Toni Kroos' Abschied vom FC Bayern:Ende einer widersprüchlichen Beziehung

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Schmerzhafter Abschied: Pep Guardiola (li.) wird wohl auf einen seiner Wunschspieler verzichten müssen. (Foto: Getty Images)

Toni Kroos wird im Sommer zu Real Madrid wechseln, beide Seiten müssen nur noch Details klären. Mit dem Abschied des Mittelfeldspielers zerbricht auch Trainer Guardiolas Wunsch-Formation, weil dem FC Bayern seine Gehaltsstruktur wichtiger ist als die neue Führungsstärke des Nationalspielers.

Von Christof Kneer, Santo André/Rio de Janeiro

Der FC Bayern sei ein "Käuferverein, kein Verkäufer-Verein", das hat Uli Hoeneß in seinen letzten Monaten als Bayern-Präsident noch mal betont, es ist ein Satz, den auch Sportchef Matthias Sammer gerne zitiert. In diesem Satz enthalten ist der kleine Gruß an alle anderen Fußballvereine auf der Welt: Wenn wir Bayern einen Spieler von Euch gut finden, dann holen wir den! Wenn Ihr aber einen Spieler von uns gut findet, dann kriegt Ihr den nicht!

In den nächsten Tagen werden sie beim FC Bayern erleben, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt. Der Spieler Toni Kroos wird den Klub verlassen, obwohl ihn Trainer Pep Guardiola und auch der Sportchef Sammer sehr schätzen. Wie die SZ aus sicherer Quelle erfuhr, wird Kroos trotz eines laufenden Vertrags bis 2015 in diesem Sommer zu Real Madrid wechseln - eine offizielle Verkündung steht noch aus, weil sich Kroos und sein Management mit den Real-Verantwortlichen noch über ein paar letzte technische Vertragsdetails wie Prämien und Markenrechte einigen müssen. Daran werde es aber kaum mehr scheitern, sagt ein Insider.

Beim FC Bayern bedauern sie diese Entwicklung, aber sie hatten am Ende keine andere Wahl mehr, als vorübergehend doch zum Verkäufer-Verein zu werden. Kroos habe weitere Gespräche über eine Verlängerung des Vertrages zu den Bedingungen des FC Bayern abgelehnt, heißt es, und so habe am Ende auch Trainer Pep Guardiola grünes Licht für einen sofortigen Transfer gegeben.

FC Bayern will atmosphärische Störungen vermeiden

Der Trainer habe zu viel Unruhe befürchtet, falls Kroos mit einem 2015 auslaufenden Vertrag in die neue Saison gegangen wäre - ständig wäre Guardiola in Pressekonferenzen nach Kroos und dessen Vertragssituation gefragt worden, ständig hätte der Trainer irgendwelche Ausflüchte suchen müssen. Der FC Bayern wollte es sich auch aus atmosphärischen Gründen nicht leisten, mit dieser offenen Personalie ins neue Spieljahr zu starten.

Die letzte Einigung mit Real vorausgesetzt, endet nun eine kleine Ära, die aus verschiedenen Gründen keine große Ära wurde. Die Bayern und Toni Kroos, das war eine widersprüchliche Beziehung in all den Jahren. Erst platzten die Bayern vor Stolz über ihre Entdeckung, sie haben den jungen Mann zum besten 17-Jährigen dieser und anderer Welten ausgerufen, und sie haben ihm damals schon das Trikot mit der Nummer 10 reserviert, das sie dann wenig später Arjen Robben gaben.

Zwischendurch waren die Bayern auch immer wieder enttäuscht von Kroos, er war ihnen zu wenig bajuwarisch, zu wenig Führungsspieler, und sie haben ihm lange nachgetragen, dass er im Champions-League-Finale gegen Chelsea im Elfmeterschießen kniff. Außerdem wolle auch dieser festgeldpralle Klub auf seine Gehaltsstruktur achten, war zuletzt immer wieder zu hören, allerdings haben die Bayern vorher noch den sündhaft teuren Mario Götze verpflichtet - für eine Ablösesumme von 37 Millionen Euro und ein Gehalt, das offenbar weit über dem von Kroos lag. Was Kroos schon deswegen mitbekam, weil er und Götze denselben Berater haben.

Am Ende hat sich Kroos also deutlich unterbewertet gefühlt in diesem Klub - die ganz hohen Herren um Klubchef Karl-Heinz Rummenigge waren offenbar nicht der Meinung, dass Kroos hierarchisch in jene Gehaltsgruppen gehört, in denen er sich gerne gesehen hätte. So endet die Geschichte nun wohl einigermaßen unglücklich: Kroos wird die Bayern zum falschen Zeitpunkt verlassen - gerade jetzt, da der früher gerne etwas temperamentlos wirkende Mittelfeldspieler auf dem besten Weg war, ein bajuwarischer Führungsspieler zu werden.

Lahm/Kroos/Thiago, das sei Pep Guardiolas Wunschkombination für ein Dreier-Mittelfeld, hieß es zuletzt immer aus dem Klub, und so werden sie sich jetzt etwas einfallen lassen müssen, um den Trainer glücklich zu machen.

München sucht sich nach Ersatz bei der WM um

Die Bayern setzen natürlich auf den grandiosen Thiago, sie setzen auch darauf, dass Mario Götze sich irgendwann wieder an seine frühere Form erinnert, und sie setzen auch auf den Mittelfeldspieler Lahm, der künftig noch häufiger in der Zentrale anzutreffen sein wird - dennoch werden sie den Markt verschärft nach Spielern scannen, die das Mittelfeld verstärken können. Zuletzt wurde der neue technische Direktor Michael Reschke beim WM-Spiel Frankreich gegen Nigeria gesichtet.

Womöglich steht in den kommenden Wochen auch noch ein weiterer Abschied bevor, aber das wäre keiner, der Guardiola allzu sehr schmerzt. Noch läuft die Weltmeisterschaft, noch ist der internationale Transfermarkt nicht wirklich in Bewegung gekommen, weshalb Mittelstürmer Mario Mandzukic immer noch Spieler des FC Bayern München ist. Aber auch er wird am Ende wohl gehen - als Kandidat gilt Champions-League-Finalist Atlético Madrid.

© SZ vom 05.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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