzielle Vorsprung auf andere Teams ist gewaltig. Nun bekommt eine schwelende Debatte neue Nahrung: die Einführung einer Budgetgrenze.
  • Einige Teams sind dafür - aus anderen wie Ineos und Astana kommt Gegenwehr. Der Rad-Weltverband gibt sich etwas defensiver als noch im Jahr 2017.

Von Johannes Aumüller, Colmar/Nancy

Manchmal beeindruckt das Team Ineos mit seiner Präsenz nicht nur im Rennen, sondern auch am Abend auf dem Parkplatz. Am Dienstag in Nancy etwa, vor einer Hotelkette in Autobahn-Nähe. Der übliche Trubel zum Tagesausklang herrscht dort, die Mechaniker putzen Räder und Begleitfahrzeuge, selbst die Waschmaschine mit der verschmutzten Kleidung vom Renntag läuft öffentlich. Und es ist bemerkenswert, zwischen wie vielen Fahrzeugen die Männer in der schwarzen Ineos-Kleidung dabei umherirren.

Ein großer Teambus steht da natürlich, fast ein Dutzend normaler Begleit- und Lieferwagen, dazu vier beeindruckende Gefährte im Truck-Format. In einem ist eine Küchenzeile untergebracht, ein anderer dient als Vorratskammer, ein dritter als Mechanik-Raum, und der vierte, das ist die Unterkunft des Teambosses Dave Brailsford, wie es heißt. Jede Mannschaft, die an der Tour teilnimmt, verfügt über einen großen Fuhrpark, aber an eine Flottenstärke wie bei Ineos kommt keiner heran.

Die Dominanz der Equipe (die bis zum Sponsorenwechsel im Mai Team Sky hieß) und die daraus resultierende Langeweile, das ist seit Jahren ein großes Thema im Peloton. Auch diesmal ist die Auswahl mit dem Vorjahressieger Geraint Thomas und dem Kolumbianer Egan Bernal wieder klarer Favorit; die Bergankunft in La Planche des Belles Filles am Donnerstag dürfte als erster Hinweisgeber auf ihre Stärke taugen. Der finanzielle Vorsprung ist in jedem Fall gigantisch - und damit die Investitionsoptionen, in den Kader und das Drumherum. Und weil sich das Feld zunehmend fragt, wie es damit umgehen soll, bekommt eine schwelende Debatte neue Nahrung: die Einführung einer Budgetgrenze.

Ähnliche finanzielle Rahmen gleich ähnliche sportliche Qualität und mehr Planungssicherheit für alle Teams gleich mehr Spannung und Abwechslung - das ist die Gleichung der Befürworter.

Die Interessen der Teams sind naturgemäß gespalten

Es gibt im Radsport in der Regel keine präzisen, offiziellen Angaben über den Etat einer Equipe. Der Durchschnitt der für jedes Rennen gesetzten 18 Erstliga-Teams - bei der Tour kommen noch vier kleinere französische dazu - soll bei zirka 18 Millionen Euro liegen. Das ist klar mehr als noch vor einigen Jahren. Bei den meisten Mannschaften dürfte sich das Budget in einem Rahmen zwischen zwölf und 20 Millionen Euro bewegen. Einige wenige liegen drüber, und ganz an der Spitze thront mit gewaltigem Abschnitt eben das Team Ineos: mit kolportierten 40 Millionen Euro. Dazu kommt neben den reinen Beiträgen bei vielen eine latente Unsicherheit, weil es im Radsport vergleichsweise oft vorkommt, dass sich ein Geldgeber zurückzieht oder seinen Beitrag reduziert.

In dieser Gemengelage läuft also die Debatte über die Zukunft des Radsports - etwa über die Budgetgrenze. Die Interessen der Teams sind naturgemäß gespalten, zumal hinter ihnen eine sehr heterogene Sponsoren-Landschaft steht, die von Groß-Investoren wie Ineos über nationale Gönner wie bei der kasachischen Equipe Astana bis hin zu Mittelständlern reicht. Ralph Denk, Teamchef der deutschen Mannschaft Bora-hansgrohe, gehört zu den Befürwortern. "Der Zuschauer will eine Show sehen, einen Kampf, und Kämpfe sind immer etwas Gutes. Und je mehr da mitkämpfen können, umso besser", sagt Denk. Und er bringt auch eine konkrete Zahl ins Spiel: 20 Millionen Euro als Limit. Ein Sprecher des Teams Katjuscha, dessen Zukunft übrigens ungewiss ist, teilt mit, das gehe in die richtige Richtung. Und auch Teamchefs wie Jonathan Vaughters (Education First) sind für einen Budgetdeckel.

Ineos wiederum weist solche Ansätze zurück. Als der Vorschlag erstmals aufkam, konterte Kapitän Froome mit Spott: "Und wo ziehen wir die Grenzen? Sollen wir alle die gleichen Räder fahren, den gleichen Ausrüster haben und alle jeden Morgen den gleichen Reis und den gleichen Haferbrei essen?" Aber auch aus den Projekten, die wie Astana vom Gönnertum ihrer Nationalregierung leben, kommt Gegenwehr.

"Ich weiß nicht, über welche Limitierung wir hier reden sollen, so etwas sollte es nicht geben", sagt Teammanager Dimitrij Fofonow und macht dabei ein Gesicht, als halte er den Vorschlag etwa für so genießbar wie englischen Haferbrei. Der Radsport sei ein Sport, der immer professioneller werde, in dem es viel mehr Sachen zu berücksichtigen gebe und in dem es immer mehr Personal brauche. "Das kostet einfach Geld, und wir sollten alle versuchen, weiterzukommen." Andere Skeptiker verweisen auch auf die Frage, wie sich eine solche Grenze wirklich kontrollieren ließe.

Aber die Debatte beschränkt sich nicht auf die Teams. In radsportpolitischen Fragen spielt traditionell der mächtige Tour-Veranstalter Aso (Amaury Sport Organisation) eine wichtige Rolle. Die äußert sich zu Details gerade nicht, aber ihr sei generell an einem Mechanismus zur Stabilisierung der Teams gelegen, heißt es von ihren Vertretern. Und der Rad-Weltverband wiederum unternahm in Person seines Präsidenten David Lappartient Ende 2017 selbst schon mal einen Vorstoß in diese Richtung, gibt sich aktuell aber etwas defensiver. Er verweist nur darauf, dass es derzeit eine Umfrage sowie viele Gespräche einer Arbeitsgruppe mit den verschiedenen Stakeholdern des Radsports gebe - und im nächsten Jahr Vorschläge für Reformen.

Es ist also zweifelhaft, ob es wirklich zu einem Limit kommt - zudem ist die Budgetgrenzen-Frage eingebettet in ökonomische Diskussionen. Es geht darum, wie sich der Radsport aufstellen will, wie die Eigentümer-Struktur in den Teams sein soll und wie ein idealer Rennkalender aussähe. Und vor allem geht es um die Verteilung der Geldströme. Auf 700 Millionen Euro beziffert UCI-Boss Lappartient das komplette Budget des Männer-Radsports.

Der Tour-Veranstalter Aso etwa kam zuletzt schon mal auf einen Profit von rund 45 Millionen Euro pro Jahr. Fahrer und Teams möchten mehr davon abbekommen. Insgesamt schüttet die Aso bei der Tour 2,3 Millionen Euro an Preisgeld aus. Beim Tennisturnier in Wimbledon bekommt alleine der Sieger zirka 2,5 Millionen Euro - und damit mehr als alle Tour-Teilnehmer zusammen.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2019/chge
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