Tischtennis:Kampf mit harten Bandagen

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Der deutsche Tischtennis-Weltverbandschef Thomas Weikert verliert nach internen Disputen das Vertrauen der ITTF-Exekutive. Vom Ausgang des Streits macht der Anwalt abhängig, ob er im September für eine dritte Amtszeit kandidiert.

Von Ulrich Hartmann, München

Im Tischtennis-Weltverband ist deutlich zu spüren, dass in einem halben Jahr Wahlen stattfinden. Bei der ITTF weht ein rauer Wind, er baut sich sogar langsam zu einem Sturm auf. Im Zentrum dieses Orkans steht ein Anwalt aus dem hessischen Limburg an der Lahn: Thomas Weikert, 59, ist seit sechseinhalb Jahren Präsident der ITTF, und er will sich am 18. September in seine dritte Amtszeit wählen lassen. Bis jetzt steht er zu seiner Kandidatur, doch der SZ sagte er am Mittwoch: "Ich kann mir nur schwer vorstellen zu arbeiten, ohne dass demokratische Werte eingehalten werden."

Weikert spielt damit auf aktuelle Verwerfungen im Exekutivkomitee des Verbands an. Er hat seinen Stellvertreter Khalil Al-Mohannadi kürzlich abgesetzt, weil das gegenseitige Vertrauen komplett verloren gegangen sei - und weil er sich auch sicher war, dass er das deswegen so tun darf. Der Katarer ist allerdings per Abstimmung vom Rest des elfköpfigen Komitees wieder ins Amt zurückgeholt worden. Die Rechtmäßigkeit dieser Wiedereinsetzung gegen seinen Willen lässt Thomas Weikert jetzt vom Verbandsgericht klären: "Ich habe Klage beim ITTF-Tribunal als zuständigem internen Schiedsgericht erhoben", sagt er. "Letztlich könnte aber auch der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne entscheiden." Weikert droht mit dem Äußersten. Er macht diese Frage auch zur Nagelprobe für seine eigene Kandidatur.

Weikerts Gegenspieler Al-Mohannadi aus Katar soll selbst Ambitionen auf das Amt haben.

Auch Al-Mohannadi werden Ambitionen auf das Präsidenten-Amt nachgesagt. Vor acht Monaten hat sich der katarische Tischtennis-Präsident in den Aufsichtsrat einer in Singapur ansässigen neuen ITTF-Vermarktungsgesellschaft namens "World Table Tennis" (WTT) wählen lassen, die mit einer Revolution der globalen Turnierordnung gerade für Unruhe sogt. Die europäischen Mitgliedsverbände fühlen sich übergangen, die ersten beiden Turniere der neuen Serie fanden dann auch gleich in Katar statt. Der Deutsche Tischtennis-Bund hatte im Herbst einen sorgenvollen Brief an den Weltverband geschrieben und darin unter anderem die Rechtmäßigkeit der WTT-Gründung hinterfragt. Eine von der ITTF eingeleitete Untersuchung durch neutrale Wirtschaftsprüfer ergab allerdings, dass alles legitim gewesen sei.

Weikert bekommt nun bei der ITTF durchaus zu spüren, dass ihm diese Aktion aus seinem Heimatland im Exekutivkomitee mit angelastet wird. Obwohl er damit absolut nichts zu tun habe, wie er betont: "Im krassen Gegensatz zu den Tatsachen wird mir vorgeworfen, ich sei daran beteiligt gewesen", klagt er. Hinter den Kulissen des Tischtennis, einer der beliebtesten Freizeitsportarten der Welt, geht es tendenziell ruppig zu.

Weikerts Vorbehalte gegen den Unternehmer Al-Mohannadi rühren auch von einer vermuteten unzulässigen Vermischung von amtlichen und persönlichen Interessen. Laut ITTF-Satzung dürfen Exekutivmitglieder keine Verbindung zu Unternehmen pflegen, die vom Sport profitieren. Al-Mohannadi jedoch soll Geschäfte mit Sportausrüstern gepflegt haben. "Es existieren schwerwiegende moralische und sportpolitische Anschuldigungen gegen ihn, die er bisher nicht entkräftet hat", sagt Weikert.

Am 1. September 2014 war Weikert als damaliger Präsident des Deutschen Tischtennis-Bunds ohne Wahlkampf und quasi über Nacht Präsident des Weltverbands geworden, weil der Kanadier Adham Sharara damals nach 15 Jahren im Amt zurücktrat. Drei Jahre später, am Rande der Tischtennis-Weltmeisterschaft 2017 in Düsseldorf, setzte sich Weikert dann in einer Kampfabstimmung gegen den Belgier Jean-Michel Saive durch. Saive war im Wahlkampf vom Schattenmann Sharara unterstützt worden. Es gibt ein Foto, auf dem man Weikert bei Bekanntgabe des Ergebnisses überschwänglich jubeln sieht. Man erkennt daran, mit welchen Bandagen im Tischtennis-Weltverband gekämpft wird - und diesmal droht es noch härter zu werden.

Das Exekutivkomitee hat Weikert per Mehrheitsabstimmung wegen seines Alleingangs im Fall Al-Mohannadi das Vertrauen entzogen. Eine mögliche Isolierung des deutschen Präsidenten im Exekutivkomitee wäre nun das eine - das Votum von 226 Mitgliedsverbänden im Weltverband mit je einer Stimme bei der Präsidentenwahl im September ist aber etwas anderes. "Die Reaktionen, die ich bekommen habe, stimmen mich positiv, dass viele Nationen es auch nicht mögen, wenn nicht korrekt gearbeitet wird", sagt er über Unterstützung aus Nationalverbänden.

Wenn man Weikert fragt, wie er seine Chancen sieht, am 18. September wiedergewählt zu werden, dann antwortet er: "Das hängt von den Entwicklungen der nächsten Wochen ab." Wenn man ihn fragt, warum er sich das alles antut, erklärt er, dass man "als Sportler nervenaufreibende Situationen auf sich nimmt, um am Ende Verbesserungen zu erreichen". Er habe während seiner Tätigkeit als Präsident immer auch an "transparenten Verhältnissen" gearbeitet. "Diese Entwicklung sehe ich derzeit gefährdet."

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