Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Cholerischer Körper

Timo Boll, von seinen Bauchmuskeln im Stich gelassen, verpasst knapp sein erstes WM-Finale - doch der 40-Jährige kann sich mit der Bronzemedaille anfreunden.

Von Ulrich Hartmann

Timo Boll hat mit den Jahren ein mitunter zynisches Verhältnis zu seinem Körper entwickelt. Der 40-Jährige nennt ihn bisweilen "Kadaver". Vom Körper selbst hört man nie etwas Lustiges. Geht es ihm gut, dann schweigt er. Passt ihm etwas nicht, dann meldet er sich umso cholerischer. So auch bei der Weltmeisterschaft in Texas, bei der Boll trotz einer Bauchmuskel-Zerrung zwar Bronze geholt, den Einzug ins Endspiel wegen der Blessur aber verpasst hat. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen soll.

Eine Bauchmuskel-Zerrung ist schlimm für einen Tischtennisspieler. Der Rumpf wird extrem beansprucht. Boll hat trotz Schmerzen sein Viertelfinalspiel gegen den Amerikaner Kanak Jha gewonnen. Im Halbfinale gegen den Schweden Truls Möregardh gelang ihm solch ein Coup aber nicht noch einmal. Er verlor in sieben Sätzen. Am Ende fehlten ihm sechs Punkte zu seinem ersten WM-Finale. Man darf behaupten: Ohne die Schmerzen wäre Boll ins Finale eingezogen.

Medikamentös habe man "das Maximale ausgeschöpft", wie Boll verriet: "Was halt erlaubt ist." Nachdem er 3:4 (11:8, 11:8, 6:11, 8:11, 12:10, 8:11, 5:11) verloren und das Endspiel gegen den Chinesen Fan Zhendong verpasst hatte, sagte Boll: "In einem WM-Halbfinale zieht man einfach durch, gibt alles und schaut hinterher, wo die Körperteile liegen." Da war er dann wieder: Bolls zombiemäßiger Körperhumor.

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