Wenn die Zuschauer begeistert waren vom Tischtennisspieler Benedikt Duda, dann riefen sie auf der Tribüne „Dudadudaduda.“ In der Linzer Arena hätte man am Wochenende das Gefühl bekommen können, da nähere sich jedes Mal ein Einsatzfahrzeug – bloß Blaulicht war nicht zu sehen.
Der Gummersbacher Duda vom oberbergischen Bundesligisten Schwalbe Bergneustadt war in der großen, weiten Tischtenniswelt trotz seines Alters von 30 Jahren bislang nicht in aller Munde, doch bei der Europameisterschaft in Österreich spielte er wie ein junger Gott und zog überraschend ins Endspiel ein.
Im Finale am Sonntagabend gegen den 21 Jahre jungen Alexis Lebrun hätte es dann aber doch eines Blaulichts bedurft. Tatütataa! Duda wurde von dem phänomenalen Franzosen auseinandergenommen. Er verlor 0:4, machte nur 21 Punkte. Blackout im bedeutendsten Moment der Karriere – so grausam kann Tischtennis auch sein.
Nachdem ihm im Viertelfinale gegen den jüngeren Lebrun-Bruder, den aufstrebenden und topgesetzten Felix Lebrun, 18, eine 4:3-Sensation gelungen war und er im Halbfinale auch seinen favorisierten Teamkollegen Dimitrij Ovtcharov 4:2 besiegt hatte, stand Duda im Endspiel dem älteren Bruder gegenüber. Alexis Lebrun spielte in Linz wie ein KI-gesteuertes Aufziehmännchen. Er traf einfach alles in unfassbarem Tempo. Er machte kaum Fehler. Er hatte im Viertelfinale den deutschen Titelverteidiger Dang Qiu 4:1 besiegt und im Halbfinale den schwedischen Überflieger Truls Möregardh 4:0.
Dudas Silbermedaille war ein enormer Erfolg - gegen den Franzosen Alexis Lebrun hatte keiner eine Chance
„Das ging schnell“, sagte Duda nach dem knapp halbstündigen Finale. Viel mehr musste man auch nicht sagen. Er fand ins Endspiel nie hinein – und dann war alles schon wieder vorbei. Allerdings war schon der Finaleinzug ein Triumph. Die Silbermedaille wird in den nächsten Wochen immer heller strahlen. Noch im Sommer litt Duda an einer Knorpelverletzung im Knie, die ihn zu einer zweimonatigen Wettkampfpause zwang.
In der Linzer Arena war bei der EM immer wieder dieselbe Stelle aus der fünften Sinfonie von Anton Bruckner zu hören. Das lag daran, dass man in Österreich in diesem Jahr des 200. Geburtstags des Komponisten gedenkt, außerdem kommt in Bruckners Fünfter eine Tonfolge vor, die es in den Arenen dieser Welt zu Berühmtheit gebracht hat – als Gitarrenriff der Band White Stripes. „Seven Nation Army“ heißt der Hit, den jeder Sportfan mitsingen kann. In Österreich favorisierte man die originale Bruckner-Variante.
Alt und Jung im wandelnden Takt der Generationen – unter diesem Motto stand die EM auch für die Deutschen. Timo Boll, 43, hat seine internationale Karriere kürzlich beendet, länger schon auch die Europameisterin von 2021, Petrissa Solja, 30. Und auch die beiden gebürtigen Chinesinnen Ying Han, 41, die verletzt ist, und die nicht nominierte Xiaona Shan, 41, fehlten in Linz.
2021 in Warschau hatte Deutschland mit Boll, Solja und Shan insgesamt vier Titel und sieben Medaillen gewonnen; das war die beste deutsche Ausbeute jemals bei einer Individual-EM (mit Einzel, Doppel und Mixed). 2022 in München sicherte sich der DTTB einen Titel und vier Medaillen. Wenn die EM 2024 nun einen Generationswechsel bedeutete, dann lautete die Frage: Wie viele Titel und Medaillen sind angemessen in Zeiten des Wandels? Die Antwort lautete: kein Titel, aber vier Medaillen. Bronze für das Mixed Annett Kaufmann/Patrick Franziska, Silber für Benedikt Duda und Bronze für Dimitrij Ovtcharov im Männereinzel sowie Bronze im Fraueneinzel für Nina Mittelham.
Am Ende wirkte Kaufmann etwas enttäuscht, doch ihr wird eine glänzende Zukunft vorausgesagt
Annett Kaufmann, 18, ist der neue weibliche Fixpunkt des deutschen Tischtennis. Sie hört bekanntlich lieber Taylor Swift als Bruckner, und so schwungvoll spielt sie auch. In Linz wurde sie an der Seite von Franziska Dritte. Im Halbfinale ließen die beiden drei Matchbälle liegen gegen die Österreicher Sofia Polcanova und Robert Gardos. Im Frauendoppel schied Kaufmann mit Nina Mittelham im Achtelfinale aus, und im Einzel war für sie in der zweiten Runde Schluss, als sie auf die favorisierte Rumänin Bernadette Szoczs, die Finalistin, traf. Am Ende wirkte Kaufmann ein wenig enttäuscht, doch ihre Zukunft ist verheißungsvoll.
Nina Mittelham, Sabine Winter und Yuan Wan, drei deutsche Spielerinnen, hatten das Viertelfinale erreicht. Bei den Männern waren es dank Ovtcharov, Franziska, Qiu und Duda sogar vier. „Das war eine rundum gelungene Veranstaltung“, bilanzierte Männer-Bundestrainer Jörg Roßkopf und prognostizierte auch für die nächsten Europameisterschaften enge Duelle mit den anderen vier Viertelfinalisten: den Franzosen Felix und Alexis Lebrun und den Schweden Truls Möregardh und Anton Källberg. „So wird es die nächsten Jahre weitergehen“, sagt Roßkopf voraus. Für Benedikt Duda könnte das bedeuten, dass er vielleicht noch einmal eine Chance bekommt.