Tour de FranceSchnullersieg und schwere Stürze

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Schwerer Sturz kurz vor dem Ziel: Die erste Etappe bedeutete für manche schon das Ende ihrer Tour-Hoffnungen.
Schwerer Sturz kurz vor dem Ziel: Die erste Etappe bedeutete für manche schon das Ende ihrer Tour-Hoffnungen. (Foto: Anne-Christine Poujoulat/Reuters)

Der Auftakt der 108. Tour verläuft turbulent: Es gibt zwei schwere Stürze, einige Podiumsanwärter verlieren viel Zeit - und der Publikumsliebling Julian Alaphilippe sichert sich das erste Gelbe Trikot.

Von Johannes Aumüller, Landerneau/Frankfurt

Es sind insbesondere zwei Bilder, die bleiben nach diesem chaotischen Auftakt der Tour de France. Das eine zeigt Julian Alaphilippe, den Liebling der Franzosen und Draufgänger vom Dienst im Peloton. Am finalen Anstieg tritt der Weltmeister an, es ist eine seiner typischen Attacken, mit der jeder rechnen musste und die doch keiner parieren kann. 2,3 Kilometer zieht Alaphilippe durch, und mit seinem obligatorisch schmerzverzerrten Gesicht steckt er sich kurz vor der Ziellinie noch den linken Daumen in den Mund - als Gruß an seinen erst kürzlich geboren Sohn. Sekunden später ist ihm das Gelbe Trikot gewiss.

Ein Franzose im Maillot Jaune, das versetzt die Grande Nation immer in besondere Wonne; erst recht, wenn es sich um den tollkühnen Loulou handelt, dessen private Glücks- und Schmerzerlebnisse sich immer auch in der Tour spiegeln.

Liebling der Franzosen: Julian Alaphilippe, hier bei seinem Etappensieg 2021.
Liebling der Franzosen: Julian Alaphilippe, hier bei seinem Etappensieg 2021. (Foto: Christophe Petit-Tesson/dpa)

Und das zweite prägende Bild? Das entsteht zirka 45 Kilometer vor dem Ziel. Das Feld rollt da noch vergleichsweise kompakt und geordnet dahin, doch plötzlich taucht auf der aus Feldsicht rechten Fahrbahnseite eine Frau mit einem großen Schild auf. "Allez Opi Omi" steht darauf, es ist einer dieser vielen netten Grüße, die bei Tour-Etappen traditionell in die Kameras gehalten werden. Aber dieses Salut an die Grand-Parents hat fatale Folgen, denn die Frau schaut nur dem TV-Motorrad hinterher und achtet nicht auf das heranrasende Peloton hinter sich, der Deutsche Tony Martin kracht gegen das Plakat und in der Folge geht fast das halbe Feld zu Boden.

"Das war sehr unnötig", sagt Tony Martin, der gegen das Schild der Zuschauerin krachte

Stürze und chaotische Zustände sind eine klassische Zutat der ersten Tour-Tage, wenn das Peloton noch so nervös ist. Im Vorjahr schwang sich ob der vielen Ausrutscher auf den ölig-nassen Straßen rund um Nizza der Routinier Martin sogar zu einer Art Feldpolizist auf, der dem kompletten Peloton eine Art Waffenstillstand verordnete, um wieder sicher an die Mittelmeer-Promenade zu kommen. Noch am Tag vor dem Start der aktuellen Tour mahnte er vor schlecht gesicherten Strecken, jetzt erwischte es ihn gleich so, dass er nur mit blutenden Armen weiterfahren konnte. "Ich habe gesehen, wie sie mit der Kamera mitgegangen ist. Für mich war kein Platz und keine Reaktionszeit mehr da", sagte Martin: "Das war sehr unnötig. Wir hatten alles unter Kontrolle, wir müssen einfach davon ausgehen, dass die Zuschauer Platz machen."

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:Revanche mit neuem Akzent

Bei der Tour de France deutet viel auf eine Wiederholung des Duells zwischen Tadej Pogacar und Primoz Roglic hin. Doch der Parcours ist diesmal anders - und das britische Team Ineos gleich mit drei Spitzenfahrern am Start.

Von Johannes Aumüller

Es kommt bei der Tour diesmal besonders geballt, denn nach dem Schilderstreich gibt es 7,5 Kilometer vor dem Ziel noch einen weiteren Crash, und das führt in der Summe nicht nur zu einer langen Verletztenliste und dem Aus von Jasha Sütterlin (DSM). Die Hektik des Tages hat auch schon gravierende Folgen für die Gesamtwertung, weil diverse Podiumsanwärter Zeit verlieren: Der Kolumbianer Miguel Angel Lopez (Movistar) kommt mit fast zwei Minuten Rückstand ins Ziel, ebenso wie der Franzose Guillaume Martin oder der deutsche Kletterspezialist Emanuel Buchmann, wenngleich der offiziell diesmal nur als Helfer unterwegs ist. Und beim britischen Team Ineos ist die Strategie, auf gleich vier starke Fahrer zu setzen, auch schon dahin: Der Routinier Richie Porte (+2:16 Minuten) und der Giro-2020-Sieger Tao Geoghegan Hart (+5:33) gehörten zu den großen Verlierern des Tages.

Auch am Ende der zweiten Etappe gibt es einen schweren Anstieg

So gravierende Rückschläge für gleich so viele ambitionierte Fahrer gab es am Auftakt-Wochenende einer Frankreich-Rundfahrt wohl nicht mehr, seitdem die Tour-Macher 1999 auf die Idee gekommen waren, das Peloton über die berüchtigte Passage du Gois zu schicken, ein Pflasterweg, der das Festland mit der Atlantik-Insel Nourmoutier verbindet, der nur bei Ebbe befahrbar ist - und der vor 22 Jahren blöderweise noch ziemlich glitschig war, als das Peloton ankam. Neben den illegalen Fitmachern waren die sechs Minuten, die Lance Armstrong an jenem Tag auf Alex Zülle gutmachte, mitentscheidend für seinen ersten von sieben, später allesamt wegen Dopings aberkannten Tour-Siegen.

Ganz so krass wirken sich die Stürze diesmal nicht auf die Architektur des Rennens aus. Die beiden slowenischen Hauptfavoriten Tadej Pogacar (UAE) und Primoz Roglic (Jumbo), die im Vorjahr die Plätze eins und zwei belegten, kamen nur kurz nach Alaphilippe ins Ziel, ebenso die beiden anderen Ineos-Leader Geraint Thomas und Richard Carapaz. Und am Sonntag haben sie direkt die Gelegenheit zur Revanche. Auch die zweite Etappe ist extrem hügelig konzipiert, und am Schluss wartet wieder ein so schwerer Anstieg wie in Landerneau: die Mûr-de-Bretagne, zwei Kilometer lang, durchschnittlich 6,9 Prozent steil, und von den Fahrern gleich zweimal zu bezwingen. Auch diesmal dürften das Finale vor allem jene Fahrer bestimmen, die in der Gesamtwertung große Ambitionen haben. Der erste Tag für die Sprinter, die sonst die ersten Tour-Etappen bestimmen, steht erst am Montag an.

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