Tischtennis:Das Gesicht des Projekts

Table tennis Tischtennis ITTF Team EC 20219 NANTES FRANCE 07 SEP 19 TABLE TENNIS ITTF Europe; Tiago Apolonia

Silbermedaillengewinner: Tiago Apolonia und das portugiesische Nationalteam zeigten bei der EM in Nantes, dass sie durchaus Chancen haben, bei Olympia weit zu kommen.

(Foto: Mario Kneisl/imago)

Bei der Team-EM hat Tiago Apolonia Mattias Falck besiegt, am Dienstag sehen sie sich in der Bundesliga-Partie des TTC Neu-Ulm gegen Werder Bremen schon wieder.

Von Raphael Späth

Es gibt diese Momente, in denen man Sportlern ansieht, wenn alle Anspannung auf einmal abfällt. Tiago Apolonia stand am vergangenen Samstag im französischen Nantes regungslos am Tisch, auf einmal hatte er nur ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Sekunden später stürmten seine Mannschaftskameraden auf ihn zu, das stoische Lächeln wich blanker Freude. Gerade hatte er dem portugiesischem Tischtennis-Nationalteam in einem spannenden Kampf gegen den Schweden Jon Persson den Einzug ins Endspiel der Team-Europameisterschaft beschert - die Silbermedaille war sicher.

Apolonia ist an diesem Samstagnachmittag der entscheidende Mann der Portugiesen gewesen, er gewann beide Einzel gegen Persson und einen gewissen Mattias Falck, der nur wenige Monate zuvor noch Silber bei der Einzel-Weltmeisterschaft in Budapest geholt hatte. "Das war erst das zweite Mal, dass ich gegen ihn gespielt habe", sagt Apolonia. "Bei der WM in Budapest hat er mich deutlich geschlagen. Also habe ich dieses Mal meinen Spielstil etwas verändert - und es hat funktioniert."

Im Finale war aber auch Tiago Apolonia gegen die haushohen Favoriten aus Deutschland chancenlos, gegen seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Patrick Franziska unterlag er 0:3. "Momentan ist Deutschland noch das klar beste Team Europas", sagt der 33-Jährige. Auch seinen Erfolg gegen den Schweden Mattias Falck möchte er nicht zu hoch hängen: "Im Halbfinale einer Team-EM herrscht eine komplett andere Atmosphäre als bei einer Einzel-Weltmeisterschaft. Davon habe ich auf jeden Fall profitiert."

Dass der Sieg gegen den Weltranglisten-Neunten aber keinesfalls ein Zufallsprodukt war, kann der Portugiese schon drei Tage später beweisen: Bereits am heutigen Dienstag trifft Apolonia wieder auf den WM-Zweiten - dieses Mal allerdings nicht im Nationaldress, sondern in der Bundesliga, im Trikot des TTC Neu-Ulm. Der Verein, der als Projekt von Investor Florian Ebner erst im Frühjahr ins Leben gerufen wurde und nur dank einer Wildcard in der Bundesliga starten darf, empfängt am dritten Bundesliga-Spieltag Werder Bremen - mit Mattias Falck.

"Das wird keine einfache Aufgabe", sagt Tiago Apolonia. "Ich bin hier in einem komplett neuen Verein mit neuen Mitspielern. Wir brauchen noch Zeit, um uns als Mannschaft einzuspielen - dabei können gerade solche kleinen Details den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage machen." Die ersten beiden Bundesliga-Partien des neu gegründeten Vereins gegen Grünwettersbach und Mühlhausen gingen knapp verloren; "allerdings war die Art und Weise, wie wir gespielt haben, schon ziemlich zufriedenstellend", analysiert Apolonia. Der ehemalige Weltranglisten-13. ist das Aushängeschild der Neu-Ulmer; in den ersten beiden Spielen konnte er jeweils eins von zwei Einzeln gewinnen. "Ich finde das Projekt sehr interessant und habe auch vor, erst einmal in Neu-Ulm zu bleiben", sagt er. "Die Neu-Ulmer wollen in den kommenden Jahren eine konkurrenzfähige Mannschaft aufstellen, und dabei möchte ich mithelfen."

Das Abenteuer in der japanischen Liga beendete Apolonia schnell - wegen der Reisestrapazen

Der 33-Jährige ist in Deutschland kein Unbekannter, bereits von 2007 bis 2018 spielte er in der besten Tischtennisliga Europas. Im Vorjahr zog es ihn dann nach fünf Jahren in Saarbrücken überraschend nach Japan: "Ich wollte einfach mal etwas Neues ausprobieren, und der Wechsel nach Japan erschien mir eine gute Idee, weil Tischtennis dort sehr populär ist und ich durch meinen Hauptsponsor einen gewissen Bekanntheitsgrad dort habe."

Den Wechsel hat er bis heute nicht bereut, allerdings waren die Reisestrapazen der ausschlaggebende Grund, weshalb Apoloria sich nach einer Saison schon wieder in Richtung Deutschland verabschiedete. "In den Monaten, in denen ich dort in der Liga spielen musste, fand in Europa die Pro Tour statt, die ausschlaggebend für die Weltrangliste ist", erklärt der Portugiese. "Die ständige Reiserei hat mich zu viel Energie gekostet, das hatte ich so nicht erwartet." Als die Neu-Ulmer dann relativ spät anklopften, musste er nicht lange überlegen: "Ich war sehr glücklich, Teil dieses neuen Projekts zu werden. Für mich als Europäer ist es sehr viel einfacher, in Deutschland zu spielen als in Japan."

Dorthin will er spätestens im Sommer 2020 zurückkehren - das Nationalteam hat nach den überzeugenden Auftritten bei der Europameisterschaft durchaus Chancen, bei Olympia weit zu kommen. "Darüber möchte ich jetzt noch nicht nachdenken", sagt Apolonia. "Ich versuche einfach, mich so professionell wie möglich darauf vorzubereiten, um meine persönlichen Ziele zu erreichen und gleichzeitig meinem Verein und meinem Nationalteam zu helfen." Dass er dazu in der Lage ist, hat er in diesem Sommer schon bewiesen.

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