Torwart Adler beim HSV:Kung-Fu statt Kunst

Rene Adler

Réne Adler: Nur noch selten auf dem Rasen

(Foto: dpa)

René Adler galt einst als größtes deutsches Torwarttalent - noch vor Manuel Neuer. Doch seine Karriere scheint beständig bergab zu gehen, beim HSV ist er auf die Ersatzbank gerutscht. Nun will er beweisen, dass er ein "echter Typ" ist.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Es ist nicht so, dass René Adler, 29, von Rückschlägen in seiner Torwart-Karriere verschont geblieben wäre. Ein kleiner Überblick: Vor der WM 2010 in Südafrika zwang die damalige Nummer eins ein Rippenbruch zum Verzicht. Als er sich, inzwischen von Leverkusen zum Hamburger SV gewechselt, wieder herangekämpft hatte an die Nationalelf, unterlief ihm vergangene Saison eine Serie von Fehlern. Den HSV hätte diese fast die Zugehörigkeit zur Bundesliga gekostet. Dann erwischte ihn ein Bandscheibenvorfall. Die Schmerzen seien das "Unangenehmste gewesen, was ich in meiner Karriere erlebt habe", sagte er.

Beides zusammen kostete ihn erneut den Platz im DFB-Kader, weshalb er sich jetzt nicht Weltmeister nennen darf. Und nun hat Adler, der einst (vor Manuel Neuer) als begabtester Keeper Deutschlands galt, einen weiteren Tiefpunkt erreicht: Beim HSV hat er seinen Stammplatz an Jaroslav Drobny verloren, so wie einst in Leverkusen an den Aufsteiger Bernd Leno.

Vielleicht hat Adler zuletzt ein bisschen an seinen früheren Nationalelf-Kollegen Per Mertesacker gedacht. Der hatte schon zweimal bei Turnieren seinen festen Posten in der Mannschaft verloren und sich danach aktiv als Teamplayer abseits des Spielfeldes eingebracht. Diese Woche hat Adler auf seiner Facebook-Seite jedenfalls mitgeteilt, dass er die neue Rolle "akzeptiere" und sich "voll in den Dienst der Mannschaft stelle". Denn nur so komme "das Kollektiv wieder in ein ruhiges und erfolgreiches Fahrwasser".

Andererseits hat ihn offenbar auch der Ehrgeiz gepackt. René Adler galt ja zwischenzeitlich als entspannter Profi, der seine Verbissenheit und seine Trainingswut abgelegt hatte. In diesen Tagen hat er das Gegenteil bewiesen.

Er hat Extra-Schichten geschoben und seinen Frust zum Beispiel bei einem Übungsspiel mit einem Kung-Fu-Tritt gegen den Kollegen Artjoms Rudnevs abreagiert. Als habe er dem kürzlich entlassenen Trainer Mirko Slomka zeigen wollen, dass er doch ein "echter Typ" ist. Mit dieser Begründung ("Wir brauchen echte Typen"), hatte Slomka den Torwart-Wechsel erklärt, obwohl Adler in den ersten beiden Spielen gar kein Fehler nachzuweisen war.

Drobny gewinnt durch Gelassenheit

Der neue Coach Josef Zinnbauer hat sich seinem Vorgänger zunächst angeschlossen, obwohl er sonst schon viel verändert hat im immer noch erfolglosen Team. Zinnbauer verließ sich auf das Urteil seines neuen Torwart-Trainers Stefan Wächter und befand: "Jaro muss nur gut spielen, dann wird sich alles andere von allein ergeben." Was heißt: Adler ist erst einmal draußen, solange sein Konkurrent so gut hält wie gegen den FC Bayern und in Gladbach.

Das ist auf den ersten Blick überraschend, weil beide mehr unterscheidet als die Trinkgewohnheiten (Adler zieht einen guten Wein vor, Drobny bevorzugt tschechisches Bier) oder die Hobbys (Adler sammelt zeitgenössische Kunst und liebt Golf, Drobny geht am liebsten in die Sauna). Über die fußballerischen Qualitäten braucht man kaum streiten. Adler entspricht eindeutig mehr dem modernen Torwart als der rustikale Drobny, der die Bälle am liebsten weit hinaus haut aus seinem Strafraum. Andererseits hat Drobny nach Adlers Bandscheibenvorfall in den Relegationsspielen gegen die SpVgg Greuther Fürth nachgewiesen, dass er nicht nur auf der Linie erstklassig reagiert. Er hat mit seiner Gelassenheit inmitten einer verunsicherten HSV-Mannschaft den Verbleib in der Bundesliga sichergestellt.

Diese innere Ruhe ist Adler offenbar abhanden gekommen. Er weiß, wie beliebt Drobny im Team ist. Der Tscheche gilt als Spaßvogel, der schon mal das Bordmikrofon auf einem Flug ergriff und die Kollegen eine dreiviertel Stunde unterhielt. Bei einem Fan-Talk sagte Adler über das Miteinander der Rivalen: "Wir profitieren sportlich und menschlich voneinander."

Er weiß, dass er dem loyalen Drobny für dessen lange Zeit auf der Ersatzbank etwas zurückgeben muss. Und er ahnt, dass seine internationale Karriere nach nur zwölf Länderspielen wohl zu Ende ist. Schon im Sommer sagte er im Interview mit dem Hamburger Abendblatt: Er sei kein Träumer, sondern könne die Situation realistisch einschätzen. 2015 werde er 30 Jahre alt und es würden viele junge Torhüter nachdrängen: "Wenn es das also für mich war, dann hatte ich eine schöne Zeit, auch wenn sicher mehr drin gewesen wäre."

Beim HSV soll es allerdings noch nicht vorbei sein. Während der Vertrag des 35-jährigen Drobny nächstes Jahr ausläuft, ist Adlers Kontrakt noch bis 2017 datiert. Zudem ist er fünf Jahre jünger, könnte also noch eine Zeitlang auf höchstem Niveau spielen. Der Marketingabteilung des HSV wäre das bestimmt recht. Während Drobny das Gespräch mit den Medien meidet, gilt der bedächtige Adler weiter als ideales Aushängeschild des Traditionsklubs.

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