Tischtennis:Der große Tag fällt aus

Tiago Apolonia TTC Neu Ulm TTBL Tischtennis Bundesliga TTC Neu Ulm vs SV Werder Bremen am 10 09; apolonia

„Er hat gezeigt, dass er sich für die Mannschaft extra zerreißen kann“: Tiago Apolonia bleibt in Neu-Ulm.

(Foto: Eibner/Imago)

Die Bundesliga-Playoffs sind auf unbestimmte Zeit verschoben, für die meisten Klubs ist die Saison zu Ende. Der TTC Neu-Ulm zieht erste Schlüsse.

Von Andreas Liebmann

Es wäre zweifellos ein großer Tag gewesen, für die Spieler, für die Zuschauer, für den ganzen Verein. Ein herausragendes Kapitel in der Klubchronik, wobei das ja nicht schwer ist - den TTC Neu-Ulm gibt es schließlich erst seit 2019. Nun aber hätte der jüngste aller Tischtennis-Erstligisten am letzten Spieltag der TTBL den deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf empfangen, wahrscheinlich mit dessen Star Timo Boll, weil es für die Gäste noch um die Playoff-Platzierung gegangen wäre. Das Hinspiel hatte die Borussia ohne Boll 3:0 gewonnen.

Es haben wohl noch sehr wenige große Tage derart viel Hin und Her erlebt wie dieser. Ganz am Anfang hätte das Duell mal in der großen Ratiopharm-Arena in Ulm stattfinden sollen, wie alle Heimspiele, seit der Klub mit einer Wildcard und großen Ambitionen in der ersten Liga auftauchte. Im Herbst war der TTC dann umgezogen, ins deutlich kleinere Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm, die Verantwortlichen hatten das Zuschauerinteresse an ihrem Projekt offenbar überschätzt. Den großen Tag hätten sie allerdings in der Lixsporthalle verbracht, der Heimat des Handball-Drittligisten Blaustein, ein paar Zuschauer sollten ja doch Platz haben. Aber dann schüttelte die Geschichte den großen Tag erst so richtig durch: Die Team-WM in Südkorea wurde abgesagt, wegen eines in Asien aufgetauchten Virus, weshalb die TTBL ihren letzten Spieltag vordatierte, vom 13. April auf den frei gewordenen 22. März - und Neu-Ulm stand plötzlich ganz ohne freies Spiellokal da. Der neue Plan, gemeinsam mit Nachbar Ochsenhausen einen Doppelspieltag in dessen Halle auszutragen, klang gut, doch als das Virus näherkam, lief es wie überall: 1000 Zuschauer? 500? Geisterspiel? Am Ende wurde der große Tag gestrichen.

Die Playoffs der ersten Vier sind, Stand jetzt, auf unbestimmte Zeit verschoben, für alle anderen ist die Saison zu Ende. Der TTC Neu-Ulm ist mit 18:24 Zählern Achter geworden, gleichauf mit dem Neunten TSV Bad Königshofen. "Darüber sind wir superglücklich", sagt die Teammanagerin Nadine Berti. Nach den "aufregenden Wochen" zuletzt kann sich der Verein nun an die Planung für die nächste Saison machen; aus der vergangenen, sagt Berti, "haben wir viel gelernt". Was nicht unbedingt bedeuten muss, dass sie richtig schlau aus allem geworden sind. Da war zum Beispiel der routinierte Brasilianer Gustavo Tsuboi, von dem sie sich am meisten erwartet hatten. "Wir hätten ihn als unsere Nummer eins gesehen", sagt Berti etwas ratlos. Doch der Weltranglisten-43. enttäuschte. Er schloss nahtlos an eine durchwachsene Saison in Bremen an und weist nun mit 3:7 exakt dieselbe Bilanz auf wie der Schwede Viktor Brodd, der Tsuboi zwischenzeitlich ersetzt hatte und nach gutem Beginn "an seine Grenzen gestoßen" sei. Brodd allerdings, nur so zum Vergleich, wird in der Weltrangliste auf Position 611 geführt. "Beide werden uns wohl verlassen", sagt Berti.

Ganz anders lief die Sache mit dem Portugiesen Tiago Apolonia, der ehemaligen Nummer 13 der Welt. "Wir wussten, dass er gut ist, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so stark sein würde", gibt Berti zu. Das Jahr zuvor hatte der 33-Jährige in der japanischen Liga verbracht, das wirkte schon ein wenig wie Vorruhestand, doch dann bildete er in Neu-Ulm das exakte Kontrastprogramm zum international nach wie vor erfolgreichen Tsuboi: "Er war unser Teamleader. Während Gustavo unter dem Druck in einem Team eher schlechter geworden ist, hat Tiago gezeigt, dass er sich für die Mannschaft extra zerreißen kann."

Mit 21:6 Siegen war Apolonia der dritterfolgreichste Spieler der Hauptrunde. Sein Vertrag ist bereits um zwei Jahre verlängert worden. Nachwuchsspieler Kay Stumper bleibt ebenfalls und soll weiter aufgebaut werden. Gerne würde der Verein auch den Koreaner An Jaehyun behalten, ein Angebot habe der 20-Jährige vorliegen. Doch der WM-Dritte von 2019 ist natürlich begehrt, und der südkoreanische Verband hat da mehr als nur ein Mitspracherecht. "Dass wir ihn überhaupt für ein paar Spiele bekommen haben, war ein großes Glück für uns", sagt Berti, "eine coole Nummer, auch für die Zuschauer. Seine Spielweise war noch mal ein Stück schneller und agiler als die der Europäer." Der erste Zugang steht wohl auch schon fest, zumindest gebe es eine mündliche Vereinbarung mit Emmanuel Lebesson, 31. In der Weltrangliste findet man den französischen Nationalspieler ganz einfach, er steht unmittelbar vor Tsuboi, auf Rang 42.

Ganz voll wäre der Kader mit ihm auch noch nicht, die Planungen laufen weiter, was angesichts der aktuellen Weltlage ja nicht ganz einfach ist. Das größte Fragezeichen steht dabei hinter Lebessons Landsmann Abdel-Kader Salifou. Denn der hat in der abgelaufenen Runde wirklich nichts von dem erfüllt, was sein Verein erwartet hatte, positiv wie negativ. Vor allem als Doppelspezialist war der 30-Jährige geholt worden, doch gerade die Doppel führten anfangs zu vielen knappen Niederlagen. Und im Einzel hätte er eine solide Nummer drei abgeben sollen, stattdessen unterliefen ihm derbe Niederlagen wie zuletzt ein 0:3 gegen Jülichs Dennis Klein, dem zuvor erst ein einziger Sieg gelungen war. Seine wenigen Erfolge feierte Salifou indes gegen Topleute: Zweimal bezwang er Mattias Falck, den WM-Zweiten von 2019; gegen Hugo Calderano gab er keinen Satz ab - das sind die beiden besten Nichtasiaten in der Weltrangliste. Auch Daniel Habesohn und Bastian Steger bezwang er, beides Team-Europameister, der eine einmal, der andere viermal. Wer weiß, vielleicht wäre eine Partie gegen Düsseldorf mit Timo Boll speziell für Salifou mal wieder einer dieser ganz großen Tage geworden.

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