Tomáš Rosický beim FC Arsenal:Unverzichtbares Schnitzel

Arsenal's Ozil, Rosicky and Giroud celebrate Giroud's goal against Everton during their English FA Cup quarter final soccer match at the Emirates stadium in London

Erst Schnitzel, dann Mozart, jetzt Superheld: Arsenal's Tomas Rosicky (Mitte).

(Foto: REUTERS)

Mesut Özil sorgt beim FC Arsenal für die Tore, Tomáš Rosický für die Stabilität. Obwohl der Tscheche bereits 33 Jahre alt ist, gibt ihm Trainer Wenger einen neuen Vertrag. Auch wenn er dafür schon zum zweiten Mal mit seinen Prinzipien brechen muss.

Von Julian Beyer

Wer redet schon gerne über sein Alter? Tomáš Rosický jedenfalls nicht. Wenn er trotzdem darauf angesprochen wird, gibt sich der Profi des FC Arsenal große Mühe, jünger daher zu kommen. Als heimische Journalisten mit englischer Höflichkeit fragten, wie er sich als alternder Fußballer so fühle, präsentierte Rosický seine eigene Zeitrechnung, die er "Fußballerjahre" nennt. Wer nicht spielt, altert nicht, so die Rosický'sche Formel: "Ich habe zwei Jahre durch Verletzungen verloren", sagte er. Da sei ja wohl klar, dass die Zeit von seinem eigentlichen Alter abzuziehen sei. In seinem Ausweis ist dennoch der 4. Oktober 1980 als Geburtstdatum vermerkt. Rosický ist 33 Jahre alt.

Am Dienstagabend gastiert der FC Arsenal im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim FC Bayern. Großes Thema ist Mesut Özil, der deutsche Nationalspieler, der im Hinspiel einen Elfmeter verschoss. Doch auch in seinem Schatten hat sich eine entscheidende Weichenstellung ergeben: Es geht um Tomáš Rosický. Er ziert das Cover der aktuellen Ausgabe des Vereinsmagazins Arsenal, die Schlagzeile: "Spielentscheider". Der Grund ist seine Vertragsverlängerung. Der 33-Jährige hat soeben laut englischen Medienberichten für zwei weitere Jahre bis Juni 2016 unterschrieben - auf großen Wunsch seines Trainers Arsène Wenger. In einem Alter, in dem Fußballspieler beim FC Arsenal eigentlich keine solchen Verträge mehr angeboten bekommen.

"Ritterschlag" für den Tschechen

"Das ist ein Ritterschlag", sagt Jens Lehmann zu SZ.de, "Arsène Wenger hat seine Einjahrespolitik endlich revidiert". Der ehemalige deutsche Nationaltorwart hat viele Jahre zusammen mit Rosický bei Arsenal gespielt. Die dortige Transferpolitik kennt er nur zu gut. Schließlich fiel er ihr selbst zum Opfer. Vor Ende seiner vierten Saison im Sommer 2007 erhielt der damals 37-Jährige ein Vertragsangebot für ein weiteres Jahr. Lehmann forderte aber einen Kontrakt über zwei Jahre, und scheiterte an Wengers strengen Prinzipien. Für Spieler über 30 Jahre gab es nur Einjahresverträge.

Die Ausnahme heißt Tomas Rosicky - und das zum zweiten Mal. Schon im März 2012 bekam der damals 31-Jährige einen neuen Vertrag über zwei Jahre von Teammanager Arsene Wenger vorgelegt. "Ich wollte Tomas immer behalten", sagte der vor zwei Jahren. Diesmal ist es nicht viel anders. "Ich bestehe darauf, dass er bei Arsenal bleibt", fordert Wenger. "Er hat die alten Werte, die Wenger so mag", sagt Lehmann, "er kann ein Spiel drehen, von dieser Sorte gibt es nicht viele Spieler". Außerdem profitierten die jungen Teamkollegen von der Erfahrung des Tschechen, erklärt der ehemalige Torhüter. Fünf Jahre lang spielte Lehmann mit Rosický in einer Mannschaft, erst bei Borussia Dortmund, danach in London.

Rosický hat sich verändert seit seiner Zeit in Dortmund. Damals war er ein Techniker mit schmächtiger Figur. "Iss mal 'n Schnitzel", rief ihm ein BVB-Fan bei dessen Ankunft 2001 in Dortmund zu. Der Spitzname "Schnitzel" begleitete ihn durch all seine 186 Bundesliga-Partien. Im Sommer 2006 wechselte er nach London. Dort nannten ihn die Fans "Mozart", seine Spielweise aber blieb dieselbe. Rosický war der Techniker hinter den Spitzen, Vorlagengeber und Freistoßschütze. Defensiv gelang dem Tschechen wenig.

Rosicky steht für die Organisation beim FC Arsenal

Das ist heute anders. Denn unter Wenger hat sich Rosický zu einem robusten Strategen entwickelt, der keinen Zweikampf scheut. "Als er bei Arsenal angefangen hat war er kein taktisch kluger Spieler, sondern der kreative Mozart aus Prag", sagt Wenger, "heute gibt er unserem Spiel die Struktur". Seine technischen Qualitäten hat Rosický aber behalten. "Er hat einen hervorragenden Außenrist", sagt Lehmann, "und er ist nach wie vor ungewöhnlich schnell."

Mesut Özil steht für den Angriff und die Tore beim FC Arsenal, Tomáš Rosický für die Organisation dahinter. Und wenn Özil in einem Formtief steckt, übernimmt der 33-Jährige auch das Toreschießen. Wie in der Partie gegen Sunderland am Wochenende. Erst gab Rosický im Mittelfeld lautstark Anweisungen, kurz darauf spielte er mit Stürmer Olivier Giroud einen Doppelpass und überlistetete Torwart Vito Mannone mit einem Lupfer. Nach dem Sieg wählten ihn die Fans zum besten Spieler des Monats.

Die Fans feiern ihn wie einen Superhelden

Doch der Tscheche hat auch eine große Schwäche: Er ist stark verletzungsanfällig. Rosický spielt seit acht Jahren für Arsenal. 146 Spiele hat er in der englischen Premier League absolviert, 75 Mal wegen einer Verletzung gefehlt.

Besonders schlimm erwischte es ihn im Januar 2008. Eine komplizierte Sehnenverletzung im linken Knie verbannte ihn für mehr als 18 Monate auf die Tribüne. Bei der EM 2012 verletzte sich der Tscheche erneut und fehlte Arsenal mit Schmerzen an der Achillessehne für die nächsten fünf Monate. Seiner Form lief er auch 2013 noch lange hinterher.

Doch in London vergessen sie schnell, besonders, wenn es um Tomáš Rosický geht. Die Fans lieben ihn und feiern ihn wie einen Superhelden. "Super Super Tom", heißt das Lied, dass im Clock End, der Tribüne der singstarken Arsenal Supporters, ertönt, wenn der Tscheche aufläuft. 26 Mal war das in dieser Saison der Fall. In Arsène Wengers Konzept hat er eine tragende Rolle. "Ich bin stolz, dass ich immer noch hier bin", sagt der 33-Jährige. Und sein Trainer lobt: "Bei ihm steht der Verein immer an erster Stelle."

Zwei Jahre bleiben Rosický noch, um nach 2005 endlich wieder einen Titel für Arsenal zu holen. "Ich will die Liga mit Arsenal gewinnen, das ist mein großes Ziel", meint er. Gelingt ihm das, könnte er sich unsterblich machen. Rosický selbst fühlt sich fit genug. Er rechnet schließlich in "Fußballerjahren".

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