Torschützenkönig Alexander Meier:Schnell noch eine Currywurst

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Lange Haare, kaum schillerndes Flair - und trotzdem der beste deutsche Stürmer: Alex Meier, hier in Kanonenbegleitung. (Foto: AFP)
  • Tore ohne Ende, dabei fällt er eigentlich kaum auf: Alexander Meier ist einer der kuriosesten Bundesliga-Schützenkönige seit langer Zeit.
  • Er spielt in Frankfurt, ist schon 32, derzeit verletzt - und hat noch nie Länderspiel bestritten.

Von Johannes Aumüller

Lothar Kobluhn muss jetzt ganz tapfer sein, aber über Nacht hat sich seine Einzigartigkeit um ein ganzes Drittel reduziert. 24 Tore hat dieser Lothar Kobluhn 1970/71 für Rot-Weiß Oberhausen geschossen, häufiger traf damals kein anderer Bundesligakicker, und als Folge dieser Tat hat er sich ein dreifaches Alleinstellungsmerkmal erarbeitet.

Kobluhn war a) der einzige Spieler, der die Torjägerkanone mit 36 Jahren Verspätung bekam, weil sein Verein in Kobluhns Glanzjahr in die Bestechungsaffäre verwickelt war; b) der einzige Defensivspieler, der die Torschützenwertung je für sich entschied; und c) der einzige deutsche Kanonengewinner, der nie für die deutsche Nationalmannschaft spielte. Die Rekorde a) und b) dürfte Kobluhn auch für die mindestens nächsten 36 Bundesligajahre sicher haben, mit Rekord c) hat es sich nun.

Meier ist kein falscher Neuner, ein echter Neuner ist er auch nicht

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Irgendwann wurde jeder Liga-Schützenkönig auch mal Nationalspieler, selbst Thomas Allofs (1989), der zwischendurch zwei Mal für die DFB-Elf antrat, oder Fritz Walter, der Jüngere (1992), der zumindest für die deutsche Olympia-Auswahl nominiert wurde - sogar Martin Max (2000/2002) durfte mal sieben Testspiel-Minuten gegen Argentinien bestreiten.

Aber nun hat Kobluhn einen echten Null-Einsätze-Nationalspieler an seiner Seite: Alex Meier, 32, von Eintracht Frankfurt. 19 Tore hat er diese Saison erzielt - das reichte, um die Münchner Robert Lewandowski und Arjen Robben auf Distanz zu halten.

Alex Meier hat keine leichten Tage hinter sich. Im April hat er sich verletzt, die Patellasehne, seither schuftet er in Basel für sein Comeback, zu dem es wohl frühestens im Oktober kommt. Aber am Samstag verfolgte er das 2:1 seiner Eintracht gegen Leverkusen auf der Tribüne, in der Halbzeitpause verdrückte er schnell eine Currywurst, und irgendwann konzentrierte sich das Geschehen ganz auf den Lulatsch mit den Krücken.

Das Publikum feierte seinen "Fußball-Gott", die Mitspieler entrollten später ein Plakat mit der Aufschrift "What if God was one of us? A.M. 14" (Was, wenn Gott einer von uns wäre?), und auf der Videoleinwand zeigten sie noch mal seine 19 Treffer, die für die Kanone reichten, weil seine Rivalen im Kampf um diesen Titel auch alle mal verletzt waren.

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Die Geschichte von Alex Meier erzählt zum einen viel über die Eintracht, für die er seit 2004 alljährlich hohe Torquoten abliefert. Am Main schätzen sie ihren Kader gern etwas stärker ein, als er tatsächlich ist und geben sich gerne irgendwelchen Europapokal-Phantasien hin. In Wahrheit hängt aber immer ganz viel davon ab, ob Meier mal wieder trifft - oder ausnahmsweise mal nicht. Nachdem sein Ausfall feststand, gab es in den folgenden vier Spielen null Tore und einen Punkt.

Umso verblüffender, dass Meier bei Frankfurts Verantwortlichen immer mal wieder in die Kritik gerät. Trainer Thomas Schaaf bastelte seine Elf zunächst so, dass Meier ganz draußen blieb, Sportchef Bruno Hübner nölte im Frühjahr: "Wir wissen ja, wenn Alex nicht trifft, ist er eher unauffällig. Diese Kröte müssen wir schlucken."

Diese Bemerkung führt auch schon mitten hinein in die andere Geschichte, die der Fall Alex Meier erzählt, nämlich die über das Torjägerwesen anno 2015. Denn Meier ist ein Offensivtyp, den es kaum noch gibt. Er ist keiner jener falschen Neuner, die heutzutage vorne umherschwirren, aber er ist auch nie ein echter Neuner gewesen. Er hat über viele Jahre von der Position hinter den Spitzen gewirkt, erst Schaaf hat ihn in diesem Jahr ein paar Meter nach vorne versetzt.

Meier fällt oft gar nicht richtig auf, er wühlt nicht, dribbelt nicht, selbst sein Kopfball ist für seine Körpergröße nicht hervorstechend, aber er hat halt das, was in Lothar Kobluhns Zeiten einmal "Instinkt" genannt worden ist. Er kommt selten an den Ball, aber wenn, dann mit der Innenseite, und dann ist der Ball halt drin.

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Meier ist jetzt 32, da sind die Zeiten längst vorbei, in denen er ein Kandidat für die Nationalelf sein könnte. Aber zumindest in der Eintracht-Kurve, wo sie - anders als der Trainer oder Sportchef - ihren Alex Meier innig verehren, haben sie noch die leise Hoffnung, dass Lothar Kobluhn dieses letzte Drittel seiner Einzigartigkeit irgendwann noch einmal zurückerhält.

© SZ vom 26.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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