Torjäger im Europapokal:Dann macht es ätsch

Der Mailänder Stürmer Filippo Inzaghi hat mit zwei Treffern in Donezk mit Gerd Müller als bester Schütze im Europapokal gleichgezogen. Doch vergleichen will sich niemand mit ihm.

Christof Kneer

Vor ein paar Tagen war zu lesen, dass Luca Toni beinahe beim AC Mailand gelandet wäre. Für den FC Bayern der Gegenwart wäre das jammerschade gewesen, aber man darf nie vergessen, dass der FC Bayern auch eine historische Größe ist. Für den historischen FC Bayern wäre Tonis Wechsel nach Milan womöglich sehr wertvoll gewesen - Toni hätte bei Milan bestimmt Filippo Inzaghi verdrängt, und bestimmt hätte Inzaghi dann am Dienstagabend nicht zwei Champions-League-Tore in Donezk geschossen. Gerd Müller hätte seinen Rekord (62 Europapokaltore) behalten dürfen - nun muss er ihn mit Inzaghi teilen, und das hat Gerd Müller nicht verdient.

Torjäger im Europapokal: Schlankes, listiges Inzaghi ist nun der Nachfolger von Kleines, dickes Müller.

Schlankes, listiges Inzaghi ist nun der Nachfolger von Kleines, dickes Müller.

(Foto: Foto: dpa)

Filippo Inzaghi, 34, ist ein großartiger Mittelstürmer und doch ist er ein Spieler, mit dem keiner gern verglichen wird, es sei denn, man legt zufällig Wert darauf, als durchtriebener Elfmeterschinder und verschlagener Herumlungerer zu gelten. Der sei wohl in der Abseitsposition auf die Welt gekommen, hat Alex Ferguson einmal über Inzaghi gesagt, und das ist eine Art Kompliment gewesen. Inzaghi ist wie jeder handelsübliche Torjäger mit einem Navigationssystem ausgestattet, aber sein Navigationssystem hat eine persönliche Note. Bei ihm sagt die Stimme nicht: "An der nächsten Nahtstelle bitte links abbiegen'', oder: "Abseits, bitte wenden'' - seine Stimme sagt: "Kein Abseits, hähä, bitte schnell loslaufen.''

Filippo Inzaghi ist ein Mittelstürmer, der dahin geht, wo es den anderen wehtut. Sein Spiel ist die reinste Schadenfreude, und wenn er ein Tor wittert, dann stiehlt er im Zweifel auch dem eigenen Mitspieler den Ball vom Fuß, weshalb viele seiner Tore statt im Sport- auch im Polizeibericht stehen könnten. Dann macht es bumm!, hat Gerd Müller einmal gesungen. Bei Inzaghi macht es nicht bumm. Bei Inzaghi macht es ätsch.

Ein Tor noch, und Inzaghi wird der erfolgreichste Torjäger in allen europäischen Wettbewerben sein, und er wird dann erst recht jene Debatte ertragen müssen, mit der man auch schon Gerd Müller gequält hat. Der Müller sei kein Fußballer, sondern ein Torjäger, hieß es oft, was ebenso populistisch wie falsch ist. Gerd Müller konnte hervorragend kicken, ebenso wie Inzaghi, und abgesehen von ätsch und bumm haben die beiden mehr gemein als man denkt. Inzaghi hat Müller in die Moderne übersetzt, er spielt so, wie Müller heute wohl spielen würde - nicht sehr athletisch, nicht sehr kunstvoll, dafür streng reduziert aufs Wesentliche. Schlankes, listiges Inzaghi ist ein Strafraumspieler wie kleines, dickes Müller, der ebenfalls wusste, wie man sich mit einem Remplerchen einen Vorteil verschafft. Was dem Gerd sein Popo war, ist Superpippo sein Ellenbogen.

Was die Bayern jetzt noch tun können, um den Rekord zu retten? Sie könnten höchstens auf Luca Toni vertrauen, dem bis zur 62er-Marke von Müller & Inzaghi aber noch ein paar Europacuptore fehlen. Er hat bisher zwei.

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