Tour de France: Alexander Winokurow:Die Rückkehr des Draufgängers

Alexander Winokurow ist auch mit fast 37 Jahren wieder der spektakulärste Fahrer im Feld der Tour de France und triumphierte in Revel nicht nur sportlich. Hinter seiner Kunst stecken viele Geheimnisse.

Andreas Burkert

In der tiefsten Provinz machte Alexander Winokurow endgültig seinen Frieden mit der Welt. Die Tour hielt an in der kleinen Isère-Gemeinde Revel, vor einem baufälligen Ärztekomplex und einem nicht minder grauen Wohnblock hatten sie das Podium hingestellt. Die Menschen sind glücklich gewesen, als sie Winokurow sahen, viel ist sonst hier nicht los. Das Vergnügen beruhte ganz auf Gegenseitigkeit.

Tour de France 2010 - Alexander Winokurow

"Über Vergangenheit rede ich nicht.": In Revel feierte der ehemalige Dopingsünder Alexander Winokurow nicht nur einen sportlichen Triumph, sondern auch den über seine Geschichte.

(Foto: dpa)

Winokurow trug zwar hinterher Prada-Turnschuhe und lebt in Monaco, aber ein gediegeneres Ambiente für seine Rückkehr auf die große Bühne hatte er nicht vermisst. Als Familienmensch ohne Allüren ist der Kasache bekannt im Feld, den die Schinderei früher auf der Sportschule in Alma Ata geprägt hat. Und obwohl bisweilen hinter seiner Kunst noch andere Geheimnisse steckten, stellte zumindest in Revel niemand seinen Ruf als spektakulärster Rennfahrer infrage. Dort holte er also am Samstag den ersehnten Etappensieg mit seiner draufgängerischen Art. Hinterher sagte er feierlich: "Das ist der schönste Erfolg meiner Karriere."

Er wird ihn als süßesten Sieg seiner Laufbahn begreifen, nachdem er vor drei Jahren von der Tour de France flüchtete mit seinem Skandalteam Astana. Zweimal war ihm Fremdblutdoping nachgewiesen worden, darunter nach dem Zeitfahrsieg von Albi. Die Polizei stürmte das Teamhotel. Winokurow türmte. Zum Jahresende erklärte er verbittert seinen Rücktritt und leugnete weiter alles, sprach von "Verschwörung" - wie auch voriges Jahr, als er beim Tourstart in Monaco eine Pressekonferenz gab und sein Comeback nach der Sperre ankündigte.

Kasachischer Nationalheld

Natürlich ist er wieder bei Astana untergekommen, dem Projekt kasachischer Geldgeber und Staatsfirmen. Wahrscheinlich ist der Nationalheld dort nie ganz weg gewesen, nur für ihn hatten ja die Landsleute 2006 aus der damaligen Dopingtruppe Liberty die neue Mannschaft aufgebaut. Als es zuletzt Finanzprobleme gab, griff Staatspräsident Nasarbajew ein und rettete über einen kasachischen "Generalsponsor" die Lizenz.

Vergangenes Jahr zankten in den türkisblauen Trikots noch Lance Armstrong und der schließlich siegreiche Spanier Alberto Contador, der nun mit Winokurow ein "Dream Team" bildet (Teamchef Yvon Sanquer) - oder eben ein fragwürdiges Doppel, je nach Sichtweise. Revel hat die beiden Kapitäne intern wieder vereinigt. Tags zuvor hatte noch eine Entwicklung wie bei Armstrong und Contador gedroht, die zwei bekriegten sich 2009, weil der Madrilene es wagte, besser zu sein als der zurückgekehrte Texaner.

Unterstützung für Contador

Auf dem Flugplatz von Mende hatte sich Winokurow am Freitag schon als Sieger gesehen. Doch als ihm der spätere Tagessieger Joaquin Rodriguez nachfuhr, stiefelte auch Contador hinterher - und machte als Zweiter im Ziel vor Winokurow zehn Sekunden auf das Gelbe Trikot von Andy Schleck gut. Der neue Astana-Direktor Sanquer erklärte den Tabubruch mit "Problemen bei den Kopfhörern". Mit der Funkverbindung habe das weniger etwas zu tun gehabt, nuschelte Winokurow. "Das war kein Problem der Ohren, sondern der Augen - jeder hat doch gesehen, dass ich vorne war, oder?"

Doch in Revel war das alles vergessen, Winokurow genoss den Triumph über seine Geschichte und den Applaus, der ihm in Frankreich sicher ist wegen seines Fahrstils. Im April, nach seinem Sieg bei Lüttich - Bastogne, haben ihn die Menschen noch ausgebuht, und anschließend musste er sich mal wieder unangenehme Fragen gefallen lassen: Ob er im Frühjahr beim Höhentraining auf Teneriffa wieder mit Dopingarzt Michele Ferrari zusammengearbeitet habe, solche Dinge. Das Wetter und das Essen zögen ihn dorthin, gab Winokurow genervt zurück, er trainiere seit 2007 allein. Demnach nicht also mehr mit Ferrari oder mit Lothar Heinrich, dem Dopingdoc des einstigen Telekom-Rennstalls, der früher ebenfalls sein "Höhentraining" organisierte.

Ja, und wie war das nun 2007, glaube er immer noch an Verschwörung, und bereue er nun den Betrug? "Über die Vergangenheit rede ich nicht", sagte Winokurow, "hier ist ein neuer Wino." Es zähle nur noch die Zukunft, nach der Genugtuung des Etappensieges bei seiner Rückkehr will er nun Contador gegen Schleck unterstützen. Schon am Sonntag tat er das beim Entrée in den Pyrenäen, wie eine Lok spannte er sich auf dem Weg zur Skistation Ax3-Domaines vor Contador. Der fuhr dann später wieder Sprints gegen Schleck, der jedoch zweimal parierte. Die Show beinhaltete sogar einen Stehversuch - die Podiumskandidaten Denis Mentschow und Samuel Sanchez interessierten diese zwei einfach nicht.

Der Tagessieg ging an Ausreißer Christophe Riblon, 29, aus Frankreich. Winokurow wurde guter 13., obwohl er sich den dritten Tag hintereinander verausgabt hatte. Mit fast 37 ist er bemerkenswert gut in Schuss, erst recht in seinen schnieken Turnschuhen. Sie sind natürlich porentief weiß.

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