Timo Boll im Tischtennis:Schmerzen in allen Winkeln der Hüfte

Timo Boll bei Tischtennis-Schaukampf in Hallbergmoos, 2018

Auch mit 37 noch genial: Timo Boll misst sich beim Turnier in Incheon mit der Weltspitze.

(Foto: Marco Einfeldt)
  • Timo Boll trotzt allen Verletzungen und spielt unter Schmerzen den Tischtennis-Saisonhöhepunkt in Südkorea.
  • Die Grand Finals im südkoreanischen Incheon sind das höchstdotierte Tischtennisturnier der Welt.
  • Boll trifft nun auf einen alten Bekannten: den Chinesen Liang Jingkun.

Von Ulrich Hartmann

Timo Bolls vielleicht bester Ballwechsel überhaupt dauerte nur zehn Sekunden und umfasste bloß sieben Schläge. Doch damit demonstrierte er am 1. Juni in Shenzhen gegen den Chinesen Liang Jingkun, wie genial er auch noch mit 37 Jahren Tischtennis spielen kann. Auf zwei normale Rückhand-Blocks folgten zunächst zwei normale Vorhand-Topspins - aber dann wechselte Boll den Schläger zum nächsten Vorhand-Topspin blitzschnell von seiner starken linken in die schwache rechte Hand und sofort wieder zurück, mit der Rückhand ging er auf Angriff und gewann den Ballwechsel mit einem unglaublichen Windmill-Shot einen Meter neben dem Tisch, bei dem er den Schläger wie einen Windmühlenflügel seitwärts wischte.

Mit dieser artistischen Einlage war Boll beim Weltverband in der Auswahl für den "Ballwechsel des Jahres". Und am Freitag trifft er in Incheon bei den Grand Finals, dem höchstdotierten Tischtennis-Turnier der Welt, in der ersten Runde ausgerechnet auf: Liang Jingkun.

Boll hat sich als 16. Teilnehmer so gerade eben noch für das allein im Männereinzel mit 445 000 Dollar dotierte Turnier qualifiziert, aber er ist am Dienstag mit Rückenbeschwerden nach Südkorea geflogen, mit seit Wochen nur langsam abklingenden Schmerzen in allen Winkeln der Hüfte. Im Grunde bräuchte er eine ausgiebige Pause, aber den Saison-Höhepunkt lässt man nicht einfach sausen, auch nicht, wenn schon in der ersten Runde ein Chinese als Gegner wartet.

8560 Kilometer hin, womöglich nur ein Match von 30, 40 Minuten, und dann 8560 Kilometer wieder zurück - es gibt angenehmere Unternehmungen im Advent. "Diese Gefahr hat man aber bei jedem Turnier", sagt Boll. Außerdem habe er trotz verschiedener körperlicher Probleme in diesem Jahr mehrmals überraschend erfolgreich gespielt.

Er war sogar noch mal Weltranglistenerster

Im März war er mit fast 37 Jahren der älteste Weltranglistenerste der Tischtennisgeschichte, wenn auch nur für einen Monat, im September wurde er zum siebten Mal Einzel-Europameister, im Oktober verlor er beim World Cup in Paris erst im Finale gegen Chinas Topspieler Fan Zhendong. Deshalb war Boll auch noch mal als "Welttischtennisspieler des Jahres" nominiert worden. Diesen Titel, den er Ende 2017 erstmals gewann, bekam diesmal aber Fan Zhendong.

Die Deutschen Boll und Patrick Franziska sind im 16er-Feld der Grand Finals die einzigen Europäer; ansonsten spielen fünf Chinesen, vier Japaner, drei Südkoreaner, ein Hongkong-Chinese und ein Brasilianer. Franziska trifft in der ersten Runde auf das 15 Jahre alte japanische Wunderkind Tomokazu Harimoto.

Dimitrij Ovtcharov, im vergangenen Jahr noch im Finale gegen den derzeit weltbesten Spieler Fan Zhendong, hat die Qualifikation in diesem Jahr nicht geschafft. Eine Oberschenkelhalsentzündung hatte ihn wochenlang zur Pause gezwungen, danach fand er nicht zur gewohnten Form zurück. Auch Boll ist erst vorsichtig auf dem Weg zurück zur bewährten Form.

Im November hat er zehn Tage gar nicht gespielt, weil weder Spritzen noch entzündungshemmende Medikamente ankamen gegen die Schmerzen im Rücken und er zeitgleich auch noch eine Bronchitis bekam. "Jetzt ist es eigentlich schon wieder ganz gut", sagt er, aber wie gut es wirklich ist, wird man erst am Freitag an der Platte sehen. Sollte es nicht gut laufen und er gegen Liang Jingkun gleich sein erstes Spiel verlieren, wird er immerhin mit 15 000 Dollar Preisgeld getröstet.

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