Tour de France 2009:Düpiert wie Anfänger

Der bei Astana weiterhin schwelende Zwist zwischen den Teamkollegen Alberto Contador und Lance Armstrong wird erst in den Alpen entschieden werden.

Andreas Burkert

Vermutlich sind sie hier am besten aufgehoben, auch wenn keine Geheimnisse aus dem Campingwagen nach außen dringen dürften. Dort, wo der Weltverband seine Auserwählten nach jeder Tour-Etappe zur Dopingprobe empfängt - dort dürften sie Lance Armstrong und Alberto Contador nach Ansicht von Wissenschaftlern und Kronzeugen kaum auf die Schliche kommen, sofern die Herren nach ihren jeweiligen Vorgeschichten noch zur verbotenen medizinischen Unterstützung greifen. Doch ob, und wenn ja, was sie dort sprachen am späten Samstagnachmittag in Saint-Girons, dem Zielort im Ariège, wenigstens das hätte man gern erfahren. Armstrong und Contador, die zusammen zur Kontrolle mussten, behielten jedoch mal wieder ihre Geheimnisse für sich.

Tour de France 2009: Rivalen mit dem gleichen Dress: Alberto Contador (vorne) und Lance Armstrong.

Rivalen mit dem gleichen Dress: Alberto Contador (vorne) und Lance Armstrong.

(Foto: Foto: AP)

Es sind schon seltsame Bilder, die Team Astana zurzeit liefert. Bei der Einschreibeprozedur des achten Abschnitts (Fluchtsieger: der Spanier Luis Léon Sanchez, der den Erfolg seinem gesperrten Caisse-Kompagnon Valverde widmete) in Andorra waren die neun Fahrer zwar zusammen aufs Podium am rauschenden Valira-Fluss gekommen. Allerdings blieb ihnen bis Samstag auch gar nichts anderes übrig, da sie die Teamwertung anführten und jeden Morgen neun rote Plüschtiere in die Hand gedrückt bekamen. Die Tiere flogen dann im hohen Bogen ins Publikum, ehe die neun in ihren Rennschuhen wieder die Treppen hinunterstöckelten und bis zum Start ihrer Wege gingen. Wortlos, meist jeder für sich; oder eben in jenen Grüppchen, deren Existenz das Zusammenleben dominiert bei jenem Rennstall - der zurzeit drei Profis unter den ersten Vier platziert hat und wahrscheinlich den Sieger stellen wird.

Am Freitag in Andorra hatten sich die zwei Teamrivalen noch einmal erklärt, dabei allerdings den längst offenkundigen Bruch bei Astana nur weiter ausgeschmückt. Nachdem Armstrong dem spanischen Kletterer auf der windigen Flachetappe nach Grande-Motte Zeit abgeknöpft hatte, revanchierte sich Contador mit dem Angriff vor Arcalis. Es habe keinen Plan zur Attacke gegeben, maulte Armstrong spitz nach dem ersten Erfrischungsgetränk. "Aber ich habe auch nicht erwartet, dass er sich an unsere Pläne hält." Contador, 26, meldete abends im Hotel, er habe doch nur etwas Zeit gutmachen wollen auf Konkurrenten wie Cadel Evans oder die Schleck-Brüder. Armstrong? Kam in seiner Rede nicht vor.

"Greif doch an, wenn du kannst"

Es muss eine aufwühlende Erfahrung für den Ehrgeizling Armstrong, 37, sein, dass ihm erstmals in seiner Karriere jemand auf der Straße nicht jenen Respekt entgegenbringt, den der siebenmalige Gesamtsieger erwartet. Das zweite Mal nach Montpellier verfehlte er nun schon hauchdünn das Gelbe Trikot, dessen Eroberung das Comeback vier Jahre nach dem Rücktritt bereits gekrönt hätte, wie aus seiner Entourage verlautet. Manager Johan Bruyneel, der die Siege von Armstrong und Contador (2007) begleitete, wirkt derweil vor dem neunten Erfolg düpiert wie ein Anfänger. "Es gab keine Ansage für Arcalis", musste der Belgier einräumen. Die Straße werde nun entscheiden, wer der Stärkste ist. Lacht da vielleicht am Ende doch noch ein Dritter?

Contador gegen Armstrong, das Publikum amüsiert der Kleinkrieg. "Greif doch an, wenn du kannst", überschrieb L'Équipe süffisant die Sonntagsausgabe; gemeint waren natürlich Contadors Gedanken an Armstrong. Der Amerikaner und auch Bruyneel, mit dem er seine Zukunft in einem neuen Team plant, sehen einstweilen ihrer ersten Niederlage bei der Tour entgegen. Armstrong dürfte, dies steht zu erwarten, irgendwann wortreich zur großen Gönnergeste ausholen, sofern sich Contadors Sieg nicht mehr verhindern ließe. Bislang hat er den Madrilenen nicht ansatzweise als Kapitän, der er offiziell bei Astana ist, bezeichnet.

Zeit zum Anschweigen

Am Sonntag versuchte Armstrong stattdessen bereits vor dem Col d'Aspin eine Tempoverschärfung. Wie ein leicht verzweifelter Angriff auf Gelb, das der italienische Profiteur des Zwists, Rinaldo Nocentini, trägt, sah das aus: Sogar Nocentini konnte folgen. Contador wirkte gelangweilt. Das Profil mit der langen Abfahrt nach dem Tourmalet sprach ohnehin für ein Stillhalteabkommen bis zu den Alpen, wo in der dritten Woche zwei Bergankünfte, darunter der Mont Ventoux, sowie ein Zeitfahren anstehen.

Von den beiden Ausreißern gewann in Tarbes der Franzose Pierrick Fédrigo vor dem Italiener Franco Pellizotti, sein Landsmann Nocentini bleibt knapp vor Contador und Armstrong in Gelb. Montag ist Ruhetag. Viel Zeit zum gepflegten Anschweigen.

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