Tischtennis:Nichts als Tränen

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"Am Ende ist es nur Sport": Petrissa Solja versuchte sich nach der Niederlage gegen Hongkong zu trösten - es gelang nicht wirklich. (Foto: Thomas Peter/Reuters)

Die deutschen Tischtennisspielerinnen wollten die Bronzemedaille so unbedingt, dass sie erst recht unerreichbar wurde. Ein kleines Lehrstück über das Verkrampfen.

Von Claudio Catuogno, Tokio

Nach dem Spiel soll im Sport immer auch vor dem Spiel sein, aber das stimmte gar nicht. Nach dem Spiel war nur unendliche Traurigkeit für die deutschen Tischtennisspielerinnen Petrissa Solja, Han Ying und Shan Xiaona, die ihr Spiel um Bronze 1:3 gegen Hongkong verloren hatten. Man hätte die drei gerne in Ruhe ihre Tränen weinen lassen, aber der olympische Zeitplan schob sie gleich durch die Medienzone, wo manchmal wenig Rücksicht genommen wird. Wie enttäuscht sind Sie? Was waren die Schlüsselsituationen? Was heißt das für Paris 2024?

In der Mitte stand Petrissa Solja, 27, die das Reden übernahm, während rechts von ihr Shan Xiaona, 38, still in ihre Maske weinte und links Han Ying, 38, in eine unendliche Weite blickte. Aber sehr lange hielt auch Solja nicht durch. "Am Ende ist es nur Sport", schluchzte sie. "Es muss einen Verlierer geben, damit es einen Gewinner geben kann."

Es muss ein großer Traum gewesen sein, den die drei Deutschen geträumt hatten. Je größer der Traum ist, desto schmerzlicher ist manchmal das Erwachen. Und das war auch schon die ganze Erklärung für die Niederlage in einem Spiel, das sie auf dem Papier hätten gewinnen können. So hatten sie sich das immer wieder versichert in den letzten Tagen, berichtete die Bundestrainerin Jie Schöpp: "Wir sind besser! Wir holen uns die Medaille!" Aber dann "sind wir den Druck nicht mehr losgeworden". Ja, ihre Spielerinnen hätten gekämpft, "aber sie haben gegen sich und ihre Ängste gekämpft - und leider nicht gewonnen".

Während des Spiels war also schon nach dem Spiel gewesen. Die Angst davor, hinterher enttäuscht zu sein, lähmte die Deutschen an der Platte. 2016 in Rio hatten Solja, Han und Shan Silber gewonnen, nach einem Überraschungssieg im Halbfinale gegen die Japanerinnen, "wir waren immer die, die sich nach oben spielen wollen", sagte Schöpp. "Diesmal hatten wird das erste Mal etwas zu verlieren."

Schon im Doppel, das Solja/Shan gegen Doo Hoi Kem/Lee Ho Ching gewannen, hatte Schöpp die Nervosität gesehen. "Viele Bälle waren sehr weich gespielt, wo man auch hätte schießen können", sagte sie, zu viel Sicherheitsschläge, zu wenig Risiko. "Wenn man seine Spielerinnen seit Jahren kennt, sieht man, dass sie sich anders bewegen als sonst." Han verlor dann ihr Einzel gegen Minnie Soo Wai Yam - im ersten Satz hatte die Deutsche schon 10:6 geführt, aber mit 10:12 ging er dann weg. Solja verlor klar gegen Doo. Und Shan hatte im letzten Einzel gegen Soo drei Satzbälle, trotzdem stand es am Ende 0:3.

"Es war eine wahnsinnige Stresssituation", sagte Petrissa Solja, wir wollten unbedingt diese Medaille gewinnen. Wir hätten mehr Mut gebraucht, aber wenn man in der Situation ist, ist es nicht so einfach wie im Training. Da haut man nicht einfach drauf." Dann durften die Drei endlich gehen, aber sehr lange hat man sie noch hinter einem schwarzen Vorhang schluchzen hören, und niemand dachte nach diesem Spiel an das nächste Spiel.

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