Rassismus-Debatte bei Schalke 04:Es wird eng für Tönnies

Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies

Schalke 04: Wie gehts weiter mit Klubboss Clemens Tönnies?

(Foto: dpa)
  • Schalke-Boss Clemens Tönnies drohen nach seinen rassistischen Aussagen aus der Vorwoche Konsequenzen.
  • Der Schalker Ehrenrat könnte ihn seines Amtes entheben.
  • Die Reaktionen aus Sport und Politik fallen deutlich aus.

Von Jonas Beckenkamp

Der Dienstag dieser Woche könnte beim FC Schalke 04 ein historischer Tag werden. Denn nach den rassistischen Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies steht beim Klub aus dem Ruhrgebiet eine wegweisende Entscheidung an. Es geht um eine Zukunft mit oder ohne Tönnies, um ein klares Bekenntnis gegen Fremdenfeindlichkeit und um das Bewahren der festgeschriebenen Werte des Klubs. Schalke als Schmelztiegel der Kulturen im Pott - das ist das Selbstverständnis des Traditionsvereins.

Doch Schalke stellt gerade fest, dass es gar nicht so einfach ist, mit einem Vereinsboss umzugehen, der dieses Selbstverständnis aufs Fatalste in Frage gestellt hat. Vielleicht hat sich Tönnies gar einen unverzeihlichen Fehltritt geleistet - denn auch seine Entschuldigung hat im aufgeregten Gelsenkirchener Umfeld längst nicht alle befriedet. So könnte der Ehrenrat nun ein weitreichendes Urteil sprechen. Er ist in der Lage, Tönnies zum Rücktritt zu zwingen, wenn es dafür eine Mehrheit gäbe.

Der 63-jährige Tönnies habe unverzüglich zugesagt, der Einladung des in diesem Fall maßgeblichen Vereinsgremiums Rede und Antwort zu stehen, sagte Anja Kleine-Wilde, Leiterin der Schalker Unternehmenskommunikation, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Man wird das nicht tagelang aufschieben. Clemens Tönnies war sofort bereit, zu kommen und sich vor dem Ehrenrat zu erklären." Tönnies will also um seine Position kämpfen, sein Amt mag für ihn kein Lebenswerk sein, wie es der Vereinsvorsitz etwa bei Bayern-Präsident Uli Hoeneß ist - aber auch Tönnies ist ja schon lange dabei. Im Aufsichtsrat sitzt er bei Schalke seit 1994, seit 2001 sogar als Vorsitzender.

Der Fleisch-Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück hatte in der Vorwoche beim Tag des Handwerks in Paderborn als Festredner Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren", sagte Tönnies. Die Empörung ist groß, auch im eigenen Verein. Für die Äußerungen hatte er sich später entschuldigt, doch etlichen Vertretern aus Politik und Sport reicht das nicht.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht etwa spricht von "dumpfem Rassismus". Man müsse sich "ganz klar machen: Wir lassen uns nicht spalten. Rassismus muss man überall laut und deutlich widersprechen: in sozialen Netzwerken, im Verein, im Job und auf dem Fußballplatz", sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. Ihre Forderung nach einem Eingreifen des DFB realisierte sich noch am Sonntag. Der Vorsitzende der Ethikkommission des Verbandes, Nikolaus Schneider, bestätigte, dass die Aussagen bei der nächsten Sitzung am 15. August Thema sein werden. "Die öffentliche Wirkung ist schlimm", sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Auch Asamoah ist schockiert

Das dreiköpfige Gremium kann selbst keine Strafe gegen Tönnies aussprechen, den Vorfall aber zur Anklage bei der DFB-Gerichtsbarkeit bringen. Am Samstag hatte Tönnies bereits deutliche Worte von DFB-Interimschef und Ligapräsident Reinhard Rauball zu hören bekommen. "Ich war sehr überrascht, dass ihm das so passiert ist, und das kann man nicht durchgehen lassen, kommentarlos", befand Rauball nach dem Supercup in Dortmund.

Und dann kamen auch Bewertungen, die Tönnies besonders schmerzen dürften: Etwa von Gerald Asamoah, dem ewigen Schalker und Herzenskicker mit afrikanischen Wurzeln. Der frühere Nationalspieler bezeichnet sich selbst als Freund des Klubbosses, nun aber sei er "überrascht, geschockt und auch verletzt. Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen", wie Asamoah auf Instagram schrieb.

Ähnlich äußerte sich auch der gebürtige Hamburger Otto Addo, ein weiterer früherer Bundesligaprofi (u. a. beim BVB), dessen Familie aus Ghana stammt. "Es ist beschämend, dass ein Mann in einer solchen Funktion eine solche Aussage trifft", sagte er der dpa: "Das ist mehr als ein dummer Spruch. Denn was mich noch mehr stört als der Spruch ist das Gedankengut, das dahintersteckt. Und dann rutscht so etwas eben mal raus. Das ist primitiv und zeugt von Unwissen." In dieser Kritik offenbart sich ein großes Problem für Tönnies: Viele Kritiker nehmen ihm seine in Etappen erfolgte Entschuldigung nicht ab. Bei afrikanischstämmigen Mitbürgern habe er konkret etwa noch gar nicht um Vergebung gebeten.

Eine finale Einschätzung zu Tönnies' Geisteshaltung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Chefetage unterliegt nun dem eingangs erwähnten Ehrenrat. Die aus fünf Mitgliedern bestehende Gruppierung, darunter zwei Richter, kann dann einschreiten, wenn auf akute Weise Vereinswerte von Mitgliedern verletzt werden. Zwar kann auch der dreiköpfige Schalker Vorstand mit Alexander Jobst (Marketing und Kommunikation), Peter Peters (Finanzen und Organisation) und Jochen Schneider (Sport) laut Vereinssatzung Sanktionen verhängen. Doch der Ehrenrat müsste diese wiederum abschließend überprüfen.

Mögliche Konsequenzen reichen nun von einer "Verwarnung", einem "Verweis" bis zur "Enthebung aus Vereinsämtern auf Zeit und Dauer". Bis zu einer Ehrenratsentscheidung werde sich kein Verantwortlicher mehr zu dem Thema äußern, betonte Vereinssprecherin Kleine-Wilde. Am Ende könnte es so kommen, wie Cacau, Integrationsbeauftragter des DFB, es offenbar empfindet: Dass Tönnies tatsächlich gehen muss. Je länger er darüber nachdenke, "desto unvorstellbarer wird es, dass ein Mann seiner Position und Erfahrung so generalisierend und abfällig über die Bevölkerung eines ganzen Kontinents spricht", teilte Cacau mit.

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