Tour de France:Corona ist zurück im Sattel

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Unsichtbare Gegner: Mitfavorit Jonas Vingegaard und sein Teamkollege Matteo Jorgenson (oben) versuchen sich vor Viren zu schützen. (Foto: Daniel Cole/AP)

Mehrere abgereiste Fahrer, ein freihändiger Umgang mit Testergebnissen, Maskenpflicht im Start- und Zielbereich: Die Tour de France ist die erste große Sportveranstaltung seit Langem, bei der Corona wieder eine zentrale Rolle spielt.

Von Johannes Aumüller, Plateau de Beille/Nimes

Remco Evenepoel war die Sorge schon vor dem Start der Rundfahrt anzumerken. Zwei Tage vor der Auftaktetappe der Tour de France saß der belgische Podestanwärter in Florenz auf einem Podium. Und so bemerkenswert wie seine offensiven Äußerungen war sein Äußeres; der 24-Jährige saß dort nämlich mit einer roten Maske. Keine Sorge, es gehe ihm gut, lautete Evenepoels Botschaft, das sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Der Belgier hat schon sehr spezielle Erfahrungen gemacht mit dem Corona-Thema. Im Vorjahr musste er nach einem positiven Test den Giro d’Italia als Gesamtführender verlassen. Nun wolle er sich bestmöglich schützen, sagte er.

Evenepoel ist schon länger nicht mehr allein mit seiner Sorge. Vielmehr entwickelt sich die Tour de France zur ersten sportlichen Großveranstaltung seit Langem, bei der Corona ein prägendes Thema ist. Seinen gesellschaftlichen Schrecken hat das Virus zwar längst verloren, aber auf dass aktuelle Vermögen von radikal optimierten Hochleistungskörpern, die jeden Tag irre Anstrengungen durchstehen müssen, kann es sich selbstredend auswirken. Mehrere durchaus prominente Fahrer sind aus der Frankreich-Schleife schon ausgestiegen, die Vorsichtsmaßnahmen im Tross werden erhöht – und es wachsen die Debatten über den richtigen Umgang und die Frage, ob Corona auch den sportlichen Verlauf beeinflussen wird.

Pogacar hat sich infiziert, doch das Virus durchkreuzte nicht seine Pläne

Dabei touchierte das Virus das Peloton schon vor ein paar Wochen. Da infizierte sich der Slowene Tadej Pogacar, einer der beiden großen Favoriten auf den Tour-Sieg. Doch er gab zu verstehen, dass alles problemlos verlaufen sei und das Virus seinem Plan, seinen dritten Gesamtsieg bei einer Tour und als erster Fahrer seit Marco Pantani 1998 das Double aus Giro und Tour anzusteuern, nicht im Wege stehe. Dafür musste kurz vor der Schleife der Amerikaner Sepp Kuss absagen, der wichtigste Adjutant von Jonas Vingegaard (Team Visma) – Pogacars größtem Rivalen. So richtig wurde Corona aber erst ein Thema, als sich ab Mitte der Woche die Fälle häuften.

Zunächst zog sich der Däne Michael Morkow zurück, beim Team Astana Anfahrer von Rekordsprinter Mark Cavendish. Dann erwischte es zwei Pedaleure, denen im Kampf ums Gelbe Trikot und die Podiumsplätze ursprünglich Rollen als Edelhelfer zugedacht waren: Der Spanier Juan Ayuso aus Pogacars UAE-Team stieg am Freitag aus, ein Tag später folgte Tom Pidcock, britischer Mountainbike-Olympiasieger und in der Ineos-Equipe Assistent von Carlos Rodriguez. Für die Königsetappe durch die Pyrenäen am Sonntag gab es zwar keine weiteren Abmeldungen, aber es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis weitere Fälle auftreten. „Es ist im Feld drin, und entweder man bekommt es oder eben nicht“, sagte der deutsche Sprinter Pascal Ackermann der ARD.

Im Peloton hört man ein ständiges Geschniefe und Gehuste

Den Verantwortlichen ist klar, wie anfällig ihr Sport dafür ist, dass sich Sportler anstecken. In einem Peloton hängen viel mehr Menschen auf viel engerem Raum zusammen als in vielen anderen Sportarten. Eine 200 Kilometer lange Etappe ist nicht nur ein einziges Gekurbel und Gebremse, sondern auch ein ständiges Geschniefe und Gehuste. Im Vorjahr führte das beim Giro dazu, dass neben Evenepoel mehr als vier Dutzend weitere Fahrer ausstiegen; manche nach Positivtests, manche aus reiner Vorsicht, um kommende Rennen nicht zu verpassen.

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Es gibt inzwischen keine festen Protokolle mehr wie noch in der Hochzeit der Pandemie. Damals wurden bei der Tour, zentral überwacht, regelmäßig verordnete Tests vorgenommen, und es galten strikte Regeln: Waren zwei Fahrer oder Betreuer eines Teams positiv, wurde die komplette Mannschaft aus dem Rennen genommen. Aktuell gibt es kein gesteuertes Testwesen mehr, jedes Team kann dies mehr oder minder so handhaben, wie es das möchte. Es muss auch niemand einen Positivtest melden; und jedes Team kann einen Fahrer im Feld belassen, wenn der zwar positiv, aber im Wesentlichen fit ist.

Stattdessen betonen alle Mannschaften, wie penibel ihre Hygieneprotokolle seien. Auch werden manche Sportler schon mal im Auto zum Start kutschiert statt im Bus. Am Sonntag erließ die Tour-Organisation dann sogar eine neue Verordnung. In der Mixed-Zone für Reporter und Fahrer sowie in den abgegrenzten Bereichen an Start und Ziel, in denen vor und nach dem Rennen die Mannschaftsbusse stehen und die Fahrer abfahren und ankommen, gilt in der finalen Rennwoche eine Maskenpflicht.

So war es auch im Vorjahr für eine Weile geregelt – und führte bisweilen zu skurrilen Szenen. Denn die Tour de France versteht sich als volksnahes Kulturgut; und dazu gehört auch, dass die Fans den Fahrern bei Start und Ziel sehr nahekommen können. Nur von einem Absperrgitter getrennt stehen die Zuschauer bei den Bussen, selbstverständlich maskenlos. Weshalb viele Vertreter des Pelotons die Regel so unsinnig fanden, dass sie das mit dem Tragen der Maske gleich sein ließen.

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