Tour de France:Erster auf den Hügelchen

Tour de France: Ätsch! Der Brite Mark Cavendish holt auf der ersten Tour-Etappe den Tagessieg, das Gelbe und das Grüne Trikot.

Ätsch! Der Brite Mark Cavendish holt auf der ersten Tour-Etappe den Tagessieg, das Gelbe und das Grüne Trikot.

(Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Die deutschen Top-Sprinter Marcel Kittel und Andre Greipel verpassen zum Tour-Auftakt in der Normandie das Gelbe Trikot. Dafür erobert Bora-Profi Paul Voss mit einer überraschenden Aktion das Bergtrikot.

Von Johannes Aumüller, Utah Beach

Irgendwann durfte doch noch ein Deutscher auf das Podium vor dem geschichtsträchtigen Strand von Utah Beach, an dem einst die Alliierten landeten. Aber es war weder Andre Greipel (Lotto) noch Marcel Kittel (Etixx), die beide so sehr gehofft hatten, die Auftaktetappe zu gewinnen und direkt zum Beginn der 103. Tour de France das begehrte Maillot Jaune für einen Tag tragen zu können. Doch das endschnelle Sprinter-Duo musste sich etwas überraschend dem britischen Routinier Mark Cavendish geschlagen geben. Statt der beiden deutschen Vorzeige-Radler durfte dann Paul Voß, 30, auf die Tribüne - um als erst siebter Deutscher in der Geschichte der Tour das weiße Bergtrikot mit den roten Punkten in Empfang zu nehmen.

Das Peloton ließ es zum Auftakt seiner mehr als 3500 Kilometer durch Frankreich überraschend ruhig angehen. Die erwarteten Spielchen an der Küste blieben - anders als bei vergleichbaren Etappen in den Vorjahren - dieses Mal aus. Und somit blieb sportlich nur wenig hängen von dieser Fahrt durch das Departement Manche. Der Überraschungserfolg von Cavendish; ein Massensturz im Finale, der unter anderem Edvald Boasson-Hagen und Sam Bennett schmerzlich erwischte; ein Sturz des spanischen Podiumsanwärters und zweimaligen Tour-Siegers Alberto Contador zur Streckenmitte, der mit einer Wunde an der Schulter weiterfahren und mit entsprechend geschmälerten Chancen auf eine vordere Platzierung das folgende Programm bestreiten muss; und eben dieser kleine Coup von Routinier Voß, der gleich nach der Startlinie angriff und sich aus einer fünfköpfigen Fluchtgruppe löste, um die vierte-Kategorie-Hügelchen Cote d'Avranches und Cote des falasises de Champeaux als Erster zu passieren. "Die 25 Kilometer alleine waren sehr hart. Zunächst dachte ich, es sei eine dumme Idee, aber dann habe ich doch durchgezogen, um sicher zu gehen, auch noch den zweiten Bergpreis zu holen", sagte er.

Voß' Coup in der Normandie

Zur ersten Tour-de-France-Woche gehören traditionell ein paar spezielle Strategien, mit denen vor allem kleinere und mittlere Mannschaften erhöhte Aufmerksamkeit erzeugen können. Eine davon lautet, bei den kleinen Bergwertungen auf den ersten Etappen vorne zu sein und sich so das gepunktete Trikot zu erobern, um das später im Hochgebirge die Kletterspezialisten kämpfen. Mit dieser Strategie kam einst sogar der Sprinter Marcel Wüst schon mal ins Bergtrikot. Und dieses Mal also Paul Voß, wobei der hinterher sagte, es sei gar nicht eine lang ausgefeilte Strategie gewesen. Sondern er habe schlicht am Vorabend den Auftrag bekommen, dass er es in eine Fluchtgruppe schaffen soll.

Es ist dies eine typische Tour-Geschichte, mit der er sich Fahrer wie Voß an all den großen Radsport-Namen vorbei für eine kurze Zeit ins Zentrum schieben können. Voß ist seit Jahren einer dieser vielen unauffälligen Kräften im Feld, durchaus ausgestattet mit überdurchschnittlichen Gaben und bei mittelschweren Etappen immer ein Kandidat für die Ausreißergruppen. Aber zur Weltspitze fehlt ihm halt doch etwas, bis zu diesem Samstag hatte er als bedeutendste Triumphe einen Etappensieg bei der Katalonien-Rundfahrt in den Palmarès stehen - und noch aus Zeiten beim Team Milram einen Tag im Bergtrikot beim Giro d'Italia 2010, das er damals mit einer ganz ähnlichen Aktion wie nun in der Normandie eroberte.

Voß' Leistung gefällt aber auch seinem Teammanager Ralph Denk besonders. Der Zweitligist Bora fährt seit 2014 dank einer Wildcard regelmäßig bei der Tour, aber bald strebt er höhere Weihen an. Vor der Tour gab der Rennstall bekannt, dass als zusätzlicher Titelsponsor der Sanitärausstatter Hansgrohe einsteigt, der Etat dürfte auf einen zweistelligen Millionenbetrag ansteigen. In die erste Liga aufsteigen und dort um Siege mitfahren, hat Denk schon als Devise ausgegeben. Da ist Voß' Tag im Punktetrikot doch schon mal eine gute Basis - auch wenn er das Hemd am Sonntag auf der zweiten Etappe mit einem schweren Finale nach La Glacerie nahe Cherbourg wohl wieder abgeben muss.

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