Tour de France:Das Virus tröpfelt ins Peloton

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Der Franzose Guillaume Martin musste am Sonntag nach einem Positivtest die Tour beenden. (Foto: Nico Vereecken/Panoramic International/Imago)

Nach den ersten Positivfällen im Fahrerfeld wächst die Sorge vor einem Corona-Chaos bei der Tour. Und bisher waren die Tests sogar noch freiwillig - das ändert sich erst an diesem Montag.

Von Johannes Aumüller

Kurz vor dem Start der sonntäglichen Etappe nach Châtel hat es dann den bisher prominentesten Fahrer erwischt. Guillaume Martin, 29, zählt zu den besten französischen Kletterern bei der Frankreich-Rundfahrt, auf Bergetappen ist er immer für den Tagessieg gut und in der Gesamtwertung zumindest für einen Platz unter den besten zehn. Martin gilt als der Philosoph des Pelotons, weil er an der Universität die Schriften von Nietzsche und Sokrates studierte; und weil er sogar mal ein Buch vorgelegt hat, in dem er das Pedalieren und das Philosophieren miteinander verknüpft. Aber seit Sonntagmittag ist die Rundfahrt für Guillaume Martin vorbei - wegen eines positiven Corona-Tests.

Ein paar Tage lang ist das Virus erstaunlich zielsicher nur um das Fahrerfeld herumgetänzelt. Vor der Rundfahrt hatte sich ein halbes Dutzend Athleten kurzfristig zurückgezogen, aber dann hat es in der Auftaktwoche nur Betreuer erwischt, Sportliche Leiter, Presseverantwortliche. Doch seit dem Samstag ist unverkennbar, dass das Virus auch in die ursprünglich 176 Mann starke Aktivenschar hineingetröpfelt ist. Zunächst musste der Franzose Geoffrey Bouchard (AG2R) das Rennen verlassen, dann der Norweger Vegard Stake Laengen, in der UAE-Mannschaft ein wichtiger Helfer des in der ersten Woche so dominant aufgetretenen Titelverteidigers Tadej Pogacar; und am Sonntag gesellte sich noch der Philosoph Martin dazu.

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Der Berliner rollt in der ersten Alpenetappe ins Rampenlicht. Der Luxemburger Bob Jungels gewinnt, Tadej Pogacar bleibt Gesamtführender - und Corona-Sorgen das prägende Thema.

Von Corona gestoppt: Der Radsportler Geoffrey Bouchard (AG2R/Citroën). (Foto: Sirotti Stefano/Imago)

Und zu diesen Fällen kommt nun ein Termin am Montag, der für das Peloton einen ähnlichen Scharfrichter-Charakter hat wie sonst nur die Kehren des Tourmalet oder des Galibier. Denn in den ersten Tour-Tagen war es den Mannschaften freigestellt, ob sie die Fahrer testen oder nicht - und es soll, wie aus dem Peloton verlautet, durchaus Mannschaften gegeben haben, die es auch eher nachlässig und unregelmäßig taten. Theoretisch war es bisher sogar möglich, ein positives Ergebnis nicht zu melden. Am Ruhetag aber ist ein Test Pflicht. Und das wäre schon eine bemerkenswerte neue Virusvariante, wenn sich in einem Feld von 176 Aktiven nur drei Fahrer und ein paar Betreuer anstecken würden. Die Fahrer sind ja nicht nur im Wettkampf eng beieinander, sondern auch davor und danach in den Bussen und Hotels.

Dass das Virus den Höhepunkt des Radsportjahres prägen könnte, das ist spätestens seit dem Moment die große Sorge im Peloton, als die zur Vorbereitung genutzte Tour de Suisse im Juni zum Corona-Event mutierte. Nur zirka die Hälfte der ursprünglich 152 gestarteten Fahrer kam da ins Ziel, wobei nicht alle positiv getestet waren, sondern sich der eine oder andere auch aus Vorsicht zurückzog, um den Tour-Start nicht zu gefährden. Und die Rundfahrt läuft insgesamt nicht mehr so abgeriegelt ab wie in den beiden Vorjahren, die Fans und auch die medialen Begleiter können wieder näher ran an den ganzen Tross.

"Covid kann die ganze Tour ruinieren", sagt Titelverteidiger Pogacar

Auch vor diesem Hintergrund zimmerten die Verantwortlichen des Rad-Weltverbandes (UCI) und der Tour de France (Aso) hektisch ein paar Regeländerungen, um die Corona-Situation für die Frankreich-Schleife abzumildern. Statt der sensiblen PCR- sind jetzt Schnelltests ausreichend. Die Regel, dass eine Mannschaft automatisch aus dem Rennen aussteigen muss, wenn zwei ihrer acht Starter positiv getestet werden, wurde abgeschafft. Zudem kann ein Fahrer nun sogar mit einem Positivresultat im Rennen bleiben, wenn die Mediziner des Teams, der Aso und der UCI zum Schluss kommen, dass er nicht mehr infektiös sei und keine Symptome habe.

Diese Regel mag ja einen sinnvollen Hintergrund haben, und der Luxemburger Bob Jungels (AG2R), Tagessieger bei der ersten Alpenetappe am Sonntag, profitierte davon schon in der ersten Woche. Aber es dürfte dennoch spätestens in dem Moment spannend werden, wenn es einen der absoluten Top-Fahrer erwischt - und wenn dann nicht nur medizinische, sondern sportpolitische Fragen darüber entscheiden werden, ob ein Fahrer im Rennen bleiben kann oder nicht.

Gerade in der Equipe des Titelverteidigers Pogacar ist das Thema besonders präsent, nicht nur wegen des Ausfalls von Laengen, der insbesondere im flachen Terrain als Tempobolzer so ungemein wichtig ist. Schon knapp vor der Tour war Matteo Trentin kurzfristig ausgefallen, nachnominiert wurde dafür der Schweizer Marc Hirschi, der seinerseits kurz zuvor mit Corona infiziert war und erkennbar nicht in Form ist. Und Kapitän Pogacar sorgt sich durchaus: "Jeden Tag schreien einen die Leute an den Anstiegen an, was ich mag. Aber es steigert die Wahrscheinlichkeit, sich mit Viren anzustecken", sagte der Slowene am Samstag, als der Positivbescheid seines Teamkollegen Laengen publik wurde. Er hoffe, dass es das damit für sein Team gewesen sein. "Covid ist nicht mein größter Rivale. Es kann aber die ganze Tour ruinieren."

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