Trainer-Aus bei Tottenham:Nur eine Kopie von Mourinho

Tottenham Hotspur: Trainer Nuno Espirito Santo im Jahr 2021

Nuno Espirito Santo wurde nach nur 17 Partien als Trainer von Tottenham Hotspur schon wieder entlassen.

(Foto: Nigel French/imago)

Im Sommer versprach die Chefetage von Tottenham die Rückkehr zum mitreißenden Offensivstil. Stattdessen entwickelte sich das Team unter der Leitung von Nuno Espírito Santo äußerst mies - nun muss der Trainer nach nur vier Monaten gehen.

Von Sven Haist, London

In gewisser Weise sprach es für sich, dass sich Daniel Levy, der Vorstandschef von Tottenham Hotspur, im knapp gehaltenen "Club Announcement" nicht selbst äußerte - sondern den erst im Juni installierten Fußballchef Fabio Paratici vorschickte. Im Sommer hatte Levy den Fans noch versprochen, dass er ihnen als Nachfolger des geschassten José Mourinho einen Trainer präsentieren wolle, der den "mitreißenden, offensiven und unterhaltsamen" Stil des langjährigen Erfolgscoachs Mauricio Pochettino zurückbringen werde. Doch dann empfahl der Italiener Paratici, zuvor in Diensten von Juventus Turin, nach einer 72-tägigen Trainersuche den Portugiesen Nuno Espírito Santo - und damit einen Mann, der die Wolverhampton Wanderers in vier Jahren mit einer pragmatischen Spielweise in der Premier League etabliert hatte.

Santos genau viermonatige Amtszeit bei den Spurs wirkte dann zuletzt auch fast wie eine Replik auf den destruktiven Spielstil seines prominenten Landsmanns - mit dem unrühmlichen Tiefpunkt vor Kurzem beim 0:3 im Duell mit Manchester United, als Tottenham erstmals seit 2013 in einem Heimspiel kein Schuss aufs Tor zustande brachte. Am Montagvormittag um 10.47 Uhr verkündete der Klub als Ergebnis einer internen Sitzung, dass Santo, 47, und drei Assistenten gehen müssen.

Tottenhams in fast allen Belangen stumpfer Auftritt gegen ManUnited stand stellvertretend für die bisherige Saison, in der Santo mit seiner Mannschaft fünf der ersten zehn Ligaspiele verlor, darunter die prestigeträchtigen London-Derbys gegen Arsenal, Chelsea und Crystal Palace mit jeweils drei Gegentoren. Tottenham ist derzeit Tabellenachter, der Rückstand auf Spitzenreiter Chelsea beträgt schon jetzt zehn Punkte. Mit schmalen neun Treffern stellt jener Klub, der die mitreißende Offensive an die erste Stelle seiner To-Do-Liste gesetzt hatte, nach Aufsteiger Norwich den zweitschwächsten Angriff der Liga. Das Sportmagazin The Athletic schrieb, dass diese Zahlen nur beweisen, was die Fans mit ihren eigenen Augen sehen würden: einen "furchtbaren" Fußball ihres Teams.

"We want Nuno out", skandierten die Fans zuletzt

Spätestens in der zweiten Halbzeit gegen United, bei der vorzeitigen Auswechslung des Angreifers Lucas Moura, ließen die Zuschauer ihrem Unmut freien Lauf: Pfiffe, Buh-Rufe und die Forderung nach einem Trainerwechsel ("We want Nuno out") hagelten durch das Stadion. Das Massenblatt Sun hatte die Partie bereits zuvor zum "El Sackico" (to sack: entlassen) deklariert, weil sich abzeichnete, dass im Falle einer Niederlage einer der beiden Trainer - Tottenhams Santo oder Uniteds Ole Gunnar Solskjaer - nicht zu halten sein würde. Es war dann das Vabanquespiel des Norwegers, das aufging: Solskjaer richtete die Strategie vorrangig auf Stürmer Cristiano Ronaldo aus, der leitete mit einem sehenswerten Volleytor (39. Minute) und einem gleichermaßen sehenswerten Steckpass für Sturmpartner Edinson Cavani (64.) den ungefährdeten Sieg ein. Das sicherte auch den Verbleib seines früheren Mitspielers - vorerst. Seit seiner Rückkehr nach Manchester hat sich die Beziehung zwischen Ronaldo und Solskjaer zu einer Art Schicksalsgemeinschaft entwickelt: In allen Ligapartien hat United nur gewonnen, wenn Ronaldo traf, gegen Newcastle, West Ham und nun Tottenham.

Mandatory Credit: Photo by Javier Garcia/Shutterstock (12578029bo) Tottenham Hotspur Manager Nuno Espirito Santo and Man; x

Manchesters Trainer Ole Gunnar Solskjaer (rechts) galt als gefährdet - entlassen wurde nun Tottenhams Nuno Espirito Santo.

(Foto: Javier Garcia/imago)

Ronaldos Rettungsaktion für Solskjaer bildete den treffenden Antagonismus zum Sturmkontrahenten Harry Kane, der auf der anderen Seite neben sich zu stehen wirkte. Als er einmal fast allein aufs Tor zulief, endete die Aktion in einer missglückten Flanke. Times-Kolumnist Tony Cascarino, ehemaliger Chelsea-Stürmer, fand, dass Kane nicht in der richtigen mentalen Verfassung sei und lieber aus dem Team genommen werden sollte. Unmittelbar vor dem Ende der Vorsaison hatte der Publikumsliebling seine Absicht formuliert, den Klub nach 17 Jahren, unterbrochen von einigen Ausleihen, endgültig verlassen zu wollen. Vorstand Levy hielt dem Werben um Kane, dessen Vertrag noch bis 2024 läuft, letztlich stand. Seither verläuft die Formkurve des Stürmers allerdings weit unter seinen Fähigkeiten: mit einem Premier-League-Treffer in neun Spielen.

Die seit einem halben Jahr anhaltenden Turbulenzen bei den Spurs begannen mit der Entscheidung im April, sich der europäischen Superliga anschließen zu wollen, die zwei Tage später wieder auf Eis gelegt wurde. Diesen Zeitpunkt des kollektiven Aufruhrs im Land nutzte Levy, um Mourinho eine Woche vor dem Ligapokalfinale vor die Tür zu setzen. Angeblich auch, weil Levy unbedingt verhindern wollte, dass just Mourinho, mit dem er sich persönlich überworfen hatte, den ersten Titel für die Spurs seit 2008 gewinnt. Als Interimstrainer übernahm damals Ryan Mason aus dem erweiterten Trainerstab die Geschicke. Dieses Mal soll es mit einem Nachfolger schneller gehen: Laut Medienberichten soll sich Tottenham mit dem Italiener Antonio Conte fast handelseinig sein. Der 52-Jährige war 2017 erst Meister der Premier League geworden - mit Stadtrivale Chelsea.

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