Torlinientechnik in der Bundesliga:Tausende Euro für ein bisschen mehr Gerechtigkeit

Tor Technik Bundesliga Hawk Eye

Die Torlinientechnologie Hawk-Eye entscheidet über "Tor ja oder nein"

(Foto: dpa)
  • Die Torlinientechnologie findet Einzug in die Bundesliga: Je sieben fest installierte Kameras haben in den 18 Stadien jedes der beiden Tore im Blick.
  • Im Zweifelsfall kann so genau bestimmt werden, ob der Ball die Torlinie vollumfänglich überschritten hat. Dann bekommt der Schiedsrichter ein Signal auf seine Armbanduhr.
  • Jeder Verein muss in der kommenden Saison je Spieltag etwa 8000 Euro für die Technik bezahlen.
  • Es gibt zwei Systeme: Hawk-Eye und GoalControl, die sehr ähnlich funktionieren. Der weitere Wettbewerb in diesem Segment wird wohl auf einen Preiskampf hinauslaufen.

Von Ulrich Hartmann

Der Fußballbegriff 'Phantomtor' ist ab sofort ein Relikt. Der Leverkusener Stefan Kießling hat am 18. Oktober 2013 im Spiel gegen Hoffenheim einen solchen trügerischen Treffer erzielt, als der Ball von außen durchs Seitennetz ins Tor flog und vom Schiedsrichter anerkannt wurde. Kießlings falsches Tor hat aber geholfen, in der Branche Widerstände gegen die Torlinientechnologie abzubauen. Im vergangenen Dezember stimmte die Liga - im zweiten Anlauf - mit 15:3 für den britischen Anbieter Hawk-Eye. Am kommenden Wochenende wird das "Falkenauge" erstmals in allen Bundesligastadien eingesetzt. Als zufällige Reminiszenz an das damalige Spiel, das die Fußballwelt verändert hat, treffen an diesem Samstag Leverkusen und Hoffenheim aufeinander.

Je sieben fest installierte Kameras überwachen in den 18 Stadien fortan jedes der beiden Tore und können im Zweifelsfall auf weniger als einen Zentimeter genau bestimmen, ob der Ball die Torlinie vollumfänglich überschritten hat. Dann bekommt der Schiedsrichter sofort ein Signal auf seine Armbanduhr. Vibriert nach einer undurchsichtigen Torsituation das Armband nicht, obwohl im Stadion womöglich alle jubeln, sollte er das Tor nicht geben.

Tor Technik Bundesliga Hawk Eye

Bei der WM vor einem Jahr in Brasilien gab es eine brenzlige Situation. Beim 3:0 der Franzosen gegen Honduras war Karim Benzemas Treffer zum 2:0 mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Die Torlinientechnik zeigte den Treffer aber als rechtmäßig an. Der Treffer wurde gegeben. Die Proteste im Publikum hielten sich in Grenzen, nachdem die Animation auf die Stadionmonitore übertragen worden war.

Zwei konkurrierende Systeme

Die Technologie damals in Brasilien hieß allerdings nicht Hawk-Eye, sondern GoalControl und kam aus Würselen bei Aachen. Goalcontrol-Chef Dirk Broichhausen jubelte damals, weil die ganze Welt die Wirksamkeit seines Systems gesehen hatte und er gute Geschäfte witterte. Doch ein halbes Jahr später, am 4. Dezember, erlitt Broichhausen einen kleinen Schock, als sich die Bundesliga nicht für die deutsche Technik entschied, sondern für die britischen Rivalen.

Die Deutsche Fußball-Liga hatte ihren Klubs das Hawk-Eye empfohlen, weil es sich in der Premier League und beim Tennis in Wimbledon bewährt hatte, weil es damals um etwa einen halben Zentimeter genauer maß als GoalControl und weil die Briten das günstigere Angebot abgegeben hatten. Auf 8000 Euro pro Spiel belaufen sich die Kosten beim Hawk-Eye-System. Das GoalControl-Angebot soll mit mehr als 9000 Euro pro Spiel um etwa 15 Prozent höher gelegen haben.

Für GoalControl war die Absage eine Schlappe, die existenzbedrohende Ausmaße annahm, als sich in der Folge auch die Serie A in Italien und der Weltverband Fifa bei der Frauen-WM für das Hawk-Eye entschieden. Doch mit dem kürzlichen Zuschlag in der Ligue 1 in Frankreich sind die Würselener wieder im Wettbewerb.

Es gibt auf der ganzen Welt noch viele Stadien auszustatten, weshalb Broichhausen glaubt, dass das Potenzial für zwei Anbieter ausreicht. Weil Hawk-Eye und GoalControl sehr ähnlich funktionieren, wird der weitere Wettbewerb in diesem Segment wohl auf einen Preiskampf hinauslaufen. Auch die Bundesliga ist für GoalControl noch nicht verloren, denn der Vertrag mit Hawk-Eye läuft zunächst für drei Jahre. Die Ausrüstung wird nur gemietet.

Kostenpunkt: 136 000 Euro je Saison

8000 Euro pro Spiel und damit 136 000 Euro für die ganze Saison muss jeder Verein bezahlen für Installations- und Wartungskosten sowie für die Betreuung der Technik durchs Fachpersonal an jedem Spieltag. Die Installation der insgesamt 14 Kameras pro Stadion ist abgeschlossen und hat außer in Darmstadt keine Probleme aufgeworfen. Bloß am Böllenfalltor, im einzigen aktuellen Bundesligastadion ohne Dach, mussten extra Masten aufgestellt werden, die nun die Kameras tragen.

Mit der erst im zweiten Anlauf erwirkten Zustimmung der Liga zur neuen Technologie und dem Weggang des diesbezüglich vorantreibenden Geschäftsführers Andreas Rettig (zum Zweitligisten FC St. Pauli) könnte der Fortschrittswille der Liga nun zunächst erschöpft sein. Von den vielen weiteren Möglichkeiten, die das offiziell sogenannte Verfolgungssystem mit Analysefunktion bietet, wollen viele in der Liga vorerst nichts wissen. Die Ausweitung der Überwachung auf brenzlige Spielsituationen wie Fouls, Abseits, Ball-im-Aus oder Tätlichkeiten ist nach bisherigem Konsens in der Liga nicht vorgesehen.

Dabei böte die Technologie auch hier Vorteile für mehr Gerechtigkeit im Spiel. Überdies könnte sie der Liga mit zusätzlichen Spielanalysefunktionen zur Übertragung aufs Fernsehsignal auch einen Mehrwert beim Verkauf der Übertragungsrechte bieten. Mit der Eliminierung des "Phantomtors" hat die Zukunft der Spiel-Überwachung und -Analyse eigentlich erst begonnen.

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