Tischtennis-Bundesliga:Die neue Susi

TT Final Four der Damen-Pokalmeisterschaften - Endspiel zwischen den ttc berlin eastside - SV DJK Kolbermoor am 05.01.20

Starke Aufschläge, unauffällige Rückhand: Yu Fu, 41, ist eine typische Vertreterin der klassisch chinesischen Penholder-Grifftechnik.

(Foto: Revierfoto/Imago)

Namhafter Zugang für Kolbermoor: Yu Fu, Nummer eins beim TTC Berlin, kommt nach Oberbayern.

Von Andreas Liebmann

Wer den Tischtennis-Erstligisten SV-DJK Kolbermoor in den sozialen Medien besucht, erfährt dort seit Wochen nur Trauriges: Susi ist weg! Eigentlich hätte der Verein vor den Toren Rosenheims auch gute Neuigkeiten, trotz seines Verlusts, doch die hat er bisher noch nicht veröffentlicht. Man erfährt also von der überraschenden Rückkehr seiner Spitzenspielerin Liu Jia, Spitzname Susi, zu ihrem Heimatverein Froschberg Linz und liest: "Wir als Verein sind sehr traurig darüber, aber aus persönlicher Sicht ist Susis Situation für uns natürlich nachvollziehbar." Die Österreicherin mit chinesischen Wurzeln sei ein Liebling der Zuschauer gewesen, betont Coach und Abteilungsleiter Michael Fuchs.

Irgendwann werden sie sicherlich auch dazu kommen, ihre gute Nachricht zu verbreiten. Eingeweihte haben sie bis dahin längst der Rangliste für die neue Saison entnommen. Denn so kurzfristig und unerwartet Liu Jias Abschiedsgesuch Anfang Mai gekommen war, so unkompliziert hatte sich daraufhin die Verpflichtung einer Nachfolgerin ergeben. Und bei aller gebotenen Vorsicht, weil ja jedes Spiel erst einmal gespielt werden muss, sagt Fuchs: "Sportlich sind wir vermutlich sogar stärker geworden." Der Grund dafür heißt: Yu Fu.

Man fand sich, noch ehe man einander so richtig gesucht hatte

Die Fans des Erstligisten werden sich erneut nur vier Buchstaben merken müssen, wenngleich diese nicht so eingängig sind wie bei Susi. Dafür sind es zwei Silben, die sie erstens schon kennen, weil Yu Fu bisher die Nummer eins des Serienmeisters und Dauerrivalen TTC Berlin war, und weil sie zweitens vielen Tischtennisfans auch von den vergangenen European Games in Nantes in lebhafter Erinnerung ist - und in nicht unbedingt guter. Denn Yu Fu, 1978 im chinesischen Hebei geboren, mit 20 nach Spanien ausgewandert, drei Jahre später nach Portugal gezogen, dort geheiratet und die portugiesische Staatsbürgerschaft erhalten, war Teil jenes Nationalteams, das 2019 in Nantes die deutschen Frauen im Viertelfinale bezwang. Erstmals seit 2011 blieb das DTTB-Team damit ohne Medaille. Die SZ titelte: "Yu Fu macht den Unterschied", und Richard Prause, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes, sagte: "Wir sind hergekommen, um das Turnier zu gewinnen." Aber mit Yu Fu "in dieser Form" müsse man eben auch Portugal zu den Topnationen zählen. Die damalige Berlinerin hatte sich gegen ihre Vereinskollegin Nina Mittelham durchgesetzt und auch gegen Petrissa Solja, die in der Bundesliga für Langstadt antritt.

"Es hat sich ganz gut gefügt", sagt Michael Fuchs nun, "darüber sind wir natürlich sehr froh." Eigentlich hatte er mit Liu Jia auf Position eins geplant, bis diese ihr Anliegen vortrug, ihre Karriere in Linz zu beenden, wo sie lebt und wo sie sich nun in Ruhe auf die verschobenen Olympischen Spiele vorbereiten kann. Für die 38-Jährige wäre Tokio 2021 ein prima Schlusspunkt. "Wir hätten sie schon gerne behalten", räumt Fuchs ein, aber eben auch Verständnis gehabt, man habe sich umgehört - und dann zufällig mitbekommen, dass Berlin ähnlich kurzfristig beschlossen hatte, Yu Fu keinen neuen Vertrag zu geben. "Für sie war das natürlich keine einfache Situation, so spät ohne Verein dazustehen", erläutert Fuchs. So fand man sich also, noch ehe man einander so richtig gesucht hatte.

"Man braucht nicht unbedingt die ganz großen Stärken, solange der Gegner keine Schwäche findet"

Kolbermoors Pläne mit Yu Fu sind nun so ähnlich wie bisher mit Liu Jia: In den wichtigen, den besonderen Spielen solle die Portugiesin eingesetzt werden, "edeljokermäßig", sagt Fuchs, was dann die ganze Mannschaft eine Klasse stärken machen soll. Organisatorisch werde es schwieriger, weil die Neue aus Portugal anreisen muss, dafür ist sie, obwohl drei Jahre älter als ihre Vorgängerin, noch voll im Geschäft. Denn im Gegensatz zu Liu Jia, die ein Jahr vor Yu Fu ihre Heimat China verließ und für Österreich an fünf Olympischen Spielen teilnahm, tritt Yu Fu noch regelmäßig bei World-Tour-Turnieren an. Sie ist eine typische Vertreterin der klassisch chinesischen Penholder-Grifftechnik, mit starken Aufschlägen, guter Vorhand und einer sicheren, aber unauffälligen Rückhand. Alles nicht sonderlich spektakulär, doch auf diese Art war sie vor fünf Jahren mal die Nummer 15 der Welt; zurzeit steht sie auf Position 55. "Man braucht nicht unbedingt die ganz großen Stärken, solange der Gegner keine Schwäche findet", sagt Fuchs.

Mit Yu Fu, Kristin Lang, Lily Zhang, Zugang Yuan Wan (TTG Bingen), Svetlana Ganina und einigen Nachwuchs-Nationalspielerinnen aus der zweiten Liga plant Kolbermoor nun also den nächsten Angriff auf die Berlinerinnen, die wiederum mit Shan Xiaona an Position eins ins Rennen gehen, dahinter mit Mittelham, Britt Eerland (Bad Driburg), Tie Yana und Jessica Göbel (TV Busenbach). Prognosen sind schwer möglich, weil in diesem Jahr auch im Winter noch einmal verpflichtet werden darf. Für Berlin geht die Saison am 5. September los, daheim gegen den TSV Schwabhausen, Kolbermoor hat noch Zeit bis zum 11. Oktober - alles unter Corona-Vorbehalt.

Yu Fu jedenfalls hat Berlin in der vergangenen Saison mit einer 6:1-Bilanz zum Titel verholfen, ihre einzige Niederlage kassierte sie gegen Kristin Lang, mit der sie künftig zusammenspielt. Liu Jia dagegen war vor dem Corona-Abbruch für Kolbermoor nur zu einem Einsatz gekommen, ganz edeljokermäßig gegen Berlin. "Susi" kassierte in dieser Partie allerdings zwei Niederlagen. Zunächst in vier Sätzen gegen Shan Xiaona - und dann, knapp mit 2:3, gegen Yu Fu.

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