Tischtennis:Der Schlangenmensch zieht durch

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In glänzender Verfassung: Kilian Ort gewann vor Wochenfrist erst gegen Düsseldorfs Timo Boll - und nun auch beide Einzel gegen Ochsenhausen. (Foto: Revierfoto/Imago)

Der TSV Bad Königshofen hat sich in der ersten Liga binnen weniger Wochen vom Abstiegskandidaten zum Playoff-Anwärter entwickelt. Anstelle des Top-Zugangs Yukiya Uda läuft Eigengewächs Kilian Ort zu überragender Form auf.

Von Andreas Liebmann

In diesem Moment war eigentlich alles zu spät. Der Ball schon viel zu nahe, unmittelbar vor dem Gesicht. Dieser Timo Boll auf der anderen Seite hatte ihn mal wieder perfekt ausplatziert. Ärgerlich war das, denn Kilian Ort vom unterfränkischen Tischtennis-Erstligisten TSV Bad Königshofen hatte zuvor Bolls ersten Matchball abgewehrt, nun wollte er die Rückhand umlaufen, und hätte das Erfolg gebracht, hätte er damit zum 10:10 im fünften Satz ausgeglichen - so nah am Sieg war er wohl noch nie gegen den Altmeister. Aber wie gesagt: Der Ball drehte sich so schnell auf Ort zu, dass sich höchstens noch ein Schlangenmensch aus dieser Lage hätte herauswinden können.

Egal, wie oft man sich diese Vorhand später noch in der Zeitlupe ansah, sie blieb nach menschlichem Dafürhalten unmöglich, zumindest so hart, wie Kilian Ort sie dann trotzdem noch traf, das Kreuz nach links verbogen, die Beine fast im Spagat. Er wehrte danach sogar noch einen dritten Matchball ab, nutzte den ersten eigenen, fügte Timo Boll nach einer ganzen Reihe spektakulärer Punkte erst dessen zweite Niederlage in der laufenden Runde zu - und führte seinen Verein damit zu einer echten Überraschung: 3:2 gewann der TSV bei Rekordmeister Düsseldorf, obwohl dort außer Ort, 26, eigentlich niemand fit war. Und selbst der hatte noch die Rückreise aus Durban, Südafrika, in den Knochen. Eine Woche ist das nun her. Es war die bisherige Krönung einer erstaunlichen Aufholjagd.

Die nächste Überraschung gegen Ochsenhausen bleibt aus - weil der TSV das zweite von acht Schlussdoppeln dieser Saison verliert

Denn die Unterfranken waren mit 2:6 Punkten in die Saison gestartet, hatten dann im November schwere Gegner vor sich, die Hinspiele gegen Düsseldorf und Saarbrücken zum Beispiel. Plötzlich ging es um den Ligaverbleib. Nun, wenige Wochen später, ist aus ihnen ein ernsthafter Anwärter auf den vierten Playoff-Platz geworden. Dabei kam manches anders, als zu Saisonbeginn zu erwarten war. Zugang Yukiya Uda zum Beispiel, dessen Verpflichtung als Coup galt, enttäuschte. Die Nummer 22 der Welt hat nur zwei seiner neun Einzel gewonnen und wird auch nicht mehr oft zur Verfügung stehen. Auch für ihn entschied sich vieles im Duell mit Boll, gegen den er im Hinspiel Matchbälle vergab und verlor. "Seitdem war er nervös, unter Druck, er ist dem nur noch hinterhergehechelt", sagt Teammanager Andreas Albert. Und Martin Allegro, der andere Zugang, hat noch gar kein TTBL-Einzel gewonnen (0:5).

Viele TSV-Siege waren knapp, mit großem Teamgeist in den Schlussdoppeln umgebogen, aber keiner war so erstaunlich wie der in Düsseldorf. Denn Bastian Steger hatte dort sein Einzel gegen Boll wegen eines steifen Nackens abschenken müssen. Allegro hatte erst wenige Tage zuvor sein erstes Training nach Hüft-OP absolviert. Aber da Ort nun mal gleich zwei Spiele gewann (das andere gegen den jungen Nationalspieler Kay Stumper) und sonst niemand verfügbar war, probierten Steger/Allegro eben, was wohl so geht im Doppel unter diesen Voraussetzungen- und bezwangen Kamal Achanta und Europameister Dang Qiu. Für die Doppel war die Verpflichtung des Linkshänders Allegro allemal ein Gewinn.

Am vergangenen Sonntag hat Ort daheim so weitergemacht, wie er in Düsseldorf aufhörte: Er setzte sich als Nummer eins sowohl gegen Samuel Kulczycki als auch gegen Simon Gauzy von den favorisierten TTF Ochsenhausen durch, was sein Team trotz Niederlagen von Filip Zeljko und Steger auch gegen den Tabellendritten wieder ins Schlussdoppel führte. Dieses ging ausnahmsweise verloren, erst zum zweiten Mal in acht Anläufen. Die Playoffs bleiben aber trotz der 2:3-Niederlage greifbar.

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