Tour de France:Das lange Warten auf einen deutschen Etappensieg

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Nebendarsteller: Pascal Ackermann (links) musste sich bei der Tour bislang den Topsprintern wie Jasper Philipsen (mittig) und Biniam Girmay (rechts) geschlagen geben. (Foto: Jerome Delay/AP)

Schon seit 2021 haben die deutschen Radprofis bei der Tour de France keine Etappe mehr gewonnen – bei der diesjährigen Auflage schrammen Pascal Ackermann und Phil Bauhaus knapp daran vorbei. Der Trend hat Gründe, aber eine Chance bleibt ihnen noch.

Von Johannes Aumüller, Superdévoluy/Nimes

Der Empfang im Ziel in Nimes hätte für Pascal Ackermann herzlicher kaum sein können. Eine Gruppe Fans stand in der Nähe des Teambusses bereit, und als der blonde Sprinter frisch geduscht aus dem Wagen stieg, stimmten sie einen kleinen Begrüßungsjubel an und präsentierten diverse Pappschilder. „Pascal, hol dir das Ding“, war da etwa zu lesen. Ackermann lächelte erkennbar gerührt, setzte dann erst einmal die Fragerunde bei den Journalisten fort, ehe er die paar Schritte zu seinen Anhängern unternahm.

Er sei schon etwas „enttäuscht“, sagte der 30-Jährige, der oft so gut gelaunt rüberkommt. Die Ankunft in Nimes war für den Mann aus dem Team Israel-Premier Tech die letzte Chance bei dieser Tour gewesen, den ersehnten Etappensieg zu holen – am Ende reichte es nur zu Platz sechs. 6, 9, 4, 3, 3, 3, 6, so lautet Ackermanns Bilanz in den Sprintankünften bei seinem Tour-Debüt. „Mir fehlt so ein bisschen der letzte Kick“, findet er. Immerhin erhob ihn Kollege und Rivale Phil Bauhaus in den Rang des „besten deutschen Sprinters“ bei der Tour, obwohl besagter Bauhaus in Nimes auf Platz zwei hinter Jasper Philipsen den besseren Tagesrang einfuhr. „Es war gut, dass ich mal so einen Ausreißer hatte“, sagte Bauhaus.

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Es ist generell keine Tour de France, bei der deutsche Fahrer allzu oft um Etappensiege kämpfen. Das passt durchaus in den Trend der vergangenen Auflagen. In den Nuller- und Zehnerjahren gab es fast jährlich mindestens einen deutschen Etappensieg; nun hält das Warten drei Auflagen an, seit Nils Politt 2021 im Solo in Nimes siegte. Über die Jahre hat sich der deutsche Anteil im Starterfeld etwas verkleinert, diesmal sind noch acht Fahrer dabei, das ist nur knapp über dem Negativwert dieses Jahrtausends (sieben). Und diejenigen, die dabei sind, sind oft in Rollen gefangen, in denen sie ihre Kapitäne unterstützen müssen.

Die Sprinter genießen im deutschen Radsport traditionell einen besonderen Stellenwert

Klassikerspezialist Politt, 30, etwa ist bei UAE ein wichtiger Teil für den Gelb-Zug von Tadej Pogacar. Der im Vorjahr noch oft in Fluchtgruppen präsente Georg Zimmermann, 26, ist nun primär Bodyguard von Biniam Girmay, der ums Grüne Trikot kämpft (und trotz eines Sturzes in Nimes zunächst weiterfuhr). Allenfalls auf dem hügeligen Parcours am Donnerstag ergeben sich für die Ausreißspezialisten Chancen. Bisher sind Ackermann und Bauhaus zumindest mit Blick auf die Platzierungen die auffälligsten Deutschen. „Ich glaube, dass beide das Maximale aus dem, was sie als Sprinter können, rausgeholt haben“, sagt Marcel Kittel, früher 14-maliger Etappensieger bei der Tour. Pedaleure wie Girmay und Philipsen waren meist noch stärker.

Die Sprinter genießen im deutschen Radsport traditionell einen besonderen Stellenwert. Das war schon in den Zeiten von Erik Zabel so, der sechsmal das Grüne Trikot gewann und zwölf Tagessiege holte – und erst recht nach dem großen Dopingcrash. Da waren es, neben Zeitfahrer Tony Martin, vor allem Kittel und André Greipel (elf Tagessiege), die deutsche Meriten bei der Tour sammelten. Inzwischen liegt der letzte Sprintsieg eines Deutschen bei der Frankreich-Schleife sieben Jahre zurück.

Schon ein bisschen "enttäuscht": Pascal Ackermann verpasste bei dieser Tour bislang den erhofften Etappensieg. (Foto: Dirk Waem/dpa)

Ackermann, vor ein paar Jahren eine große Hoffnung, hat zuletzt einen schlängelnden Weg genommen. 2019 holte er als erster Deutscher die Punktewertung beim Giro d’Italia, sowohl bei der Italien- wie bei der Spanien-Rundfahrt gelangen ihm Etappensiege. Dann begannen ein paar maue Jahre, sowohl beim Team Bora, wo es im Knatsch auseinanderging, als auch bei UAE, wo vieles auf den Erfolg von Pogacar ausgerichtet ist. Jedenfalls musste Ackermann beim Jahreshöhepunkt Tour zusehen; das Debüt gab es erst nach seinem Umzug zu Israel-Premier Tech.

Bauhaus, ebenfalls 30, hat schon im Vorjahr sein Tour-Debüt gegeben, und beileibe kein schlechtes. Zwar war er erst einmal auf andere Weise aufgefallen: Die ARD hatte in einem Beitrag die Dopingsituation im Peloton und die Ermittlungen rund ums Team Bahrain thematisiert und dafür auch Bauhaus befragt, der seit 2019 dort unter Vertrag steht – danach wollte Bauhaus erst einmal nicht mehr mit der ARD reden. Im Laufe der Tour fuhr er dann noch dreimal aufs Podium. Sein bislang größter Erfolg ist ein Triumph bei Tirreno-Adriatico, er gilt gemeinhin nicht als allerschnellster Sprinter, doch gerühmt wird seine Fähigkeit, sich im Sprint gut zu positionieren – so wie in Nimes.

Regelmäßige Siege? Wird es laut Marcel Kittel erst einmal nicht geben

Aber reicht das, um bei der Tour auch mal ganz nach vorne zu spurten? „Ich will nicht die Partystimmung vermiesen, aber die Wahrheit ist: Es fehlten bei der Tour noch drei andere Topsprinter“, sagt Fachmann Kittel – und denkt dabei an Tim Merlier (Soudal), Jonathan Milan (Lidl-Trek) und Olav Kooij (Visma). „Wenn die auch noch dabei sind, wird es für die deutschen Sprinter schon sehr, sehr schwer. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber diese Regelmäßigkeit, die werden wir nicht zurückbekommen.“

Ackermann sieht es mit Blick durch die deutsche Brille so: „Wir sind alle ganz froh, dass wir die Aufmerksamkeit auf die Fahrer aufgeteilt haben.“ Für den restlichen Verlauf dieser Tour wird das aber nicht mehr gelten, denn für die meisten Sprinter ist die Rundfahrt nun gelaufen. Das traditionelle Sprintfinale auf den Champs Élysées fällt wegen der Olympischen Spiele in der Hauptstadt aus; stattdessen endet die Tour mit einem Zeitfahren in Nizza. Und bis dahin sind nur noch bergige Etappen zu absolvieren. Bauhaus ist am Mittwoch deshalb ausgestiegen, Ackermann will durchfahren, sofern es die Gesundheit zulässt. Er sagt: „Vielleicht war es besser, dass ich diesmal keine Etappe gewonnen habe – damit ich nächstes Jahr noch stärker wiederkomme.“

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