Tischtennis:Einäugig ins Derby

Tischtennis: Beinahe unverwechselbar: Truls Moregardh vom TTC Neu-Ulm und sein markantes Spielgerät.

Beinahe unverwechselbar: Truls Moregardh vom TTC Neu-Ulm und sein markantes Spielgerät.

(Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Das Duell der bayerischen Tischtennis-Erstligisten wird zur klaren Sache für den TTC Neu-Ulm - zu lädiert tritt der TSV Bad Königshofen an. Auf beide Teams wartet nun noch ein Pokalspiel - und dann eine sechswöchige Pause.

Von Andreas Liebmann

Kurz musste sogar Bastian Steger schmunzeln, obwohl ihm vermutlich überhaupt nicht danach zumute war. Aber die Szene war doch zu kurios. Ein paar Bälle lang hatte sich Truls Moregardh, der WM-Zweite in Diensten des TTC Neu-Ulm, mit ihm gemeinsam eingespielt, dann blickte der 20-Jährige irritiert auf seinen Tischtennisschläger und rätselte. Als ihm die Lösung einfiel, musste auch der Schwede lachen, selbst der Schiedsrichter amüsierte sich prächtig. Denn Moregardh hatte tatsächlich einen fremden Schläger in der Hand. Ausgerechnet er, dessen weltweites Markenzeichen ein markantes sechseckiges Holz ist. Hätte ihm ja mal jemand sagen sollen, dass auch Filip Zeljko vom TSV Bad Königshofen vor Kurzem auf dieses sechseckige Modell umgestellt hat, das nun auf dem für Spielgeräte vorgesehenen Tisch wie ein Schlägerdouble neben Moregardhs Sechseck gelegen hatte.

Es sollte nicht lange dauern, bis Moregardh ein weiteres Mal irritiert dreinblickte, und diesmal hielt seine Irritation fast zwei Stunden lang an, bis nach dem Ende des bayerischen Erstliga-Derbys, das sein TTC Neu-Ulm 3:1 gewann. Denn Steger gab ihm nach etwas mehr als einem Satz die Hand zur Aufgabe. Der Routinier hatte auffallend fehlerhaft begonnen, eine gravierende Verletzung hatte Moregardh aber nicht erkannt, und danach kam ihm zu Ohren, dass Steger, 41, in einem eventuellen Schlussdoppel doch wieder mitgespielt hätte, was einigermaßen seltsam klang. Erst nach der Niederlage klärte Stegers Teamkollege Kilian Ort die Sache auf. "Wir haben fünf Leute im Kader, drei konnten nicht spielen - da geht die Rechnung nicht auf", erklärte er den Zuschauern des Livestreams. Ihr Zugang Yukiya Uda, der wegen Verpflichtungen für seinen Verband überhaupt erst einen Einsatz im Trikot der Unterfranken hatte, sei am Morgen vom Weltcup-Turnier im kasachischen Almaty mit einem grippalen Infekt angekommen, und Orts Nacken hatte über Nacht "zugemacht". Das habe Steger mit dessen Oberschenkelblessur, deretwegen er kaum in die Knie gehen konnte, zu jenem "Einäugigen unter den Blinden" gemacht, von dem man am ehesten gehofft habe, zumindest in einem Doppel noch etwas mithalten zu können. "Er hat sich für die Mannschaft geopfert", sagte Ort, auch wenn es dann ja gar nicht mehr zum Doppel kam.

Personell ist der TSV Bad Königshofen bislang vom Pech verfolgt in dieser Saison, obwohl er seinen Kader auf fünf Spieler vergrößert hat. Gleichzeitig zeigte der Vergleich mit dem TTC Neu-Ulm die unterschiedlichen Möglichkeiten, über die beide Vereine verfügen. Denn das vom Verleger Florian Ebner gegründete Team hat gleich siebeneinhalb Spieler zur Verfügung: Lev Katsman, Vladimir Sidorenko, Maksim Grebnev und Nikita Artemenko für die Bundesliga, dazu das Weltklassequartett Moregardh, Dimitrij Ovtcharov, Lin Yun-ju und Tomokazu Harimoto für besondere Anlässe - die Champions League vor allem, den Pokal und eben ausgesuchte Ligaspiele, für die einzig Harimoto nicht lizenziert ist.

Sechs Wochen Pause stehen nun in der Liga an. Zeit für Training und Neuaufbau

So wurde dieses Duell am Montagabend zu einer recht vorhersehbaren Angelegenheit, an der einzig die starke Form Filip Zeljkos für die Unterfranken etwas hätte ändern können. Der hatte zunächst Katsman mit seinen gefährlichen Aufschlägen und einem beinahe fehlerlosen Angriffsspiel 3:0 niedergehalten. Und später gewann er auf ähnliche Art auch den ersten Satz gegen Moregardh. Der TTC lag da 2:1 in Führung, weil Sidorenko sich im dritten Einzel 3:1 gegen Martin Allegro durchgesetzt hatte, obwohl der Belgier in jedem der ersten drei Sätze Satzbälle hatte. Moregardh zeigte dann gegen Zeljko, der bis zum letzten Ballwechsel Tempo und Niveau sehr hochhielt, dass er in engen Situationen trotzdem noch etwas mehr Weltklasse draufpacken konnte. Speziell zu sehen beim Stand von 9:9 im vierten Satz, als Zeljko ihn schon fast ausmanövriert hatte - und der junge Schwede nach einem Notschlag plötzlich doch noch einen unerreichbaren Rückhandblock zum Matchball zustande brachte. Er fand sein Finish später selbst unglaublich.

Erst vor wenigen Tagen hat die Liga den Rest der Hinrunde terminiert. Sechs Wochen Pause stehen an, bis es in der TTBL weitergeht. Sechs Wochen, in denen zunächst die Team-WM in Chengdu und im Anschluss das WTT-Champions-Turnier für Top-20-Spieler in Macau stattfinden. Während dieser China-Tour bleibt Neu-Ulms jungen Russen, die ja international gesperrt sind, nichts als Training. Und auch Ort, der wegen seiner Blessuren nicht für die WM nominiert wurde (obwohl Deutschland dort ohne Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska antritt), will die nächsten Wochen zum Aufbau nutzen. Zuvor steht für beide Klubs noch je ein Pokalspiel an. TTC-Klubchef Ebner will sein Team erstmals ins Final Four des Pokals bringen, entsprechend dürfte die Aufstellung für das Achtelfinale an diesem Freitag in Bremen (19 Uhr) aussehen. Der TSV Bad Königshofen gastiert zur gleichen Zeit in Ochsenhausen. Ihr Ziel, sagt Ort, ist es, das Lazarett zu verkleinern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: