Tour de France:Froome joggt in Frankreichs Herzen

Le Tour de France 2016 - Stage Twenty

Zufrieden, auch wenn es nicht so aussieht: Christopher Froome fährt im Gelben Trikot nach Paris.

(Foto: Getty Images)

Der Brite gewinnt zum dritten Mal die Tour de France. Der Erfolg fußt auf der Dominanz seiner Sky-Mannschaft - und ist doch sein ganz persönlicher Triumph.

Johannes Aumüller, Morzine

Im strömenden Regen ist Christopher Froome über die Ziellinie gefahren, nicht jubelnd, nicht frohlockend, sondern einfach nur mit einem erleichterten Lächeln. Mit einem großen Vorsprung war er in die Etappe gegangen, aber im Radsport kann eben immer alles passieren, ein Sturz im Regen, ein Defekt, plötzlicher Hunger, das kann alles noch einmal verändern. Doch nach vierstündiger Fahrt durch die Alpen war dann klar: Christopher Froome, 31, geboren in Kenia, aufgewachsen in Südafrika und seit neun Jahren ausgestattet mit der britischen Staatsbürgerschaft, fährt erneut im Gelben Trikot auf die Champs-Élysées - so wie schon 2013 und 2015.

"Es ist dasselbe Gefühl, als wäre es das erste Mal", sagt er, als er etwas später im Palais de Sports in Morzine zur obligatorischen Sieges-Pressekonferenz erscheint. Aber es ist ein anderer Sieg als im Vorjahr.

Damals musste er auf der letzten richtigen Etappe noch einmal bangen, weil der Kolumbianer Nairo Quintan in La Pierre-Saint-Martin bis auf 72 Sekunden herankam; diesmal war der Schlussabschnitt vergleichsweise unspektakulär. Damals war er nicht sonderlich beliebt auf Frankreichs Straßen; diesmal versuchte er, sich beim französischen Volk beliebt zu machen. Damals musste er viele Fragen beantworten, weil seine Leistungen teils unglaubwürdig wirkten, vor allem sein Antritt nach La-Pierre-Saint-Martin, mit dem er den Grundstein für seinen Erfolg legte; diesmal mussten er und sein Team Sky sich erstaunlicherweise viel seltener Fragen anhören. Und das obwohl sie in diesem Jahr noch viel dominanter waren als im Vorjahr - und Froome sogar mit mehr als vier Minuten Vorsprung vor Romain Bardet (Frankreich/AG2r/4:05 Minuten zurück) und Nairo Quintana (Kolumbien/Movistar/4:21) gewann.

Die Bilder dieses Sommers machen ihn sympathischer

Es gibt mindestens vier Bilder, die von Froome und dieser Tour bleiben. Das erste und berühmteste ist das von Froome als Jogger am Mont Ventoux, als ihn ein in der Zuschauermenge steckengebliebenes Motorrad stoppte und er zunächst vergeblich auf ein Ersatzrad wartete. Das zweite zeigt den Briten mit einem aufgerissenen Gelben Trikot, die Folge eines Sturzes auf der vorletzten schweren Bergetappe nach Saint-Gervais Mont Blanc am Freitag. Nummer drei: Froome auf dem Mittelrohr seines Velo sitzend, wie er sich auf der ersten Pyrenäen-Etappe wagemutig in die Abfahrt wirft, um ein paar Sekunden auf die Konkurrenz herauszuholen.

Und dann ist da noch das vierte Bild, das lange nicht so spektakulär ist wie die anderen drei - und das strenggenommen auch nicht ein Bild ist, sondern eine immer wiederkehrende Aufnahme, Etappe für Etappe, Berg für Berg: Froome hinter wahlweise sechs, fünf, vier, drei, zwei Teamkollegen, Froome direkt hinter Wouter Poels, seinem Edelhelfer.

Froome jagt die großen Rekordhalter des Sports

Triumphe bei der Tour de France waren schon immer Siege starker Mannschaften, aber Froomes Rennstall Sky hat diesen Ansatz perfektioniert und radikalisiert, ganz ähnlich wie früher Lance Armstrong und seine US-Postal-Truppe. "Uns unterscheidet von anderen Teams, dass bei uns alle neun Mann ein Ziel haben", sagt Froome, und zwar genau eines. Und dieser Satz ist nachvollziehbar, wenn man etwa die bisweilen unkoordinierten Aktionen von Quintanas Movistar-Mannschaft betrachtet.

Aber Froomes Mannschaft hat auch die Möglichkeiten dazu. 30 Millionen Euro beträgt dem Vernehmen nach das Budget des Rennstalls, da kommen die Teams mit den nächsthöchsten Etats nicht im Ansatz ran. Edelhelfer Poels verdient wohl mehr als in den meisten Mannschaften der Kapitän. Mancher Teamchef, wie etwa der Tinkoff-Verantwortliche Sean Yates, ärgert sich über die daraus entstehende Langweile und befürwortet deswegen einen Salary Cap, eine Gehaltsobergrenze. Wenn es um die große Dominanz geht, verweist Sky gerne auf seinen wissenschaftlichen Apparat und seine umfängliche Betreuung der Sportler. Nicht so gern wird über die Zweifel gesprochen, die immer mitfahren, wenn die Mannschaft wie einst US Postal das Feld dominiert - oder wenn sie sich bei unklaren Vorgängen um auffällige Blutwerte des Kolumbianers Sergio Henao nicht so transparent verhalten wie sie sich gerne geben.

"Das war unsere beste Aufstellung bei einer Tour", sagt Froome, und das ist schon eine klare Ansage. Denn seit 2012 hat Sky das Peloton nahezu durchgehend im Griff. Vier Mal gewann seitdem ein Sky-Fahrer, nur 2014 kamen Froomes Sturz und in der Folge Vincenzo Nibalis Sieg dazwischen. Und jedes Mal hätte der Edelhelfer selbst locker ums Tour-Podium oder gar den Tour-Sieg mitfahren können, wenn er nicht gerade Edelhelfer gewesen wäre. 2016 hatte Froome den Niederländer Poels. 2015 und 2013 hatte er den Australier Richie Porte. Und 2012 war er selbst noch dieser zweite Mann, hinter Bradley Wiggins.

Froome jagt nun die Großen des Radsports

Wenn Sky gewollt hätte, hätte Froome damals schon gewonnen, aber das haben diese manchmal kruden ungeschrieben Gesetze des Radsports verhindert. Froome war klar stärker, aber er musste immer auf seinen Kapitän Wiggins warten. Teils war das ein absurdes Theater, wenn Froome vorfuhr, eine Lücke entstand, sich wieder zurückfallen ließ, seinen Käpt'n mit Handbewegungen zum Voranmachen aufforderte. Frankreich war empört damals über die Show der Sky-Leute.

Jetzt muss der vierte Titel eben ein anderes Mal her. Christopher Froome ist 31, er kann noch ein paar Jahre weiterfahren, und wenn Sky weiter so agiert wie in den vergangenen Jahren, kann er noch eine besondere Bestmarke ins Visier nehmen: Nur Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain haben die Frankreich-Rundfahrt öfter gewonnen als Froome, alle jeweils fünf Mal.

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