Tischtennis-Bundesliga:Mizuki 2.0

Tischtennis-Bundesliga: Visitenkarte: Beim Grand Smash in Singapur hat Yukiya Uda unter anderem Timo Boll bezwungen.

Visitenkarte: Beim Grand Smash in Singapur hat Yukiya Uda unter anderem Timo Boll bezwungen.

(Foto: Yong Teck Lim/Getty Images)

Eigentlich war der neue Kader des Erstligisten TSV Bad Königshofen voll. Doch nun kommt Boll-Bezwinger Yukiya Uda, ein Top-Transfer, zu dem einfach niemand nein sagen konnte - und der gute Erinnerungen weckt.

Von Andreas Liebmann

Ehe es sich so richtig herumspricht im unterfränkischen Örtchen Bad Königshofen - und das dürfte jetzt sehr schnell gehen -, könnten sich die Fans des dortigen Tischtennis-Erstligisten vielleicht noch ein bisschen gegenseitig auf den Arm nehmen. Stell dir vor, könnte einer sagen, wir kriegen einen Japaner für nächste Saison! Einen ihrer Besten! Jung, quirlig, unglaublich schnelle Beine, großes Kämpferherz, aggressive Spielweise... - na?

Sehr wahrscheinlich würde jeder an Mizuki Oikawa denken. Den Traum haben sie schon lange: Ihren verlorenen Sohn, der als Teenager zu Zweitligazeiten kam, der in diesem familiären Klub zum Weltklassespieler reifte und dann wegen der Pandemie überraschend um Vertragsauflösung gebeten hatte, eines Tages aus Japan zurückzuholen. Vielleicht sogar heimzuholen, ja, so würden sie das hier wohl sehen. Aber nein: Oikawa wird nicht zurückkehren. Vielleicht wird alles sogar noch besser.

Nächtelang hat Teammanager Andreas Albert kaum geschlafen vor Nervosität, so erzählt er das zumindest. Aus Angst, dass noch etwas dazwischenkommen könnte. Und aus Vorfreude über seinen Coup. Am Donnerstag kam endlich die ersehnte Unterschrift, und nun ist er also offiziell ein Bad Königshöfer: Yukiya Uda.

Beim Grand Smash in Singapur schied Uda erst im Halbfinale gegen den Weltmeister aus

Uda wird auf Position 30 der Weltrangliste geführt (Oikawa auf 85), er ist die Nummer drei im tischtennisbegeisterten Inselstaat, gerade mal 20 und nach Alberts Einschätzung noch deutlich weiter in seiner Entwicklung, als es der inzwischen 24-jährige Oikawa in diesem Alter war. Praktischerweise kann man ihn sich im Moment prima in Videos anschauen, weil er kürzlich erst beim Grand Smash in Singapur, dem allerersten Turnier dieses neuen, äußerst lukrativen Weltcup-Formats, einen gewissen Timo Boll bezwungen hat, 3:2 in der zweiten Runde und nach Abwehr eines Matchballs, womit er dem Rekord-Europameister eine Menge Preisgeld stahl.

Uda setzte sich danach ähnlich knapp auch gegen den deutschen Nationalspieler Dang Qiu durch, der in der Bundesliga für Düsseldorf aktuell mit einer 13:1-Bilanz glänzt und im Interview anerkennen musste, dass sein Gegenüber "der aggressivere Spieler" gewesen sei. Und schließlich unterlag er im Halbfinale dem chinesischen Weltranglistenersten und späteren Turniersieger Fan Zhendong, was gerüchteweise schon ein paar anderen passiert sein soll, gegen den er beim 2:4 (9:11, 11:7, 7:11, 14:16, 13:11, 9:11) jedoch alles andere als chancenlos war.

Man muss sich von den Videos vielleicht etwas Hochglanz wegdenken, ganz so schick ist es in der Schulturnhalle des TSV dann auch wieder nicht wie beim WTT-Event in Singapur, wo schwarze Tische auf schwarzem Grund bespielt wurden, Netzkanten und Linien feuerrot, rundherum in der Halle rote LED-Strips. Aber Uda findet sich nicht nur in solcher Atmosphäre zurecht. Er hat mit 15 schon einmal in Deutschland gespielt, für den Zweitligisten Grünweiß Bad Hamm.

Offenbar drängen noch weitere Japaner in die stärkste europäische Liga

Auch aus dieser Zeit findet man alte Turnhallenvideos, sogar eines, das Udas 3:0-Sieg im Linkshänderduell gegen einen gewissen Martin Allegro zeigt, einen 25-jährigen Belgier, der damals in Diensten des TTC Jülich stand. Von der kommenden Saison an, das hat hier natürlich längst die Runde gemacht, zählt auch Allegro zum Kader des TSV Bad Königshofen - was nun die interessante Frage aufwirft, wie es eigentlich zu Udas aufregendem Transfer kam. Denn mit Routinier Bastian Steger, den Vertragsverlängerungen von Eigengewächs Kilian Ort und Filip Zeljko sowie der Verpflichtung Allegros galten die Planungen als weitgehend abgeschlossen - und Oikawas Rückholung hatte auch deshalb als kaum möglich gegolten, weil der japanische Verband zuletzt zunehmend darauf gedrängt hatte, dass seine Nationalspieler in der heimischen T-League antreten. Uda wollte offenbar trotzdem in der besten Liga Europas Matchhärte sammeln, noch dazu unter Koji Itagaki, der japanischen Trainerlegende des TSV Bad Königshofen. Man hört, dass weitere Japaner in die TTBL drängen.

Ein bisschen kehrt der TSV Bad Königshofen damit näher zu seinen Anfängen zurück. Der Aufstieg in die TTBL war ihm 2017 mit zwei jungen Japanern geglückt; und den Aufstiegstrainer Itagaki, dessen Kinder beim TSV nun ebenfalls sehr erfolgreich spielen, hatte ihnen ihr japanischer Hauptsponsor besorgt, weshalb man die Sporthalle des Gymnasiums nun auch besser nicht Turnhalle nennt, sondern Shakehands-Arena, benannt nach der Firma des Geldgebers.

Sie sind nun künftig also zu fünft. Jahrelang hatten sie sich vergeblich um einen Linkshänder bemüht, nun haben sie gleich zwei. Allegro, der erste Zugang, steht auf Weltranglistenposition 102 (zwei Ränge vor Ort), er ist aus Frankreichs zweiter Liga in die TTBL zurückgekehrt, wo er in seinem ersten Anlauf mit Jülich von 23 Einzeln allerdings kein einziges gewann. Albert traut ihm zu, im zweiten Anlauf deutlich besser abzuschneiden. So sollten die Unterfranken ein klarer Playoff-Kandidat sein.

Der Fairness halber muss man erwähnen, dass auch Mizuki Oikawa schon gegen Boll gewonnen hat, 2019, nicht in Singapur, sondern im Ligaspiel in Düsseldorf. Nun bleibt eigentlich nur noch offen, wie regelmäßig Yukiya Uda zur Verfügung stehen wird. Und wie es um seine Essgewohnheiten bestellt ist. Von Oikawa ist in Erinnerung geblieben, dass er sich vom Wirt des "Schlundhauses" am Marktplatz immer Schäufele hat zubereiten lassen, diesen Berg Schweineschulter, der unmöglich in den Magen eines 1,60 Meter kleinen Japaners passen konnte. Zur besseren Planung sollte man vielleicht bei Uda nachfragen, ob er auch diese Nachfolge anzutreten gedenkt.

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