Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Eine Mama, die an der Platte verblüfft

  • Nur fünf Wochen nach der Geburt ihrer Tochter spielt Kristin Lang wieder in der Tischtennis-Bundesliga und gewinnt ihr erstes Einzel.
  • Ihre neue Rolle als Mutter hält einige Besonderheiten für ihre Trainingsgestaltung bereit, über die sie selber lachen muss.
  • Auch die Mannschafts-WM im schwedischen Halmstad hat sie noch nicht abgehakt.

Von Matthias Schmid

Mit Kristin Lang in diesen Tagen in Ruhe und am Stück zu telefonieren, ist nicht ganz so einfach. Das Gespräch mit der zweimaligen Europameisterin im Tischtennis kann des Öfteren unterbrochen werden, obwohl sie sich momentan zu Hause in Düsseldorf und nicht an irgendeinem entlegenen Flecken des Planeten aufhält. Aber sie hat eine gute Begründung parat: ihre Tochter. "Wenn sie schreit, muss ich leider auflegen", sagt Lang.

Ihr Leben hat sich stark verändert, seit Carolin am 8. Januar dieses Jahres auf die Welt gekommen ist. Aber noch mehr hat sich ihr Leben als professionelle Tischtennisspielerin verändert. Die 33-Jährige vom oberbayerischen Erstligisten SV DJK Kolbermoor kann noch weniger als zuvor trainieren. Dabei war Lang, die früher Silbereisen hieß, nie eine Besessene was das Training anbelangt. Ihr reichten in der Regel sieben Einheiten in der Woche aus, um mit der Weltspitze mithalten (Rang 30 in der Weltrangliste) und schöne Titel wie bei der Europameisterschaft 2016 im Doppel (an der Seite ihrer Klubkollegin Sabine Winter) gewinnen zu können - Lang verdiente nebenbei noch als Physiotherapeutin ihr Geld. Ihr neuer Halbtagsjob, wenn man so will, ist jetzt halt: Mutter.

Das hielt Lang aber nicht davon ab, schon fünf Wochen nach der Geburt wieder in der Bundesliga für Kolbermoor aufzuschlagen. Sie redet so beiläufig von dieser außergewöhnlichen Leistung, als ob sie nur eine Handprellung auskuriert hätte. Dabei fällt ihr auch keine weitere Tischtennisspielerin ein, die so früh nach der Niederkunft wieder zurückgekehrt wäre, "aber alle, die ich kenne, waren bei der Geburt auch weit über 40", sagt die dreimalige deutsche Einzelmeisterin. Sie folgte keinem ausgeklügelten Plan, es war mehr der Zufall, der Regie führte. Nach etlichen zweiten Plätzen will Kolbermoor in dieser Spielzeit endlich den Meistertitel gewinnen, im Moment liegt der Verein aus dem Landkreis Rosenheim in der Tabelle auf Platz zwei. Vor den in dieser Saison eingeführten Playoffs wollte Lang im Hinblick auf die entscheidenden Spiele unbedingt vorher testen, wo sie sich nach der Pause von der Leistung her wieder einreihen muss.

Schmerzen hatte sie keine, sie fühlte sich körperlich aber nicht sonderlich in Form, erzählt Lang. "Deshalb wollte ich meiner Gegnerin nach der Aufwärmphase nur die Hand geben." Doch aus den Shakehands ist dann ein 3:2-Sieg gegen Linda van de Leur-Creemers von der TuS Bad Driburg geworden.

Lang ist viel zu ehrgeizig, um ein Einzel tatenlos abzuschenken, auch fünf Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes: "Ich wollte den ersten Satz gewinnen, damit sie nervös wird." Das klappte, obwohl Lang davor nur zweimal 15 Minuten trainiert hatte. Das Spitzeneinzel gegen Nina Mittelham verlor sie dann allerdings: "Alles kann ich dann mit meiner Erfahrung nicht wettmachen", sagt die Rechtshänderin, die an diesem Sonntag im Spitzenspiel beim Tabellenführer TTG Bingen/Münster-Sarmsheim mitwirken wird.

Mittlerweile versucht sie wieder, viermal in der Woche an der Tischtennisplatte zu stehen und an ihrem Spiel zu feilen, an ihrem Vorhand-Topspin oder an der Beinarbeit. Das führt manchmal zu besonderen Trainingsumständen, über die Lang selbst lächeln muss, weil sie so weit weg sind von den hohen Ansprüchen einer Leistungssportlerin.

Zum Beispiel kommt ihr Mann in seiner Mittagspause nach Hause, um mit der Kleinen spazieren zu gehen, "damit ich schnell in die Halle gehen und 30, 40 Minuten ein paar Bälle schlagen kann", wie Lang erzählt. Oder ihre eigene Physiotherapeutin passt in der Zeit auf ihre Tochter auf, auch wenn sie eigentlich für Langs Körperpflege vorgesehen war - die Tischtennisspielerin sucht dann lieber die Halle auf, damit sie wenigstens im Schlagtraining bleibt. Das ist ihr noch wichtiger als das Krafttraining, denn fünf Monate ohne Tischtennis hatte Lang zuvor nicht erlebt. Sie war in ihrer ganzen Karriere nie ernsthaft verletzt. "Da war zunächst alles ziemlich ungewohnt für mich", gibt sie zu.

"Bei mir sieht alles eher noch nach Zeitlupe aus"

Nach der langen Zeit des Nichtstuns, erklärt Lang, "fehlt mir vor allem noch das Tempo und der Vorwärtsdrall in den Schlägen". Tischtennisspieler arbeiten viel mit dem Oberkörper, mit den Bauchmuskeln, um die Bälle auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen. Sie selbst liebt das Angriffsspiel, sie lebt davon, nah an der Platte zu stehen und rasant zu spielen. "Bei mir sieht es derzeit aber eher noch nach Zeitlupe aus, weil nach der Geburt keine Bauchmuskeln mehr hatte."

Nach einem weiteren Einzel-Sieg gegen die TTK Anröchte findet sich Kristin Lang aber immer besser zurecht, mit der Muskulatur kommt auch das Selbstvertrauen zurück. Sie fühlt sich sogar wieder so gut, dass sie gerne bei der Mannschafts-WM im schwedischen Halmstad ab 29. April mitmachen möchte. Den Bundestrainer hat sie über ihre ehrgeizigen Pläne schon informiert. Ihn und ihre Kolleginnen aus der Nationalmannschaft trifft sie regelmäßig im Training in Düsseldorf. "Nominiert bin ich aber noch nicht", sagt Kristin Lang. Mit weiteren Siegen in der Bundesliga will sie wieder auf sich aufmerksam machen. Als professionelle Tischtennisspielerin, die nun Mama statt Physiotherapeutin im Nebenberuf ist.

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SZ vom 16.03.2018/schma
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