Süddeutsche Zeitung

Tochter des ukrainischen Nationaltrainers:Multitalent in Gelb und Blau

Schauspielerin, Sängerin und dann auch noch Fernsehmoderatorin: Irina Blochina hat schon vieles versucht, derzeit ist sie vor allem eins: das ukrainische Gesicht dieser EM. Die 29-Jährige hat die Turnier-Hymne für ihr Land geschrieben, auch Vater Oleg Blochin zeigt sich gerührt - doch einen Herzenswunsch will er seiner Tochter nicht erfüllen.

Johannes Aumüller

Da sitzt Irina Blochina nun jeden Abend in dieser großen Männer-Runde, um sich herum ein paar Experten, unter denen sich nicht nur ein paar wichtigtuerische Gurus und Ex-Gurus, sondern auch ein paar besonders wichtigtuerische Ex-Ex-Gurus befinden. Manchmal trägt sie Kleider, die besser in eine der zahlreichen angesagten Diskotheken in der Nähe des Fernsehstudios passen würden, aber manchmal wirft sie sich auch in einen Dress, der nur aus gelben und blauen Farben besteht - den Farben der ukrainischen Nationalmannschaft.

Die Zuschauer streiten sich noch, in welchem Set die ohnehin attraktive Blondine nun noch attraktiver aussieht, zu ihrer Rolle passt jedenfalls das zweite besser. Denn wenn sie allabendlich nach den EM-Spielen zusammen mit Alexander Denissow die Talk-Runde Velikij futbol (großer Fußball) moderiert, übernimmt sie gerade vor allem eine Funktion: die des obersten, wichtigsten und hübschesten Fans des Landes. "Ich bin die Stimme der Zuschauer", sagt sie, "ich rede darüber, was das Volk interessiert." Aha.

Irina Blochina ist nicht irgendwer. Sie ist Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin, und vor allem ist sie die Tochter von Nationaltrainer Oleg Blochin sowie dessen erster Frau Irina Derjugina, früher Weltmeisterin der Rhythmischen Sportgymnastik. Und so dürfen sich die Politiker und EM-Verantwortlichen in der Ukraine freuen, dass sich viele ausländische Gäste gerade nicht so sehr für eine blonde Frau namens Julia Timoschenko interessieren, sondern umso mehr für diese blonde Frau namens Irina Blochina, die seit ihrer Hochzeit mit dem umstrittenen Rapper Sergej Larkin alias Larson eigentlich Irina Larkina heißt.

Es ist ja auch nur schwer möglich, einen Tag ohne sie zu verbringen. Irina Blochina in der Fußball-Expertenrunde. Irina Blochina in den Fernseh-Werbespots. Irina Blochina im knappen Kleidchen am Trainingsplatz. Irina Blochina als Thema in der offiziellen Pressekonferenz vor dem Spiel.

Irina Blochina Hand in Hand mit dem kleinen Jungen Timur, der beim 2:1-Auftaktsieg der ukrainischen Nationalelf gegen Schweden so süß jubelte, dass er seitdem alle Video-Toplisten im Internet anführt und sich zum zweitbekanntesten Gesicht des Landes nach Irina Blochina entwickelte. Irina Blochina hier, Irina Blochina dort, Irina Blochina überall.

Bis zum Beginn dieser Europameisterschaft wusste kaum jemand, wer die 29-Jährige ist - obwohl sie durchaus versucht hatte, nicht nur in ihrem Heimatland, sondern auch im Westen bekannt zu werden. Sie lebte eine Zeit lang in den USA, hatte schon eine kleine Rolle im Hollywood-Film "Klick" mit Adam Sandler, einen Auftritt in der Fernsehserie "Two and a half man" und versuchte sich unter dem Künstlernamen Ireesha als Sängerin.

Zumindest in der Ukraine sprangen schon ein paar Top-Ten-Platzierungen heraus, und im vergangenen Sommer schrieb sie gemeinsam mit Wladimir Klimaschenko die EM-Hymne für die Ukraine. Der Titel lautet "Unsere Zeit zu glänzen", und erst aus dem Text geht hervor, dass es sich dabei nicht um einen Pluralis Majestatis handelt. "Musik ist meine Religion", sagt sie.

Zudem arbeitet sie bereits seit einiger Zeit als Choreographin, unter anderem für das nationale olympische Team in der Rhythmischen Sportgymnastik. Das hat sicher ausschließlich mit ihren außergewöhnlichen choreographischen Fähigkeiten zu tun und nur bedingt mit der Tatsache, dass ihre Mutter Irina Derjugina bei diesem Verband als Vize-Präsidentin und Chef-Choreographin arbeitet und ihre Großmutter Albina Derjugina als Präsidentin und Cheftrainerin.

Ihr Vater Oleg Blochin wiederum, der meistens so mürrisch und kauzig auftritt, gibt sich immer ganz gerührt, wenn es um seine Tochter geht. Als er kürzlich Gast in einer TV-Sendung war, trat dort überraschend Irina Blochina auf - und wenn man nicht genau wüsste, dass ein Oleg Blochin niemals Tränen in den Augen hat, schien es für einen Moment so zu sein, als hätte er dort Trä... na ja, vielleicht war es der Schweiß, es ist ja immer sehr heiß in diesen TV-Studios. "Ich finde das Lied toll", sagte er. "Als Vater und als Fan, als Spezialist kann ich das ja nicht beurteilen."

Für ihre eigene Fernsehsendung wünscht sich Irina Blochina jetzt nur noch zwei Dinge. Erstens, dass sie dort nicht nur als Fan gilt. "Ich kenne mich auch im Fußball aus", behauptet sie, und in der Tat hat sie allen ihren Gästen etwas voraus. Als sie noch klein war, schaute sie nämlich manchmal mit dem legendären Trainer Walerij Lobanowskij, dem Mentor all dieser Gurus, Ex-Gurus und Ex-Ex-Gurus, Fußballspiele.

Und einmal, so berichtete Irina Blochina kürzlich, habe der große Knurrer Lobanowskij sie auf ihren Schoß gesetzt, aufs Spielfeld gezeigt und gesagt: "Schau zu!" Und zweitens hätte sie gerne einmal ihren Vater in der Sendung. Doch als der Sender den Nationaltrainer vor der Europameisterschaft fragte, lehnte dieser dankend ab.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1384326
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.06.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.