Die meisten Kenner sind fest davon überzeugt, dass Schalke 04 zurzeit den besten Spielerkader seit der Pensionierung der Kreisel-Könige Fritz Szepan und Ernst Kuzorra unterhält. Allerdings fällt es schwer, Kenner zu finden, die in dieses Kompliment die Auswahl der Torhüter einbeziehen. Lars Unnerstall, der aktuelle Stammtorwart, und seine Stellvertreter Timo Hildebrand und Ralf Fährmann haben die Reputation von Mittelklasse-Fabrikaten. Ihr Leistungsspektrum gilt als tauglich und solide, aber nicht als hochwertig, deswegen wird seit dem Sommer in Verein und Anhängerschaft immer wieder diskutiert, ob die Besetzung im Tor den Schalker Ambitionen gerecht wird.
Es ist eine Debatte, die auch in den Sternstunden dieser Saison nie richtig abgerissen ist, obwohl Unnerstall nach dem Sieg in Dortmund von den Fans als leibhaftiger Derbysieger geehrt wurde. Nun ist das Thema nach dem 2:3 in Hoffenheim mit neuer Heftigkeit erwacht, weswegen Huub Stevens am Montag vor der Champions-League-Begegnung mit dem FC Arsenal abermals Stellung nehmen musste.
Der Trainer, in ausgeprägt grantiger Stimmung, hatte für Dienstagabend "eine andere Organisation" für seine Elf angekündigt, was unvermeidlich die Frage nach seiner Torhüterwahl hervorrief. Stevens erwiderte mit einem Blick, der geeignet war, nicht nur kleine Kinder zu erschrecken: "Hört auf, mich immer das Gleiche zu fragen. Ihr kriegt eh keine Antwort darauf."
Wie üblich hatte Unnerstall, 22, in Hoffenheim wenig Mühe mit seiner Arbeit. Die meiste Zeit des Spiels hätte er sich in den Strafraum setzen und eine Patience legen können, weder störten die Hoffenheimer mit Eckstößen noch mit Flanken oder Torschüssen. Das war das eine Problem; Torhüter ohne Beschäftigung drohen einzurosten. Das andere Problem war, dass nahezu alle Torschüsse umgehend in seinem Tor landeten, nachdem sich Unnerstall eher ungeschmeidig dagegen verwendet hatte.
Elf des Spieltags der Bundesliga:Ein Zwirbler wie Giovane Elber
Thomas Müller schießt ein Trick-Tor wie eines seiner großen Vorbilder, René Adler ärgert sich über das Torwartduell mit Manuel Neuer, Mario Götze muss getröstet werden - Simon Rolfes und Sven Schipplock nutzen ihre wenigen Sekunden auf dem Platz sehr unterschiedlich.
Einen konkreten Fehler hat ihm deswegen niemand vorgehalten: Die Schützen Volland und Schipplock kamen ja geradewegs auf ihn zugelaufen und legten aus kurzer Distanz den Ball an ihm vorbei (dazu kam Firminos Elfmeter), aber es ist Unnerstalls Schicksal, dass er sich permanent für unbeweisbare Vorwürfe rechtfertigen muss.
An diesem Samstag umso mehr, nachdem sein Hoffenheimer Kollege Tim Wiese bei ebensolchen Szenen stets effektvoll im Weg gestanden hatte. Selbst Horst Heldt, der Schalker Manager, schien darüber nachdenklich zu werden: "Ich weiß nicht, wie oft wir auf Wiese zugerannt sind, und er diese Situationen entschärft hat. Bei uns waren alle Situationen drin." Im Prinzip, fügte er hinzu, könne man Unnerstall aber "keinen Vorwurf machen: Solche 1:1-Situationen können so ausgehen, dass die Bälle reingehen oder nicht". Man kann das als Freispruch für Unnerstall werten. Oder aber als Freispruch zweiter Klasse.
Heldt hatte sich nach dem Weggang von Manuel Neuer 2011 auf die mühsame Suche nach einem Nachfolger gemacht. Man hatte über René Adler nachgedacht und bei Kevin Trapp in Kaiserslautern nachgefragt, der aber ein halbes Königreich hatte kosten sollen, von zehn Millionen Euro war die Rede. Schließlich holte Heldt den Überzeugungsschalker Fährmann zurück, der verletzungshalber Unnerstall Platz machen musste, bevor dieser verletzungshalber vom Noteinkauf Hildebrand ersetzt wurde.
In diesem Sommer haben sich die Schalker Verantwortlichen eine weitere Torwartsuche erspart, sie sahen keinen Bedarf, das angebliche Interesse an Tim Wiese war eine Ente. Trapp wechselte derweil für 1,5 Millionen Euro nach Frankfurt, wo er exzellent hält und die Ära des großen Oka Nikolov beendete.
Niemand weiß, ob Schalke mit Trapp im Tor besser stünde. Auch weiß niemand, ob der anfangs als Stammtorwart ausersehene, dann aber verletzt ausgefallene Hildebrand die bessere Lösung wäre. Prominentester Fürsprecher für den ehemaligen Nationaltorwart ist Hildebrand selbst, der vorige Woche in mosernder Art seine Enttäuschung über die Stellvertreterrolle ausgedrückt hatte.
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Huub Stevens hat das nicht gefallen. Dass nun neue Zweifel an Unnerstall laut wurden, dürfte den Trainer dazu bewegen, ihn gegen Arsenal erst recht aufzustellen. Aber es ist anzunehmen, dass Horst Heldt wieder begonnen hat, den Markt zu sondieren.