Torsten Frings:Ein Lutscher für Darmstadt

Lesezeit: 3 min

"Ich brenne auf die Herausforderung": Torsten Frings, hier in einem Spiel im Jahr 2009, übernimmt sein erstes Traineramt. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sein erstes Traineramt ist eigentlich eine unmögliche Herausforderung. Andererseits: Was hat Torsten Frings bei Darmstadt 98 schon zu verlieren?

Von Dominik Fürst

Torsten Frings hat schon einmal an einem Fußballmärchen mitgeschrieben, er wählte damals grobe Worte: "Wir geh'n jetzt raus und hau'n die Scheißer weg", rief der gesperrte Nationalspieler im Jahr 2006 seinen DFB-Kollegen vor dem WM-Halbfinale gegen Italien hinterher. Geklappt hat das nicht, die "Scheißer" gewannen 2:0, aber dem Publikum blieb immerhin ein deutsches "Sommermärchen" in Erinnerung, mit Frings in einer der Hauptrollen.

Ein zweites Wunder wäre nun vielleicht zu viel von Torsten Frings verlangt, auch wenn es diesmal nicht um ein WM-Finale, sondern nur um den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga geht: Frings wird Trainer bei Darmstadt 98 - so lautete die überraschende Schlagzeile am Dienstagnachmittag, mit der die jüngste Personalrochade dieser Saison verkündet wurde. Es ist Frings' erste Station als Cheftrainer - und beim Tabellenletzten der Bundesliga dürfte es keine einfache werden.

Bundesliga
:Torsten Frings wird Trainer bei Darmstadt 98

Der abstiegsgefährdete Bundesligist vertraut dem früheren Nationalspieler sein Traineramt an. Es ist Frings' erste Station als Chefcoach.

Letzter Tabellenplatz, Tordifferenz minus 19

"Ich brenne auf die Herausforderung in diesem speziellen Klub, der mit seinen besonderen Attributen bestens zu meiner Persönlichkeit passt", ließ Frings in einem Statement verlauten. Der 40-Jährige tritt in Darmstadt als Nachfolger des Anfang Dezember entlassenen Norbert Meier mit einem Vertrag bis zum 30. Juni 2018 an, übergangsweise war Nachwuchschef Ramon Berndroth eingesprungen. Mit "besonderen Attributen" dürfte Frings jene Eigenschaften meinen, die ein Klub haben sollte, wenn es ihm an finanziellen Mitteln fehlt, und die den SV Darmstadt in den vergangenen Jahren unbestritten ausgemacht haben: Fleiß, Wille, Teamgeist.

So schaffte der Klub in der vergangenen Saison, seiner ersten in der Bundesliga nach mehr als dreißig Jahren, als Aufsteiger mit einer eher altmodischen Auffassung von Fußball den Klassenerhalt. Dann verließen Leistungsträger wie Sandro Wagner den Klub - und auch der Bonus des Underdogs war irgendwann aufgebraucht. Inzwischen steht Darmstadt mit acht Punkten und einer Tordifferenz von minus 19 auf dem letzten Platz. Nicht einmal die Fußballlehrer Bruno Labbadia und Holger Stanislawski hatten Lust, in dieser Situation dort das Traineramt zu übernehmen.

So ergab sich für Frings die erste große Chance als Trainer. Bislang arbeitete er lediglich als Assistent von Viktor Skripnik in Bremen. Als der Ukrainer im September entlassen wurde, verlor auch Frings seinen Job. "Wir sind überzeugt, dass er auch ohne die große Trainererfahrung zeigen wird, dass er die Aufgabe mit Sachverstand, Ehrgeiz und Teamfähigkeit bestens lösen kann, so wie es andere Beispiele im Profifußball bereits bewiesen haben", sagte Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch.

Frings' Ruf, den er sich zunächst als Stürmer, später als defensiver Mittelfeldkämpfer bei Werder Bremen, Borussia Dortmund und dem FC Bayern erwarb, darf den Darmstädter Profis schon einmal als Vorbild in Sachen Einstellung dienen. Je einen Kreuzbandriss erlitt Frings in seiner Karriere in jedem Knie, jedesmal kam er zurück. Zweimal gewann er den DFB-Pokal, einmal wurde er Deutscher Meister. Mit der deutschen Nationalmannschaft verlor er die Endspiele der WM 2002 und der EM 2008, dazwischen lag der oben beschriebene Kabinenauftritt, auf den der dritte Platz bei der WM 2006 folgte.

Frings galt stets als Arbeiter auf dem Fußballplatz - und am Ende auch als Romantiker. 2007 lehnte er ein Angebot von Juventus Turin ab, um bei seinem Herzensklub in Bremen zu bleiben. Erst 2011 wechselte er noch einmal ins Ausland, weil Werder den Vertrag nicht mehr verlängerte. Beim FC Toronto ließ Frings die Karriere ausklingen, 2013 kehrte er an die Weser zurück und wechselte ohne Pause ins Trainerfach.

Seine Mitspieler riefen ihn "Lutscher", weil das Frings' bevorzugte Bezeichnung für Kollegen war, die nicht seine Meinung teilten. Mit Bundestrainer Joachim Löw legte sich Frings an, als dieser verstärkt aufs schöne Spiel setzte und die Tugenden des Rackerers plötzlich nicht mehr so wichtig fürs DFB-Team schienen. Da wehrte sich einer gegen den modernen Fußball, konnte man meinen, aber vielleicht war es auch bloß ein bestimmter Stil, der Frings nicht behagte.

In Darmstadt jedenfalls dürfte er es mit jener Art von Fußball versuchen, die die Lilien in ihrem ersten Bundesligajahr erfolgreich gemacht hat: knallhart in der Abwehr, clever im Angriff. Zu verlieren gibt es für beide Seiten nicht viel.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga-Sprüche
:"Die meisten vertragen eh nicht viel"

Kölns Trainer Stöger lässt seine Spieler bedenkenlos aufs Oktoberfest ziehen. Schalkes Manager hat Spaß an fliegenden Eiern - und Philipp Lahm kontert Mehmet Scholl. Die Sprüche der Hinrunde.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: