89. Tour de France:"Nicht zu gebrauchen"

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Doping? Ein Arzt und ein Mechaniker verlassen die Tour

Andreas Burkert

(SZ vom 11.07.2002) - Die Franzosen lieben die Tour, sie haben ihr längst den großen Dopingskandal von 1998 um das Festina-Team verziehen.

Jens Voigt (links) und Stuart O'Grady müssen sich während der Tour gegenseitig untersuchen, ihrem Teamarzt wurde die Akkreditierung entzogen (Foto: N/A)

Richard Virenque ist einer der Hauptdarsteller gewesen, wenn er auch damals tränenreich seine Unschuld beteuerte und erst zwei Jahre später die Einnahme des Blutbeschleunigers Epo gestand.

Gestern, beim Start der vierten Etappe der Tour in Épernay, haben die Menschen begeistert seinen Namen gerufen. Frankreich vergisst eher rasch, und überhaupt meinen die Menschen hier, ihr Radsport habe die richtigen Konsequenzen aus dem nun vier Jahre zurückliegenden Trauma gezogen.

In Dopingaffäre verstrickt

Dabei sieht es nicht danach aus. Zwar hat bis auf die Zeitung Le Monde niemand die Nation darüber informiert, doch Fakt ist, dass der französische Rennstall Crédit Agricole bereits am Samstag - am Tag des Tour-Starts in Luxemburg - seinen Teamarzt Hervé Stoïcheff beurlaubt hat für die Dauer der Frankreich-Rundfahrt.

Der Chefarzt aus Bordeaux ist in eine Dopingaffäre verstrickt, in der es um den Handel mit unerlaubten Substanzen geht.

Geiches gilt für den Mechaniker Philippe Tomasini - ihm hat in der Nacht zum Dienstag der französische Rennstall AG2R Prévoyance den hastigen Abschied von der Tour angeraten - er wurde entlassen.

Die "Beon-Affäre".

Für die kleine Equipe ist dies bereits der zweite unangenehme Zwischenfall in kurzer Zeit - wenige Tage vor der Tour hatte sie ihren Profi Laurent Paumier aus dem Rundfahrt-Team nehmen müssen, weil sich in einer Dopingprobe Kortekoide gefunden hatten.

Die Entlassung von AG2R-Mechaniker Tomasini steht nach Informationen der dänischen Tageszeitung Exstra Bladet (Kopenhagen) im Zusammengang mit der "Beon-Affäre".

Ausgangspunkt waren Dopingfunde in einem Radshop in der Bretagne im Dezember 2001. Im Umlauf: der so genannte "Dutch-Cocktail", ein Gemisch aus Amphetamin und Kokain.

Warten auf das Urteil

Tomasini ist einer der sechs Hauptverdächtigten, im Zuge der Anhörungen durch die Behörden mussten auch die Profis Pascal Chanteur, der jetzige AG2R-Fahrer Christophe Angnolutto (vor zwei Jahren Sieger einer Tour-Etappe) sowie Jacky Durand, zurzeit mit der Equipe von La Francaise des Jeux bei der Tour, aussagen.

Die Untersuchungen sind inzwischen abgeschlossen, für Dezember wird in Rennes mit Urteilen gerechnet.

Dopinghandel im Amateurbereich

Hervé Stoïcheff ist seit drei Jahren der Doktor des Vertrauens beim Team Crédit Agricole, Arbeitergeber auch des Berliner Profis Jens Voigt. Der Name des Chefarztes taucht in den Ermittlungsakten der "Affäre von Perpignan" auf, die sich mit illegalem Dopinghandel vor allem im Amateurbereich beschäftigt.

Am 29. Februar 2000 hatte eine Polizei-Patrouille in der französischen Region Pyrénees-Orientales im Auto zweier Fahrer des Radsportklubs VC Narbonne Amphetemine gefunden.

Zum Kronzeugen der Ermittler entwickelte sich Jérome Laveur-Pedoux, einst Profi bei erstklassigen Rennställen wie RMO, Castorama, Agrigel und Festina. Er sagte aus, der in Radsportkreisen bekannte belgische Arzt Georges Mouton habe ihm Epo und andere Substanzen verabreicht - und Hervé Stoïcheff habe versucht, an derartige Mittel zu gelangen.

Entzug der Akkreditierung

Nach der Veröffentlichung in Le Monde berief Armand Megret, Chef der medizinischen Kommission im nationalen Radsportverband, eilig eine Sitzung der französischen Teamärzte ein. Die Runde tagte am späten Freitabend im Tour-Startort Luxemburg.

Megret soll Crédit Agricole empfohlen haben, dem Arzt Stoïcheff die Akkreditierung für die Tour de France zu entziehen: "Wir können ihn bei der Tour nicht gebrauchen."

Stoïcheff wurde offiziell freigestellt und soll abgereist sein. Eine Woche zuvor hatte Roger Legeay, Manager beim Team Crédit Agricole, die Verwicklung seines Teamarztes in die "Affäre Perpignan" noch abgestritten. Er sagte: "Ich bin da nicht auf dem Laufenden."

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