BVB-Gegner Tottenham:Auflistung des Schreckens

  • Gegen Dortmund muss Tottenham Hotspur in der Champions League einen 3:0-Vorsprung aus dem Achtelfinal-Hinspiel verteidigen.
  • Ausgerechnet jetzt sind die Spurs aber ähnlich schlecht drauf wie der BVB.

Von Sven Haist, Dortmund

An Borussia Dortmund dürfte Pierre-Emerick Aubameyang bei der Ausführung seines Elfmeters nicht gedacht haben. Warum auch? Wäre ihm am Samstag in der Nachspielzeit das Siegtor für den FC Arsenal im North London Derby bei Tottenham Hotspur (Endstand 1:1) gelungen, hätte ihn das zunächst mal in der Torschützenliste nach vorne gebracht - dort liegt er zwei Treffer hinter dem Argentinier Sergio Agüero von Manchester City.

In Dortmund liegt die Vergangenheit von Aubameyang. Für etwa 65 Millionen Euro Ablöse hatten die Londoner den gabunischen Angreifer im Winter 2018 aus seinem Vertrag beim BVB herausgelöst. Den Wechsel hatte der Stürmer regelrecht erzwungen mit monatelangen Provokationen gegen seinen Arbeitgeber.

Aubameyangs Gegenwart sah am Samstag in der Premier League so aus: Mehr oder weniger lustlos wirkte es, wie er gegen den Ball trat - prompt parierte Torwart Hugo Lloris für Tottenham den Strafstoß. Durch das gerettete Derbyremis reist Tottenham an diesem Dienstag zum Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zumindest mit dem Gefühl nach Dortmund, am Wochenende soeben noch das Gesicht gewahrt zu haben. Nach Niederlagen gegen Burnley und Chelsea halten die drittplatzierten Spurs zumindest Arsenal in der Tabelle noch auf Distanz.

Allerdings ist Manchester United auf drei Punkte herangerückt - es wird ein spannendes Finale in der Premier League, nicht nur um den Titel (ManCity gegen Liverpool), sondern auch um die Plätze drei und vier, die für die kommende Saison das Champions-League-Startrecht versprechen. Tottenham hat sein Polster fast verspielt, der Vorsprung auf die Verfolger betrug vor drei Wochen noch komfortable zehn Punkte.

Weil aber im Verlauf der Restsaison mindestens zwei sehr unangenehme Auswärtsfahrten zu Manchester City und zum FC Liverpool anstehen, ist Tottenham drauf und dran, die sicher geglaubte Qualifikation zu verspielen - so, wie die Spurs mit Trainer Mauricio Pochettino in fünf gemeinsamen Jahren schon sehr viel verspielten, was sie mühsam auf den Weg gebracht hatten: Es gab ein zweimaliges Aus im Halbfinale des Ligapokals, ein zweimaliges Aus im Halbfinale des FA-Cups, die verlorenen Meisterschaftskämpfe 2016 und 2017 sowie das Aus im Achtelfinale der Königsklasse in der Vorsaison gegen Juventus Turin (nach zwei Gegentoren binnen drei Minuten im zu Hause ausgetragenen Rückspiel).

Es bleiben diese sechs Prozent Chance

In der Auflistung des Schreckens fehlt eigentlich nur noch eines: dass Tottenham das 3:0 aus dem Hinspiel in Dortmund, beim Tabellenführer der Bundesliga, doch noch aus der Hand gibt. Laut Statistik ist ein Team mit diesem Vorsprung zu 94 Prozent weiter. Aber da bleiben diese sechs Prozent. Und was heißt das alles für eine Mannschaft, die vor drei Jahren in der Europa League bereits 0:3 in Dortmund unterlag? Von den damals 14 eingesetzten Spielern befinden sich nach wie vor acht Profis im Kader der Londoner.

Die jüngste Niederlage im Duell mit Chelsea, gegen das Tottenham immer den Kürzeren zu ziehen scheint, wenn es darauf ankommt, hat bei den Spurs eine Sinnkrise ausgelöst. Aus einer mittelmäßigen Mannschaft, die in erster Linie aus Profis bestand, die für durchschnittliche Leistungen überdurchschnittlich gut bezahlt wurden, hat Pochettino, 47, ein schlagkräftiges Team gebaut, das sich in der Spitzengruppe der Liga etabliert und seit Beginn seiner Amtszeit nach Manchester City die zweitmeisten Punkte geholt hat. In dieser Saison ist Tottenham zum ersten Verein der Premier League avanciert, der weder im Sommer- noch im Wintertransferfenster einen Spieler verpflichtete.

Die geleistete Arbeit weckt im Umfeld die Begehrlichkeit nach einem Titel. Dafür fehlen dem Aufgebot jedoch zusätzlich zu Torjäger Harry Kane, Dele Alli und dem Dänen Christian Eriksen weitere Einzelkönner, die Spiele durch ihre Aktionen prägen können. Das knappe Budget bietet aber kaum Raum für Investitionen, wodurch Tottenham langsam anfängt, sich im Kreis zu drehen. Diese unterschwellige Unzufriedenheit über den ausbleibenden nächsten Schritt ärgert Pochettino gerade sehr.

In der Times warb der eigentlich Schlagzeilen meidende Argentinier erstaunlich offen für sein Tun und setzte erstmals offensiv seinen Verbleib bei Tottenham aufs Spiel: "Was wir hier leisten, ist für mich mehr wert, als einen Titel zu gewinnen", sagte Pochettino. Falls der Verein komme und ihm vorgebe, nächste Saison einen Titel gewinnen zu müssen, die Champions League oder die Premier League, würde er womöglich sagen: "Sucht euch einen anderen magischen Kerl, der das tun kann."

Die Definition der aktuellen Saison hängt für Spieler und Trainer bei Tottenham Hotspur maßgeblich vom Resultat in der Champions League ab. Die erneute Teilnahme an der Königsklasse ist sowieso eingeplant. Aber um das Vertrauen aufrecht zu halten, tatsächlich mal eine Trophäe gewinnen zu können, darf in Dortmund auf keinen Fall etwas schieflaufen.

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