Tischtennis-Profi Dimitrij Ovtcharov:Wachwechsel an der Platte

ETTU European Table Tennis Championships in Austria

4:2, 4:1, 4:2, 4:3 und jetzt ein 4:1: Mit seinem Finalsieg in Wetzlar hat Dimitrij Ovtcharov alle fünf Duelle der jüngeren Vergangenheit mit Timo Boll für sich entscheiden können.

(Foto: Hans Punz/dpa)

Der 25-jährige Dimitrij Ovtcharov besiegt Timo Boll erstmals auch im Finale um die deutsche Meisterschaft und hat ihn damit wohl endgültig überholt. Auch an den Chinesen fühlt sich Ovtcharov dicht dran.

Von Ulrich Hartmann

Wer bislang nicht glauben wollte, dass die nationale Dominanz der deutschen Tischtennis-Ikone Timo Boll endgültig zu Ende ist, musste das Endspiel um die deutsche Einzel-Meisterschaft im hessischen Wetzlar als ernsthaftes Indiz akzeptieren. Am Sonntag standen sich der 32-jährige Altmeister Boll und sein 25-jähriger Herausforderer Dimitrij Ovtcharov gegenüber. Ovtcharov siegte klar in 4:1 Sätzen und feierte seinen ersten nationalen Einzeltitel.

Aber es ist nicht nur dieses eine Match, das den Wachwechsel im deutschen Tischtennis dokumentiert. Ovtcharov hat zuletzt binnen eineinhalb Jahren alle fünf Duelle gegen Boll gewonnen: 4:2 im Oktober 2012 in Bremen, 4:1 im Oktober 2013 in Verviers, 4:2 im November in Berlin, 4:3 im Februar in Lausanne und nun 4:1 in Wetzlar.

"Dima" Ovtcharov, geboren 1988 im ukrainischen Kiew und früh mit den Eltern ins niedersächsische Hameln umgesiedelt, ist die große deutsche Hoffnung für die Europameisterschaft 2015 in Deutschland, die Individual-WM 2015 in China und die Olympia 2016 in Rio. Auch Boll wird dort jeweils noch mit Chancen ins Rennen gehen. Ende April spielen die beiden aber zunächst einmal Seite an Seite um eine Mannschafts-WM-Medaille. "Bis dahin", sagt Bundestrainer Jörg Roßkopf, "müssen alle noch besser werden - auch Dima."

Die deutschen Männer um Ovtcharov und Boll wollen bei der Team-Weltmeisterschaft vom 28. April bis zum 5. Mai in der Yoyogi-Sportarena in Tokio wieder ins Endspiel einziehen. So wie 2012, als sie gehofft hatten, mit dem Heimvorteil in der Dortmunder Westfalenhalle endlich einmal gegen die Chinesen gewinnen zu können. Doch das war ein Trugschluss. Auch in der aktuellen Weltrangliste ist Ovtcharov zwar Sechster und Boll Achter - das klingt verheißungsvoll - doch vor Ovtcharov rangieren fünf Chinesen, zwischen Ovtcharov und Boll versteckt sich auf Platz sieben ein weiterer Chinese und hinter Boll lauern auch noch ein paar.

China könnte bei einer WM drei Teams aufstellen, die die ersten drei Plätze belegen würden. Zum Glück dürfen sie nur eines ins Rennen schicken, was den dahinter wiederum nahezu konkurrenzlosen Deutschen eine Medaille zwar so gut wie garantiert - halt bloß nicht die goldene: Silber oder Bronze sind möglich, je nach Setzliste.

2013 wurde Ovtcharov in Abwesenheit des erkrankten Boll erstmals Einzel-Europameister. Seinen größten Erfolg hatte er 2012 mit Bronze bei den Olympischen Spielen in London gefeiert. Seit vier Monaten nun rangiert Ovtcharov in der Weltrangliste vor Boll, der zuvor zwölf Jahre lang unangefochten bester deutscher Spieler gewesen war.

"Dicht dran an den Chinesen"

Mit dem ersten Einzeltitel hat der Jüngere den Älteren endgültig überholt. Boll wird am Samstag 33 Jahre alt, er ist im Dezember Vater einer Tochter geworden und kann aus körperlichen Gründen nicht mehr so intensiv trainieren wie Ovtcharov. Aber schon im vergangenen Jahr ist sein langjähriger Trainingspartner am Leistungszentrum in Düsseldorf an ihm vorbeigezogen.

Ovtcharov lebt und trainiert in Düsseldorf und fliegt für Meisterschafts- und Champions-League-Spiele nach Russland, wo er für den Klub Fakel Orenburg spielt. Mit diesem hat er zuletzt drei Mal in Serie die Champions League gewonnen, die er zuvor bereits nacheinander mit Borussia Düsseldorf und dem belgischen Klub Royal Charleroi holte - so wird Ovtcharov dieses Frühjahr vielleicht zum sechsten Mal in Serie Champions-League-Sieger.

Im Sommer werden die Trainingspartner Boll und Ovtcharov wieder in der chinesischen Super League mitspielen. Dort können sie sich mit den international eher scheuen Top-Chinesen messen und dadurch den Rückstand verkleinern. Ovtcharov findet: "Wir sind schon relativ dicht dran an den Chinesen." In jedem Fall aber hätten diese "einen gewissen Respekt vor uns". Ende April wollen die beiden diesen Respekt in Tokio spüren. 2015, wenn es um Einzel-WM-Gold in China geht, wird es noch schwerer, sie zu besiegen.

Ovtcharov ist zwar erst 25 und hat noch viel vor sich, doch Chinas neues Wunderkind Fan Zhendong ist soeben 17 geworden. Um da perspektivisch mithalten zu können, bräuchte das deutsche Tischtennis schon jetzt einen noch jüngeren und bereits fast ebenso starken Nachfolger von Ovtcharov.

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