Tour de France: Gesamtsieg:Letzter Angriff auf Andy Schleck

Showdown der Einzelkämpfer: Der Sieg bei der 98. Tour wird im Zeitfahren von Grenoble vergeben - einzig Cadel Evans dürfte den neuen Führenden Andy Schleck noch ernsthaft gefährden. Für Alberto Contador und Thomas Voeckler wird es schwer, noch einmal zurückzukommen. Die Favoriten im Überblick.

Andreas Burkert, Alpe d'Huez

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Tour de France - 18th stage

Quelle: dpa

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Showdown der Einzelkämpfer: Der Sieg bei der 98. Tour wird im Zeitfahren von Grenoble vergeben - einzig Cadel Evans dürfte den neuen Führenden Andy Schleck noch ernsthaft gefährden. Für Alberto Contador und Thomas Voeckler wird es schwer, noch einmal zurückzukommen. Die Favoriten im Überblick.

Frankreich hat genug Sorgen, den Euro natürlich und das Wetter, der Juli ist bislang vor allem am Atlantik und im Norden verwässert gewesen wie lange nicht mehr. Am Freitag hat die Nation eine weitere Illusion dieses Sommers verloren, denn Thomas Voeckler wird die 98. Tour de France nun doch nicht gewinnen. Auf der letzten Bergetappe nach Alpe d'Huez verlor der Elsässer das Duell mit der Schwerkraft, büßte allerdings nur drei Minuten ein und ist jetzt Vierter. Dafür ließ Teamkollege Pierre Rolland die Landsleute jubeln als erster französischer Etappensieger der prestigeträchtigen Etappe seit Bernard Hinault 1986 und neuer Träger des weißen Nachwuchstrikots.

Um den Gesamtsieg bewerben sich nun am beim Einzelzeitfahren am Samstag in Grenoble (42,5 km) Andy Schleck, der neue Mann in Gelb, dessen Bruder Frank Schleck, der nur 53 Sekunden zurückliegt, und Cadel Evans (57 Sekunden). Die drei liegen innerhalb einer Minute, Frankreich wartet auf ein Spektakel und hofft heimlich auf Voecklers letztes Aufbäumen. Denn auf dem Pariser Podium stand seit 14 Jahren kein Franzose mehr; schon gar keiner, von dem sie hier annehmen, er ernähre sich vielleicht doch nicht von Blutbeschleunigern und Hormonen. Die Ausgangslage:

Leopard-Trek's Andy Schleck of Luxembourg celebrates wearing the leader's yellow jersey on the podium after the 19th stage of the Tour de France 2011 cycling race from Modane to Alpe d' Huez

Quelle: REUTERS

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Andy Schleck (Platz 1)

Was es bedeutet, einem Franzosen das Gelbe Trikot auszuziehen, hat Andy Schleck schon nach seiner Siegesfahrt auf den Galibier erfahren: Unter den Beifall für seine Solofahrt mischten sich dort auch Pfiffe. Aber den Luxemburger wird das kaum beeindrucken, er hat sich in diesen Wochen auch nicht von der Kritik an der zurückhaltenden Strategie in den Pyrenäen irritieren lassen, über die selbst sein Vater maulte.

Der 26-Jährige könnte am ehesten als Vertreter einer neuen Generation durchgehen, nicht nur wegen seines Alters. Er ist nun erster Anwärter auf den Toursieg, er wäre sein erster, nachdem er in den vergangenen beiden Jahren Platz zwei hinter Alberto Contador belegt hat.

Vor dem Einzelzeitfahren mit seinem welligen Kurs hat das Leichtgewicht (68 kg) keine Furcht. 2010, als er die Tour um 39 Sekunden gegen Contador verlor, belegte er in Pauillac Rang 44. Dennoch legte er nach eigener Aussage im Training nicht mehr Wert auf diese Disziplin als sonst. "Ich will die Tour mit meinen Stärken gewinnen und nicht mit meinen Schwächen", sagt Andy Schleck.

Saxo Bank rider Contador of Spain cycles ahead of Leopard rider Schleck of Luxembourg in the the Col du Galibier during the 18th stage at the Tour de France

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Frank Schleck (2., 53 Sekunden zurück)

Auch der ältere Bruder von Andy äußert sich ungern zu seiner Vergangenheit, vermutlich wird er in Paris nicht in Verlegenheit kommen. Frank Schleck, 31, ist im Zeitfahren fast noch schlechter einzuschätzen als der Kronprinz aus der eigenen Familie. Er wiegt nur 65 Kilo. Ein Doppelsieg ist jedoch möglich, in Grenoble sind die beiden, die sich angeblich sehr gut verstehen, zumindest ein Problem der drei vergangenen Wochen los: Sie brauchen nicht mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Ihre Gegner sind nur noch Evans und der Sekundenzeiger.

BMC Racing Team's Cadel Evans of Australia drinks during the 19th stage of the Tour de France 2011 cycling race from Modane to Alpe d'Huez

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Cadel Evans (3., 57 Sekunden)

Dem Australier haftet das Image an, für den Toursieg fehle ihm etwas: Schneid. Auch Evans ist schon zweimal Zweiter gewesen, 2007 und 2008. Als Hinterradlutscher werden Fahrer wie er verspottet, die nie ins Risiko gehen und angreifen. Doch in diesem Jahr wirkt der 34-Jährige viel entschlossener, er gewann früh eine Etappe und probte am Donnerstag im Galibier schon mal für Grenoble - die finalen zehn Kilometer ist er es gewesen, der allein im Wind die Verfolgung Andy Schlecks aufnahm.

Auch am Freitag, als ihm im Galibier mal wieder das Pech besuchte mit einem Defekt ausgerechnet bei der nächsten Tempoverschärfung des Rückkehrers Alberto Contador, hat er sich vor die Verfolgergruppe gespannt und die Konkurrenz zurückgeholt. Im Schlussanstieg hielt er stur das Hinterrad von Andy Schleck und versuchte den Rivalen ab der 2-km-Marke sogar abzuhängen. Das gelang nicht. Evans setzt jetzt auf Grenoble.

Im Einzelzeitfahren ist ihm als Rouleur durchaus zuzutrauen, die knappe Minute auf das Maillot Jaune gutzumachen. Favorit des fortschrittlichen Radsports ist er vermutlich dabei nicht, vom einstigen Mapei- und Telekom-Fahrer bräuchte jedenfalls in Paris niemand eine Botschaft zur Zukunft seiner Branche erwarten - nach seinem WM-Sieg 2009 sagte Cadel Evans schmallippig: "Es ist nicht an mir, eine Diskussion über Doping zu führen."

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Quelle: AFP

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Thomas Voeckler (4., 2:10 Min.)

Es ist schon lange kein Thema mehr, dass er das Gelbe Trikot der Sturzparade auf der neunten Etappe verdankte, als sich Kapitäne wie Van den Broek und Winokurow die Knochen brachen und ein TV-Fahrzeug seine Fluchtgruppe mit dem Kotflügel ausdünnte.

Ein steinernes Monster wie den Galibier musste er trotzdem allein erklettern, und seine Grimassen auf den Passstraßen in 2700 Metern Höhe zeigten jedem: Hier kämpfte jemand um die Chance seines Lebens. Es menschelt wieder ein wenig bei der Tour, und besonders Voecklers verblüffende Energieleistungen lassen das Publikum an einen faireren Wettbewerb glauben.

Im Zeitfahren gilt Voeckler nun als eher chancenlos, obwohl Rang drei nur 1:03 Minuten entfernt ist. Bei der Dauphiné-Rundfahrt im Juni verlor er auf identischer Strecke zwei Minuten auf Spezialist Cadel Evans. Aber es wird seine beste Tour-Platzierung werden, bisher war das Platz 18 im Jahr 2004, als er schon mal zehn Tage Gelb trug und lange von der Zeitgutschrift als Passagier einer Ausreißergruppe zehren konnte. Danach ist er 124. geworden, 89., 66., 97., 67. und zuletzt 76. Er habe null Chancen auf den Toursieg, sagte Voeckler zuletzt immerzu. Nun glauben ihm auch die Franzosen.

Saxo Bank rider Alberto Contador of Spain rides in front of Leopard Trek's Andy Schlek during the 19th stage of the Tour de France 2011 cycling race from Modane to Alpe d'Huez

Quelle: REUTERS

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Alberto Contador (6., 3:55 Minuten)

Oder greift doch noch der umstrittene Spanier das Podium an? Contador revanchierte sich als Angreifer des Tages und Etappendritter in Alpe d'Huez für seinen Einbruch im Galibier. Mehr als eine Minute holte er aber nicht auf. Achtung: 2009 hat er im Zeitfahren von Annecy sogar den Spezialisten schlechthin besiegt, Fabian Cancellara. Die Zeiten ändern sich allerdings, auch für den Madrilenen Contador, der nun bei seiner siebten Teilnahme an einer der drei großen Rundfahrten seit 2007 - Tour, Giro und Vuelta - erstmals nicht als Gewinner ankommen dürfte. Frankreich hätte eine Sorge weniger.

© SZ vom 22. Juli 2011/jbe
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