Tour de France:Das Stolpern der Sternträger

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Enttäuscht: Julian Alaphilippe, einst aussichtsreicher Klassementfahrer. (Foto: Gvg via www.imago-images.de/imago images/Panoramic Internati)

Kein Roglic, kein Alaphilippe: Der Tour-Sieg scheint an den übermächtigen Tadej Pogacar vergeben zu sein. Aber es ist auffällig, dass im Kampf um die Podestplätze diesmal viele prominente Namen fehlen.

Von Johannes Aumüller, Albertville

Wie ein Echo mit ansteigender Tonlage zog sich der Namensruf durch die Reihe der wartenden Zuschauer. "Julian!" - "Julian!" - "Julian???" Ja, mancher mochte es kaum glauben, aber es war tatsächlich Publikumsliebling Julian Alaphilippe, der in diesem Moment die letzten ansteigenden Meter nach Tignes passierte.

Der Tagessieger war da schon mehr als eine halbe Stunde durch, Tadej Pogacar im Gelben Trikot ebenfalls. Stattdessen war die Zeit angebrochen, in der Sprinter wie Mark Cavendish oder Andre Greipel vorbeirasten, um irgendwie im Zeitlimit zu bleiben. Und mittendrin im Kreis der müden Krieger: Julian Alaphilippe, dick eingemummelt in einer schwarzen Regenjacke.

Favoriten wie Julian Alaphilippe fahren hinterher

Einen Tag später saß Alaphilippe, 29, bei der ruhetäglichen Pressekonferenz seiner Deceuninck-Equipe und gab sich recht vergnügt. Die erste Woche sei doch super gewesen, lautete sein Resümee. Er selbst zum Auftakt im Maillot Jaune, der Kollege Mark Cavendish neben ihm mit zwei Etappensiegen. Aber ein Aspekt trübte die Bilanz ein bisschen: Denn in der Gesamtwertung liegt Alaphilippe, 2019 immerhin bis zum letzten Wochenende in Gelb und am Ende Fünfter, schon ungemein weit zurück - beispielhaft für das Schicksal ambitionierter Fahrer in diesem Jahr.

Es gehört zu den Traditionen der Tour, dass das Leitmedium L'Equipe vor der Rundfahrt Sterne für die aussichtsreichsten Fahrer verteilt. Diesmal empfanden sie zehn Pedaleure als würdig genug, um in der Liste aufzutauchen. Doch vor der schweren Ventoux-Etappe an diesem Mittwoch spielen sieben davon schon keine Rolle mehr.

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Der deutsche Radprofi erhofft sich dadurch eine abschreckende Wirkung. Podolski wechselt nach Polen, ein Bayern-Profi nach Regensburg. Karolina Pliskova erreicht Halbfinale in Wimbledon.

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Zwar taucht im Kampf um die Top-Plätze hinter dem übermächtig erscheinenden Tadej Pogacar, 22, neben überraschenden Gesichtern wie dem Dänen Jonas Vingegaard manch erwarteter Kombattant wie der Ecuadorianer Richard Carapaz oder der Kolumbianer Rigoberto Uran auf. Aber insgesamt war das erste Drittel der Tour 2021 ein Rennabschnitt, in dem es ein paar starke Klassementfahrer aus der vorderen Linie gespült hat.

Der Vorjahreszweite Primoz Roglic war ein Opfer der sturzreichen Auftakttage. Wie eine Mumie sah er aus, als er nach einer Untersuchung das Hospital verließ - wenig später gab er auf. Geraint Thomas, Tour-Sieger 2018, kugelte sich bei einem Sturz die Schulter aus, scheint nun aber wieder so fit zu sein, um seinem Ineos-Kollegen Carapaz im Kampf ums Podium zu helfen.

Auch Miguel Angel Lopez, Simon Yates oder Richie Porte verloren auf den Etappen des ersten Wochenendes viel Zeit. Zwei der auffälligsten Kletterer der jüngeren Vergangenheit, der Tour-2014-Sieger Vincenzo Nibali und der dreimalige Tour-Podestler Nairo Quintana, scheinen das Klassement ganz Klassement sein zu lassen und sich stattdessen von vorneherein auf Tagessiege und das Bergtrikot zu konzentrieren.

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Und Alaphilippe? Der Parcours 2021 kommt ihm eigentlich entgegen. Es gehört zu den traditionellen Thesen der Tour, dass die Organisation die Strecke auch immer so gestaltet, dass sie einem aussichtsreichen französischen Fahrer liegt.

Die Kletterspezialisten Romain Bardet und Thibaut Pinot kamen in den Vorjahren in den Genuss vieler schöner schwerer Berge. In diesem Jahr gibt es nur wenige Bergankünfte, aber dafür viele hügelige Etappen. Doch das konnte Alaphilippe nicht nutzen, und am Ruhetag tat er das ganz lässig ab. Ach was, sagte er, "ich habe doch nie erklärt, dass ich mit dem Ehrgeiz anreise, irgendetwas in der Gesamtwertung zu erreichen".

So eindeutig hatte das vorher nicht geklungen. Aber das Stolpern der Sternträger hat natürlich den Nebenaspekt, dass andere Fahrer nach vorne rücken. Und so gibt es aus Sicht der Gastgeber nun die Hoffnung, dass Guillaume Martin oder David Gaudu den ersten französischen Podestplatz seit 2017 (Bardet) schaffen können.

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