Tölzer Löwen:Das Eis ist abgetaut

Tölzer Löwen: Tränenreicher Abstieg: Die Tölzer Löwen nach dem 3:4 nach Verlängerung gegen die Bayreuth Tigers.

Tränenreicher Abstieg: Die Tölzer Löwen nach dem 3:4 nach Verlängerung gegen die Bayreuth Tigers.

(Foto: Oliver Rabuser)

Große Träume, tiefer Fall: Ein Unternehmer will Bad Tölz mal wieder zu einer deutschen Eishockey-Meisterschaft führen. Stattdessen steigen die Löwen nach seinem Zahlungsstopp und mit einem viel zu kleinen Kader nun in die dritte Liga ab.

Von Christian Bernhard

Wer sich im Bad Tölzer Eisstadion der historischen Dimension des dort ansässigen Eishockeyvereins bewusst werden möchte, begibt sich am besten zum Treppenaufgang, der zwischen der Nordkurve und dem Haupteingang gelegen ist. Von dort führen 20 Stufen hoch zu den Logen und zum Vip-Raum, auf denen man viele eingerahmte Bilder betrachten kann, 55 an der Zahl. Darauf zu sehen sind die vielen großen Figuren der großen Bad Tölzer Eishockey-Geschichte, Hans Zach zum Beispiel, Lorenz Funk oder Axel Kammerer. Personen, die das deutsche Eishockey geprägt haben - oder immer noch prägen, wie die aktuellen Nationalspieler Leo Pföderl, Korbinian Holzer, Yasin Ehliz und Konrad Abeltshauser.

Aus dem Vip-Raum konnte man in den vergangenen fünf Jahren Tölzer Zweitliga-Eishockey verfolgen. Teilweise sogar sehr gutes, etwa in der vergangenen Saison, als die Tölzer Löwen die DEL2-Hauptrunde auf Rang zwei abschlossen. Hubert Hörmann, Präsident des EC Bad Tölz und Beiratssprecher der Löwen, findet, das sei "das beste Eishockey" gewesen, "das je in Bad Tölz zelebriert wurde". Er kann damit nur die jüngere Vergangenheit meinen, denn in den 1960er Jahren feierte der EC Bad Tölz zwei Deutsche Meisterschaften. Doch auch mit Zweitliga-Eishockey ist es in Bad Tölz nun erst einmal vorbei. Am Dienstag verloren die Löwen in ihrem Stadion gegen die Bayreuth Tigers mit 3:4 nach Verlängerung und stehen damit als sportlicher Absteiger in die Oberliga fest. Das fühle sich an, als habe ihn ein Pferd in den Unterleib getreten, sagte Löwen-Trainer Kevin Gaudet am Tag nach dem Abstieg.

"Sie sagten mir: Kevin, du gehst in die Hölle! Sie hatten alle recht", sagt Trainer Gaudet. Er geht nun zurück nach Kanada

Vor einem Jahr noch Hauptrunden-Zweiter, jetzt Absteiger: Die Frage, wie es so weit kommen konnte, drängt sich auf. Geschäftsführer Ralph Bader hatte darauf bereits wenige Minuten nach der entscheidenden Niederlage eine Antwort. Nachdem er auf der Eisfläche an mit Sektflaschen hantierenden Bayreuthern vorbei gestapft war, sagte er im Pressekonferenzraum: "Die Fehler wurden zu Beginn der Saison, im Sommer, gemacht." Dazu muss man wissen: Im Sommer war Bader noch nicht Löwen-Geschäftsführer, er übernahm das Amt im Januar - als Dritter in dieser Position in nur 13 Monaten nach Christian Donbeck und Jürgen Rumrich. Die Schuld für den Abstieg sieht er bei "denen, die vor meiner Zeit verantwortlich waren". Ihm seien finanziell die Hände gebunden gewesen.

Baders Vorwurf lautet: Man könne nicht mit einem aus neun Stürmern und fünf Verteidigern bestehenden Kader in eine DEL2-Saison gehen. Gaudet stimmt ihm zu, ein derart kleiner Kader sei der "größte Fehler" gewesen. Die SZ erfuhr aus teaminternen Kreisen, dass die Kaderzusammenstellung auch in der Kabine als "bodenlose Frechheit" wahrgenommen wurde, da die Spieler "verheizt" worden seien. Gaudet erzählt, er sei von vielen Seiten im Sommer gewarnt worden. "Sie sagten mir: Kevin, du gehst in die Hölle! Sie hatten alle recht." Aber Gaudet, der eng mit Hörmann verbunden ist, wollte seinen Präsidenten nicht im Stich lassen. Für den 58-Jährigen ist die Zeit in Bad Tölz nun vorbei, er wird Ende des Monats in seine kanadische Heimat zurückkehren und dort auf Angebote aus den obersten zwei Ligen warten.

Eineinhalb Tage nach dem Abstieg sitzen Bader und Hörmann in der Geschäftsstelle der Löwen, an der Wand hängen zahlreiche Sieger-Urkunden von deutschen Jugend- und Schüler-Meisterschaften. Das Eis im Stadion ist schon abgetaut. Das Löwen-Führungsduo blickt erst einmal zurück - ehe nach vorne geschaut wird. "Wir müssen erst die Scherben zusammenkehren", sagt Bader. Hörmann, seit zwölf Jahren in prägender Funktion bei den Löwen tätig, gesteht "sportliche" Fehler ein, "da braucht man nichts schönreden". Er startet mit seiner Analyse im April 2021, als klar war, dass der damalige Hauptsponsor Wee kein Geld mehr überweisen würde - und zwar laut Hörmann "eine für Bad Tölz ungeheure Summe", die nach SZ-Informationen im hohen sechsstelligen Bereich lag.

Wee-Gründer Cengiz Ehliz hatte das Motto "Zurück in die Zukunft. Jetzt geht's los!" ausgerufen

Für Gaudet ist klar: "Das war der Anfang vom Ende." Der Kanadier war 2019 wegen der großen Pläne von Wee nach Bad Tölz gekommen. Unter dem Motto "Zurück in die Zukunft. Jetzt geht's los!" hatte Wee-Gründer Cengiz Ehliz, der Onkel von Yasin Ehliz, damals angekündigt, man wolle bis zum Jahr 2023 in die DEL aufsteigen und 2026 Deutscher Meister werden. "Ich habe mir gesagt: Wow, das ist mal eine Perspektive", erinnert sich Gaudet. Doch es kam ganz anders: Statt 2023 in der DEL zu spielen, werden die Löwen das Jahr 2023 in der Oberliga erleben.

Oder etwa doch nicht? Hörmann verzeiht der Liga nicht, dass diese Saison trotz der anhaltenden Corona-Probleme die Playdowns wieder ausgespielt wurden, nachdem sie in der Vor-Saison noch ausgesetzt worden waren. "Die Liga hat durch ihr inkonsequentes Handeln einen Wirtschaftsbetrieb vernichtet", poltert er, "und das ist unverantwortlich." Ob der Klub dagegen rechtlich vorgehen wird, sei noch offen, sagt Bader, "wir werden zumindest von dem Recht Gebrauch machen, mal alles zu prüfen." Er weiß, wie schwer ein direkter Wiederaufstieg wäre. "In der DEL2 bleiben oder vielleicht die Chance kriegen, drin zu bleiben, ist einfacher, als wieder aufsteigen, ganz klar." Einen großen Umbruch im Kader wird es auf jeden Fall geben. Markus Eberhardt und Thomas Brandl wechseln nach SZ-Informationen zum EV Landshut, Maximilian Leitner zu den Adlern Mannheim. Bader hofft, dass Philipp Schlager und Lubor Dibelka seine Oberliga-Vertragsangebote annehmen, auch an einer Weiterverpflichtung von Tyler McNeely und Pascal Aquin hat er Interesse.

Das Wort Wiederaufstieg nehmen weder Bader noch Hörmann in den Mund. Hörmann befürchtet, dass die Kosten in der Oberliga ähnlich hoch sein werden wie in der DEL2, wenn man eine Mannschaft zusammenstellen will, die oben mitspielt. Zu tun gibt es mehr als genug - nicht nur im Vip-Raum. Was den betrifft, sei der Traditionsklub von anderen DEL2-Vereinen "meilenweit entfernt", beklagt Hörmann. Es muss sich viel ändern im Tölzer Eishockey. Wieder einmal.

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