Toto-Pokal:Schinkennudeln mit oder ohne Apostroph

12 03 2019 Fussball 3 Bundesliga 2018 2019 28 Spieltag TSV 1860 München SpVgg Unterhaching i

Schmerzhaftes Aufeinandertreffen: Das vorerst letzten Duell der Drittliga-Rivalen im Stadion an der Grünwalder Straße, Max Dombrowka (li.) foult den Sascha Mölders.

(Foto: Bernd Feil/imago)

Die SpVgg Unterhaching verkauft Aktien und kauft sich ein Stadion, der TSV 1860 setzt auf Konsolidierungslöwen. Bodenständig kochen beide Klubs. Ein Vergleich.

Von Stefan Galler, Christoph Leischwitz, Markus Schäflein und Philipp Schneider

An diesem Freitag treffen sich die benachbarten Fußball-Drittligisten TSV 1860 München und SpVgg Unterhaching zum Derby im Toto-Pokal-Vietelfinale im Stadion an der Grünwalder Straße (19.30 Uhr, live auf Sport1, Karten an der Abendkasse). Beide waren mal Bundesligisten, mehr oder weniger, jetzt müssen sie sich über den bayerischen Verbandspokal für den DFB-Pokal qualifizieren. Ein Vergleich zwischen dem derzeitigen Tabellen-14. TSV 1860 und dem Tabellenführer aus der Vorstadt.

Die wirtschaftliche Situation

Der TSV 1860 München hat einen Investor, der nicht investieren darf, jedenfalls nicht so, wie er will; das Präsidium hat sich entschlossen, keine Darlehen von Hasan Ismaik mehr anzunehmen. Stattdessen wünscht es sich eine Kapitalerhöhung über einen Anteilsverkauf an einen dritten Gesellschafter, aber bislang ist es dem e.V. und Ismaik nicht einmal gelungen, sich darüber zu einigen, wer darüber mit wem sprechen soll. Also wird erst mal konsolidiert, dass es kracht. Die konsequenteste Form einer Kapitalerhöhung hat hingegen die SpVgg hingelegt, sie ist einfach mal an die Börse gegangen. Das lohnte sich erstens, weil es als PR-Maßnahme ganz gut funktionierte. Und es lohnte sich zweitens, weil der ehemalige Löwen-Spieler und jetzige Haching-Präsident Manfred "Manni" Schwabl nicht mehr eigenes Geld reinstecken muss, um den Verein am Leben zu halten (bisher über 700 000 Euro). Er hält nun in Form einer GmbH aktuell 21,2 Prozent der Aktien, und er spricht von "zwei Ankerinvestoren", die sich schon in der ersten Finanzierungsrunde Aktienpakete für zusammen etwa vier Millionen Euro gesichert haben. Einer davon dürfte der Schreinerei-Inhaber Andreas Kögl aus Gauting sein, dessen Anteile mit rund elf Prozent angegeben werden. Mit einem möglichen dritten Großaktionär befinde man sich gerade in Gesprächen. Bei der SpVgg ist allen klar: Um das Investitionsvolumen irgendwann wieder einzuspielen, muss der Aufstieg in die zweite Liga her - deshalb ist das in Haching ein viel konkreteres Ziel als in Giesing. Bei Sechzig ist das Investitionsvolumen hundertmal so groß (70 000 000 Euro). Aber dank 50+1 interessiert es keinen der Entscheider im Klub, ob Ismaik seine Darlehen jemals wieder einspielt.

Karsten Wettberg, der König von Giesing, findet daher auch für die Zukunft: "Man kann von Ismaik ruhig Geld annehmen, da wir es eh nicht zurückgeben werden."

Präsident Manfred Schwabl (Unterhaching) nach Spielende enttäuscht schauend, Enttäuschung, Frustration, disappointed, p

Unterhachings Präsident Manfred Schwabl.

(Foto: Sven Leifer/imago)

Die Wirtschaftssituation

Das Löwenstüberl an der Grünwalder Straße 114 ist eine historische Stätte, das hat der neue Pächter Benedikt Lankes schnell erkannt. Er hat bei der Renovierung des alten Kabuffs, das die Wirtin Christl Estermann seit dem Dreißigjährigen Krieg mit viel Leben gefüllt hatte, schließlich selbst mit angepackt. Allein den dicken Nikotinschmodder von den Bodenfliesen abzutragen, auf dem es sich seit den Zeiten des dauerqualmenden Trainers und gern gesehenen Stüberlgasts Werner Lorant ganz bequem laufen ließ, habe eine Ewigkeit gedauert, erzählte Lankes bei der Wiedereröffnung in der vergangenen Woche. Jetzt gibt es mit blauem Leder überzogene Stühle und Bänke im Stüberl und eine schicke Sperrholztheke. Ein Verein wie der TSV, der finanziell schon mehrfach hätte tot sein müssen, sich aber immer wieder auf kreative Weise gegen sein Ableben stemmte, hat nun auch seine bislang härteste Prüfung gemeistert: Christl ist weg, und es gibt trotzdem noch Schinkennudeln.

Bei der SpVgg Unterhaching ist Gino weg, und es gibt böse Zungen, die behaupten, auch dabei handele es sich um eine Altlast von Werner Lorant: Der habe nämlich in seinen sechseinhalb Monaten als Trainer der SpVgg Tausende Espressi nicht bezahlt. Die leckeren italienischen Gerichte von Gino gibt es jedenfalls schon seit 2010 nicht mehr. Nach einigen erfolglosen kulinarischen Findungsphasen ist im Sportpark nun gutbürgerliche bayerische Küche erhältlich. Dazu gehören auch hier Schinkennudeln, "Manni's Schinkennudeln", wie es in der Speisekarte heißt. Mit Apostroph und Ei. Für 7,90 Euro. Der Verein verdient mit, er hat die Räumlichkeiten von der Gemeinde gepachtet. Im Sportpark Essen gehen ist also ein bisschen wie Aktien kaufen, nur etwas bodenständiger.

Die Stadionsituation

Der TSV 1860 hat ein Stadion für 15 000 Zuschauer, das ihm nicht gehört. Die SpVgg Unterhaching hat ein Stadion für 15 000 Zuschauer, das ihr wohl bald gehört. Beide wollen zwecks Zweitligatauglichkeit um- oder ausbauen, bei Sechzig muss die Stadt München das tun, eine prima Studie liegt auch schon vor. Und wenn dann mal in Giesing gebaut wird, muss der TSV umziehen - erste Idee: nach Unterhaching. Die Fans der SpVgg haben unlängst allerdings bereits auf einem Plakat angemerkt, das Löwen in einen Zoo gehören oder sonstwohin, jedenfalls nicht nach Unterhaching. Im Moment haben die Fans aber noch nichts zu melden, noch entscheidet die Gemeinde, auch wenn der Klub schon einige optische Aufhübschungen vorgenommen hat. Über die Konditionen bezüglich einer Übernahme wird seit Längerem verhandelt. Doch im Gegensatz zum Grünwalder Stadion liegt in Haching ein Umbauplan zur Bundesliga-Tauglichkeit schon lange in der Schublade - sowieso wäre dieser mit deutlich geringerem Aufwand verbunden. Den Vergleich verliert die Vorstadt natürlich in Sachen Zuschauer: Der Schnitt liegt aktuell bei 3400 (Sechzig: 14 900).

Mit Abgezocktheits-Vorteil ins Derby

Die Jungen

Weil Sechzig konsolidiert, spielen einige so genannte Konsolidierungslöwen mit, junge und demnach günstige Spieler aus dem eigenen Nachwuchs: z.B. Leon Klassen, 19, hoffnungsvoller Linksverteidiger, zuletzt allerdings mit grobem und entscheidendem Aussetzer beim 1:2 in Würzburg, und Flügelstürmer Fabian Greilinger, ebenfalls 19, genannt "Greile". Bei Unterhaching steht der Jüngste im Tor: Nico Mantl, 19, erstaunt die Konkurrenz mit starken Leistungen. Zur Belohnung wurde Mantl zur U20-Nationalmannschaft geladen. Gegen Sechzig wird Steve Kroll im Tor stehen, im Pokal darf ohnehin gewohnheitsmäßig der Ersatzmann ran, der in der vergangenen Saison Drittliga-Stammkeeper beim Absteiger Lotte war. Und auch der wichtigste junge Feldspieler wird fehlen: Luca Marseiler, 22, von dem es heißt, dass sich Unterhaching als Drittligist schwertun wird, ihn zu halten, ist derzeit verletzt.

Die Alten

Der Hachinger Kader "sucht seinesgleichen", sagt Claus Schromm unbescheiden. Das liegt auch daran, dass die SpVgg noch mit einem Drittliga-Grandseigneur verstärkt wurde: Dominik Stroh-Engel, 33, ist nur ein halbes Jahr jünger als Sechzigs Sascha Mölders, 34, und steht ihm in Sachen Profi-Erfahrung auch kaum nach. Löwen-Trainer Daniel Bierofka sagt, er freue sich sehr auf ein Wiedersehen mit Dominik Stahl und Stephan Hain, den beiden SpVgg-Routiniers mit 1860-Vergangenheit. Weil Hain nach langer Verletzung im Moment noch nicht die Torgefahr früherer Tage ausstrahlt - am vergangenen Wochenende hat er zum Beispiel einen Elfmeter verschuldet statt einen herausgeholt -, bringt Sechzig dank Mölders und Timo Gebhart womöglich einen kleinen Abgezocktheits-Vorteil mit ins Derby.

Der Stellenwert des Pokals

Wer die Favoritenrolle innehat, ist Bierofka "total egal, beide Mannschaften gehen rein und wollen das Spiel gewinnen", sagt er. Aber für ihn sei "die Liga wichtiger als der Pokal", und das, obwohl der Sieg im Verbandspokal ja die lukrative Teilnahme am DFB-Pokal bedeutet. Als Trainer wolle man jedes Spiel gewinnen, aber es bringe ja nichts, "wenn wir den Pokal gewinnen und dann absteigen". Wie euphorisch hört sich da im Vergleich Claus Schromm an, der ebenso wie Bierofka seit der deutschen Wiedervereinigung für seinen Klub tätig ist: "Wir freuen uns wahnsinnig und sind heiß darauf, uns durchzusetzen." Der DFB-Pokal sei ein Ziel, das "bei uns sehr hoch hängt". Man hatte ja gedacht, dass die klammen Konsolidierungslöwen die DFB-Pokal-Teilnahme etwas nötiger haben als die neureichen Aktienhachinger. So kann man sich täuschen.

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