Tour de France:Das einzige deutsche Team verliert seinen Kapitän

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Gezeichnet im Ziel: Primoz Roglic. (Foto: Marco Bertorello/dpa)

Red Bull-Bora-Hansgrohe hatte unlängst Ambitionen angemeldet, mit Primoz Roglic um den Tour-Sieg mitfahren zu wollen. Nach einem Sturz geht er am Freitag nicht mehr an den Start. Über einen Mann, den in Frankreich das Pech verfolgt.

Von Korbinian Eisenberger

Der Kapitän war ganz am Ende hineingerollt in dieses majestätische Arrangement. Auf dem neuen Rennrad des neu sortierten Teams kurvte Red-Bull-Mann Primoz Roglic vor die Bühne. Ein Rennrad in schlichtem Weiß gehalten, in königlicher Anmutung, die der Schriftzug der Marke „Roval“ auf der Felge noch erhärtete, weil er sich wie „Royal“ las. Weiß und königlich also, wie das Real Madrid des Radsports. Und das passte zu den selten so deutlich formulierten Zielen, die Teamchef Ralph Denk an diesem Tag im Red-Bull-Hangar in Salzburg aussprach: Das Team habe definitiv das Potenzial, mit einem Fahrer die Tour de France zu gewinnen, sagte Denk. „Doch nicht nur das, wir wollen auch die Marke Nummer eins im ganzen Radsport werden.“ Und zwar mithilfe des Mannes auf dem royalen Rad.

Sechzehn Tage nach der hübsch inszenierten Teampräsentation der Tour-Equipe mit dem etwas sperrigen Namen Red Bull-Bora-Hansgrohe ist seit Freitagmittag klar, dass der 34 Jahre alte Primoz Roglic nicht mehr ums Gelbe Trikot fahren wird. Der Mitfavorit ist bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegen. Wie sein Rennstall am Freitag mitteilte, tritt der Kapitän wegen Blessuren von seinem schweren Sturz am Vortag nicht mehr zur 13. Etappe an, die am späteren Freitagmittag begann – und mit dem zweiten Tagessieg des Belgiers Jasper Philipsen endete, der Punkte im Wettkampf ums Grüne Trikot gutmachte. Der Deutsche Pascal Ackermann aus Kandel (Israel-Premier Tech) wurde abermals Dritter.

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Um der Angelegenheit gerecht zu werden, sei erwähnt, dass Roglic zu den besten Fahrern der weltweit schwersten Radrundfahrt zählte und bis kurz vor dem Ziel am Donnerstag auf Rang vier aller 176 gestarteter Fahrer gelistet war. Mit 61 Sekunden Rückstand auf Rang drei hatte er durchaus noch Chancen aufs Podium. Wenngleich er mit einem Rückstand von 2:15 Minuten auf seinen Landsmann Tadej Pogacar, der das Gelbe Trikot trägt, kaum mehr ein Kandidat für den ganz großen Wurf war. Stattdessen dann: ein fieser Sturz.

„Ich hörte den Sturz, schaute mich aber nicht um“, sagt Tadej Pogacar. „Ich war schockiert“

Auf der zwölften Etappe von Aurillac hatte er nach gut 190 gefahrenen Kilometern fast schon den Zielort Villeneuve-sur-Lot erreicht. Zwölf Kilometer vor der Ziellinie allerdings stürzte der Kasache Alexey Lutsenko über einen Fahrbahnteiler und löste damit eine Kettenreaktion aus. Die besten Drei des Gesamtklassements entkamen dem folgenden Massensturz, Roglic indes fiel. Bis Freitagvormittag war davon auszugehen, dass sein aus dem Sturz resultierender Rückstand von zusätzlich fast zweieinhalb Minuten – und nur mehr Gesamtrang sechs – als Ärgernis von dieser Etappe bleibt. Wer allerdings genauer hinsah, wie er mit blutender Schulter und zerschrammtem Helm in Villeneuve-sur-Lot einrollte, dürfte schon am Donnerstag Schlimmeres erahnt haben.

„Primoz Roglic wurde nach der gestrigen Etappe und auch heute Morgen von unserem medizinischen Team sorgfältig untersucht“, hieß es in einer Team-Mitteilung vom Freitag. Welche Verletzungen er davontrug, wurde dort nicht erwähnt. „Es wurde entschieden, dass er heute nicht starten wird, um sich auf die kommenden Ziele zu konzentrieren.“ Auch diese Ziele blieben vor dem Start am Freitag vorerst offen. „Jetzt geht es um Primoz Roglic als Mensch und als Person, der viel investiert hat, um hier fit zu sein“, sagte Sportdirektor Rolf Aldag.

Primoz Roglic und die Tour de France führen eine Hassliebe, bei der die Liebe zunehmend an Substanz verliert. 2020 war er im Gelben Trikot auf der vorletzten Etappe auf dramatische Weise von seinem Landsmann Tadej Pogacar abgefangen worden. In den folgenden beiden Jahren schied er vorzeitig aus – jeweils nach Stürzen, so wie jetzt. „Ich hörte den Sturz, schaute mich aber nicht um. Ich war schockiert“, sagte Pogacar am Donnerstag. „Ich bin sehr enttäuscht für ihn.“ Dabei hatte in Salzburg noch vieles so schön weiß geglänzt.

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